Tiroler Arbeiterzeitung - page 5

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Nr. 45, November 2012
THEMA:
TEURES TIROL
Bremse für
Preistreiber
AK Vorschlag.
Bessere Preiskontrolle durch Umkehr der Beweislast.
V
on 2005 bis 2011 ein Preisan­
stieg von 50 % für Diesel und
Benzin, 11 % für Gas und 19
% für Strom: Die explodierenden Ener­
giepreise belasten die Haushalte immer
mehr. Zusätzlich hatte Österreich im
letzten Jahr den insgesamt vierthöchsten
Preisanstieg in Europa. Da brauchen die
zuständigen Behörden bei der Preiskon­
trolle Werkzeuge, die helfen. An eben
solchen Werkzeugen haben die Exper­
ten der AK mitgearbeitet.
Dem Nationalrat liegt ein Gesetzes­
entwurf der Regierung vor, damit die
Bundeswettbewerbsbehörde und die
E-Control (für Energieunternehmen
zuständig) wirksamer überprüfen kön­
nen, ob Preiserhöhungen gerechtfertigt
sind. Kern ist die so genannte Beweisla­
stumkehr: Nicht mehr die Behörde soll
beweisen müssen, dass Preiserhöhungen
ungerechtfertigt sind. Im Gegenteil: Die
Unternehmen selbst sollen beweisen
müssen, dass sie zu Recht mehr verlan­
gen. Das soll laut Entwurf in Zukunft
für Strom- und Gasunternehmen gelten.
Wobei die AK weiter geht. Das Gesetz
soll auch für andere hochkonzentrierte
Branchen wie den Mineralölsektor gel­
ten. Die bessere Preiskontrolle ist noch
nicht beschlossen. Die AK fordert, dass
das Parlament endlich eine Entscheidung
zu Gunsten der Konsumenten trifft.
<<
Tiroler können sich
immer weniger leisten
J
etzt haben wir es schwarz auf
weiß: Wir leben im vergleichs­
weise teuersten Bundesland. Nir­
gendwo sonst sind die Preise für Heizöl,
Treibstoff, Wohnen und Nahrungsmit­
tel höher als in Tirol.
Tirol-Aufschlag.
Die Arbeiter­
kammer Tirol hat in den letzten Mo­
naten einen traurigen Rekord nach
dem anderen festgestellt. AK Präsident
Erwin Zangerl: „Wir sind im heurigen
Jahr bewusst der Frage nachgegangen,
wie teuer Tirol tatsächlich ist. Was viele
von uns geahnt haben, können wir jetzt
schwarz auf weiß nachweisen. Es gibt
einen deutlichen Tirol-Aufschlag bei
vielen Produkten. Immer mehr Bürger
können sich Tirol nicht mehr leisten!
Ob bei Diesel, Benzin, bei Bus, Bahn
oder Taxi, beim Heizöl, bei Mieten und
Grundstückspreisen, bei Winterreifen,
Lebensmitteln oder dem Gasthausbe­
such: Die Tiroler Arbeitnehmer werden
mit den fadenscheinigsten Argumenten
zur Kasse gebeten! Das kann so nicht
länger weitergehen. Wir haben die nied­
rigsten Einkommen in ganz Österrei­
ch (siehe Bericht unten) und müssen
dazu noch die höchsten Fixkosten tra­
gen. Jetzt reicht´s! Wir verlangen, dass
endlich von Seiten des Landes und des
Wirtschaftsministeriums als Preisbehör­
de eingegriffen und dieser Tirol-Auf­
schlag beseitigt wird.“
„Besonders empörend“, so Zangerl,
„ist die Tatsache, dass die Tiroler Arbeit­
nehmer permanent vertröstet werden.
Jeder Tiroler, der sich im Urlaub in der
Steiermark, Niederösterreich oder Bur­
genland befindet, kennt die dortigen
Preise. Es ist auch kein Wunder, dass
sich immer mehr Tiroler ihren Traum
von eigenen Grundstück oder dem klei­
nen Häuschen in anderen Bundeslän­
dern verwirklichen, weil bei uns Russen
oder Deutsche mit ihrem Geld leichter
zu Immobilien und Grund kommen als
Einheimische, sofern sie nicht der bäu­
erlichen Gruppe angehören.“
Tirol entwickelt sich durch höchste
Preise und niedrigste Einkommen bzw.
Pensionen für Arbeitnehmer, Familien
und Pensionisten zunehmend zu einer
Ungunstlage. Das Land muss dieser
Preistreiberei Einhalt gebieten oder den
Menschen finanziell unter die Arme
greifen, damit man sich das Leben in
unserem Land noch leisten kann“, so
der AK Präsident.
Ungerecht.
„Die Tiroler Bürger
leisten die gleich hohen Steuern wie in
anderen Bundesländern, ja sogar noch
mehr, weil ja die Preise bei uns generell
höher sind als andernorts. Von der schö­
nen Landschaft und dem hohen Ur­
laubswert werden die Menschen nicht
satt. Der Euro ist in Tirol am wenigsten
wert“, so Zangerl.
Die Erhebung zu den Gasthausprei­
sen (siehe die Berichte oben und rechts)
reiht sich nahtlos in diesen Befund.
Überall werden die Tiroler Konsu­
menten stärker zur Kassa gebeten als an­
derswo, überall sonst ist der Euro mehr
wert als bei uns.
