Tiroler Arbeiterzeitung - page 2

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D
er sozioökonomische Hinter-
grund, also die soziale Her-
kunft und der familiäre Hin-
tergrund der Kinder, wirken sich in
Tirol deutlich stärker aus als in Südtirol.
Als Hauptursachen für die unterschied-
lichen Leistungen nennen die beiden
Autorinnen Elke Larcher und Martina
Zandonella: Die frühe Differenzie-
rung im österreichischen bzw. Tiroler
Schulsystem in Hauptschul- und AHS-
Kinder verstärkt die Abhängigkeit der
Schulleistung vom sozioökonomischen
Hintergrund. Damit werden die Bega-
bungen eines Teiles der Kinder nicht
genützt. Das Schulsystem in Südtirol
stellt bei Bedarf zusätzliche Schulplät-
ze zur Verfügung, während Schüler in
Tirol auch mit Abweisungen rechnen
müssen, wenn an der gewünschten
Schule keine Plätze mehr frei sind. Das
betrifft nicht nur berufsbildende hö-
here Schulen, sondern auch schon die
Unterstufe des Gymnasiums. Südtiro-
ler Schulen haben mehr Autonomie bei
der Festlegung des Weiterbildungsan-
gebots für die Lehrerinnen und Lehrer
sowie bei den Unterrichtsinhalten, was
sich positiv auf die Schülerleistungen
auswirkt. Die Situation einer deutsch-
sprechenden und ladinischen Minder-
heit führt sowohl bei den Minderheit­
sprachen als auch bei der italienischen
Sprachgruppe in Südtirol zu einem ver-
stärkten Fokus auf die Sprachbildung,
was sich insgesamt positiv auf die Lese-
leistung auswirkt.
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Miteinander
geht’s besser
Studie ergibt:
Durch die frühe Differenzierung im heimischen
Schulsystem werden Begabungen eines Teils der Kinder nicht genutzt.
Gemeinsame
Grund-
und Mittelschulen
Modell.
Südtirol hat eine fünfjährige Grundschule
und eine dreijährige Mittelschule für alle Schüler.
Vorbild.
Im Südtiroler Schulsystem werden die Kompetenzen der Kinder besser
gefördert.
Bundesland Tirol kann
von Südtirol viel lernen
Aufholbedarf.
Südtiroler schneiden beim PISA-Test besser
ab als Nordtiroler Schüler. Was sind die Gründe?
D
er letzte PISA-Test hat in der
Tiroler Schullandschaft für
Aufsehen gesorgt. Vor allem
deshalb, weil die Schüler aus Südtirol
ihre Nordtiroler Kollegen deutlich über-
flügelt haben. Die Bildungsexperten der
AK Tirol haben daher eine Studie in
Auftrag gegeben, um die Gründe für
dieses gute Abschneiden in Südtirols
Schulen zu durchleuchten. Wichtigstes
Ergebnis: Die frühe Differenzierung in
unserem Schulsystem in Hauptschul-
und AHS-Kinder verstärkt die Abhän-
gigkeit der Schulleistung vom jeweiligen
sozialen Hintergrund. Damit werden in
Tirol die Begabungen eines Teiles der
Kinder nicht genützt.
Das überdurchschnittlich gute Ab-
schneiden der Südtiroler Schülerinnen
und Schüler bei der großen internatio-
nalen Vergleichsstudie PISA hat unter
Bildungsinteressierten und Fachleuten
schon länger eine Diskussion darüber
ausgelöst, worin die Ursachen für die
Unterschiede zwischen Tirol und Süd-
tirol zu finden sind. Neben der natio-
nalen Auswertung für Italien hat Südti-
rol bereits bei den PISA Studien 2003
und 2006 eine eigene regionale Auswer-
tung vornehmen lassen und dazu die
Stichprobe der getesteten Schülerinnen
und Schüler erhöht. Mit der PISA Stu-
die 2009 hat auch das Bundesland Tirol
eine regionale Zusatzstudie in Auftrag
gegeben, so dass erstmals seriöse Ver-
gleichsdaten vorliegen.
Die Tiroler Arbeiterkammer hat das
Forschungsinstitut SORA beauftragt,
diese Daten genauer zu analysieren und
die Ursachen unterschiedlicher Schüler­-
Leistungen in Tirol und Südtirol he-
rauszufinden.
Da es sich um einen Systemvergleich
handelt und die Bildungssysteme nati-
onalen Regelungen unterliegen, geht
es im Hintergrund um einen Vergleich
zwischen dem österreichischen und
dem italienischen Schulsystem. PISA
2009 hatte die Lesekompetenz zum
Schwerpunkt, daher hat die Vergleichs-
studie ihren Fokus darauf gelegt.
<<
ZUR DISKUSSION
Für gleiche Chancen
F
ür lebhafte Diskussionen dürfte
gesorgt sein: Die AK Studie be-
stätigt in der aktuellen Debatte um
eine gemeinsame Schule von 6 bis
14 Jahren (oder 15) die Vorteile
einer solchen Schule, wenn sie zu-
gleich auf die individuelle Förderung
des einzelnen Kindes ausgelegt ist.
Aus Gründen der Chancengleichheit
und um die Begabungen der Kinder
zu nutzen und nicht zu vergeuden,
vertritt die AK Tirol schon seit längerem die Position, dass eine gemeinsame
Schule bis zum Ende der Mittelstufe in ganztägiger Form notwendig ist, um
Zukunftschancen und Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern. Wich-
tig dabei bleibt die noch stärkere individuelle Förderung des einzelnen Kindes.
HINTERGRUND
Was ist PISA?
P
ISA testet konkret die Kennt-
nisse von Schülern in Lesen, Ma-
thematik und Naturwissenschaften
amEnde der Pflichtschulzeit. Erhoben
werden grundlegende Kompetenzen,
die in der Pflichtschule vermittelt wer-
den sollen und die man für den Beruf
und für die aktive Teilhabe als Bürger
benötigt. An PISA 2009 haben sich
alle 34 OECD Mitgliedstaaten und
41 Partnerländer beteiligt. Getestet
wurden Jugendliche im Altersschnitt
von 15,3 Jahren bis 16,2 Jahren, un-
abhängig davon, welche Schulart sie
besucht haben.
AK INFOABEND IN INNSBRUCK
Die zentralen
Ergebnisse
B
ei einem OECD Durch-
schnittswert von 496 Punk-
ten in der Lesekompetenz er-
reichte Österreich 470 Punkte,
Tirol 463 Punkte, Italien 486 und
Südtirol 490 Punkte. Dramatisch
sind die Unterschiede hinsicht-
lich der Risikogruppen. Das sind
jene Schüler, die am Ende der
Pflichtschulzeit nicht sinnerfas-
send lesen können. Dieser Anteil
liegt in Südtirol mit 18 % deutlich
unter dem Tiroler Wert von
31 %. Die deutschen Schulen in
Südtirol liegen mit 15,9 % noch
besser, die italienischen Schulen
verzeichnen 26,6 %. Sowohl in
Südtirol als auch im Bundesland
Tirol, liegen die Mädchen beim
Lesen deutlich besser als die
Burschen, demnach beträgt die
Risikogruppe bei den Burschen
sogar 41 %, bei den Mädchen
22 %.
Nr. 44, Oktober 2012
Foto:ClaudiaPaulussen/Fotolia.de
Die SORA-Studie vergleicht die
Bildungssysteme von Südtirol
und Tirol, um Ursachen für
die unterschiedlichen Schü-
lerleistungen zu erörtern. Auch
die verschiedenartige Lehreraus-
bildung sowie die Zufriedenheit
der Lehrkräfte werden aufge-
zeigt. Anhand der PISA 2009
Ergebnisse werden weiters die
Unterschiede in den Bildungssy-
stemen auf ihre Effekte auf die
Schüler hin untersucht.
A
us- oder Weiterbildung ist wich-
tig, kostet aber auch viel Geld.
Wer fördert was und unter welchen
Voraussetzungen? Dabei den Über-
blick zu behalten, ist nicht immer
leicht. Die Arbeiterkammer Tirol hilft
mit dem großen Beratungsabend
„Wer fördert welche Aus- und Wei-
terbildung“ am Mi. 24. Oktober, um
18 Uhr, in der AK in Innsbruck. Alle
wichtigen Fördergeber Tirols sind un-
ter einem Dach vertreten. Expertinnen und Experten von AK Tirol, AMS, AMG,
Land, Landesschulrat, Studienbeihilfenbehörde und ÖH geben umfassende
Auskunft und gehen auf spezielle Fragen ein. Anmeldung unter 0800/22
55 22 – 1515 oder
THEMA:
SCHULE & KIND
!
SORA-Studie:
Ursachen unter-
schiedlicher Schüler- und Schü-
lerinnenleistungen in Tirol und
Südtirol im Auftrag der AK Tirol
unter
Alle Förderungen zur Bildung
„Wer fördert welche Aus- und Weiterbildung“:
24. Oktober, 18 Uhr,
AK Tirol
, Innsbruck, Maximilianstr. 7. Eintritt frei.
!
!
Foto: fotoArts/Fotolia.de
N
ach dem Kindergarten besu-
chen die Kinder in Südtirol
eine Grundschule. Nach ei-
ner fünfjährigen Grundschule besu-
chen alle Schüler die Mittelschule.
Die Mittelschule dauert drei Jahre
und endet mit einem Staatsdiplom,
dem Mittelschuldiplom.
Die gemeinsamen Grundschulen
und Mittelschulen haben ein hohes
Maß an Schulautonomie. Weiters
wurde mit der Bildungsreform 2008
auf personenbezogene Lehrpläne um-
gestellt. Im Mittelpunkt des Unter-
richts sollten nach Möglichkeit die
Interessen und Fähigkeiten der ein-
zelnen Schülerinnen und Schüler ste-
hen. Der Lehrplan besteht aus einem
verpflichtenden Grundbereich und
einem Wahlbereich, Lehrpersonen
und Schüler setzen sich gemeinsam
zusammen und besprechen die indi-
viduellen Lernziele. Nach der Mittel-
schule entscheiden sich die Schüler in
Südtirol zwischen Gymnasien, Fach-
schulen, Fachoberschulen und Be-
rufsbildung. Während die Gymnasien
und Fachoberschulen eine fünfjährige
Schulform darstellen, beinhaltet die
Berufsbildung ein duales System aus
Lehre und Berufsschule. Die Schul-
pflicht endet nach zehn Jahren. Die
Lehre kann bereits vorzeitig im Alter
von fünfzehn Jahren begonnen wer-
den sofern ein Mittelschuldiplom
vorliegt.
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