<<
Rechnen. „
Kann ich mir das leisten?“, fragen sich immer mehr Menschen in Tirol.
D
ie AK Tirol hat beim VKI (Verein
für Konsumenteninformation)
eine österreichweite Preisstudie
der zwölf gängigsten Getränke
und Speisen in 160 miteinander
vergleichbaren
Gasthäusern in
Auftrag gegeben.
Dabei
wurden
klassische Gast-
häuser in den
Landeshauptstädten und in den
jeweiligen Umlandgemeinden be-
sucht. Die Ergebnisse zeigen, dass
die Tirolerinnen und Tiroler heftig
beim Essen und Trinken im Wirts-
haus zu beißen und zu schlucken
haben. Hinter Vorarlberg wurden
in Salzburg und Tirol die teuersten
Preise festgestellt.
I
n 160 zufällig ausgewählten
Gasthäusern in Österreichs Lan-
deshauptstädten sowie im nahen
Umland wurde dieselbe Bestellung
aufgegeben: Wiener Schnitzel mit
Bier und danach ein Kaffee. Dabei
wurde vor allem darauf Augenmerk
gelegt, dass es sich um vergleich-
bare Gaststätten handelt.
Bei den Getränken konzentrierten
sich die Tester auf Mineralwasser,
Apfelsaft gespritzt, Coca Cola, Bier
vom Fass sowie weißen Spritzer.
Bei den Suppen legte man sich auf
Frittaten- und Nudelsuppe fest. Als
Jause landete das Paar Frankfurter
auf der Liste und beim Hauptgang
die Klassiker Wiener Schnitzel (vom
Schwein) und Schweinsbraten. Als
Dessert wurde Apfelstrudel mit
einem Verlängerten gewählt.
Wo langen die Wirte zu und wo
ist der Euro noch etwas wert? Mit
Abstand am meisten berappt der
Gast für Schnitzel und Co in Vorarl-
berg, gefolgt von Salzburg und Tirol.
Am günstigsten isst und trinkt man
in Niederösterreich und der Steier-
mark. Fast alle getesteten Produkte
sind in Tirol teurer als im Österreich-
durchschnitt. Hervorstechend sind
hier vor allem das Wiener Schnitzel,
das in Tirol um 11,5 % teurer ist,
der weiße Spritzer, der über 14 %
mehr kostet oder die Fritattensuppe,
die um 9,5% über dem Österreich-
durchschnitt liegt.
160 Gasthäuser
unter der Lupe
T wie (T)Euro
oder wie Tirol
B
eim Wiener Schnitzel wird meist
knusprig paniert und oft saftig
kalkuliert. Der Klassiker vom Schwein
kostete 6 bis 18 €! Für das teuerste
Schnitzel im Bregenzer Gasthaus
bekamen die Te-
ster im billigsten
im
Burgenland
(St.
Margare-
then) gleich drei
Schnitzel! 200 %
Preisunterschied, da macht die Qua-
lität den Unterschied aus? Doch der
Preis sagte am wenigsten über den
Geschmack des Nationalgerichts
aus. In den Gasthäusern in Innsbruck
und Umgebung kostete der Klassiker
übrigens zwischen 8,10 und 12,90
€, der durchschnittliche Schnitzel-
preis in Tirol beträgt 10,29 €.
Z
um Essen gönnt man sich ein
Getränk, gespritzten Apfelsaft,
Cola, Bier oder gespritzter Weiß-
wein und danach einen Kaffee. Auch
hier gab es extreme Unterschiede.
Die billigste Hal-
be (Bier) kostete
2,70 (Wien und
Kärnten), das teu-
erste Bier wurde
in Tirol um 4,24
€ ausgeschenkt! Ähnlich die Unter-
schiede beim Spritzer (0,25l): 1,40
(NÖ), 3,30 (Sbg.) und 3,20 € (Tirol
und Vlbg.). Cola (0,25l): 1,36 (Bgld.),
3,13 € (Kärnten) und 2,88 € (Tirol).
Apfelsaft gespritzt (0,5l): 1,40 (Bgld.)
- 5,60 € (Wien). Beim Verlängerten
lag in Tirol die Spanne zwischen 1,80
und 2,70 €.
I
m Schnitt zahlte man in den Tiroler
Gasthäusern für Frittatensuppe
3,24 € (NÖ 2,57 €), Schnitzel 10,29
€ (Stmk. 8,14 €), Schweinsbraten
8,75 € (Stmk. 7,52 €), Frankfurter
3,56 € (NÖ 2,92
€)
Apfelstrudel
3,40 € (NÖ 2,98
€).
Insgesamt
ergab sich beim
Warenkorb von
ausgewählten 12 Speisen und Ge-
tränken ein durchschnittlicher Ge-
samtpreis von 47,40 €. Damit zahlen
die Tiroler + 16,4 % gegenüber Nie-
derösterreich, knapp 14 % mehr als
in der Steiermark, 8,3 % mehr als in
Kärnten, 8,1 % mehr als im Burgen-
land, knapp 6 % mehr als in OÖ und
gegenüber Wien um 3,1 % mehr.
B
etrachtet man bei den einzel-
nen Speisen und Getränken
den Durchschnitts­preis, so kommt
man ebenfalls zum Ergebnis, dass
die meisten Produkte auf den Spei-
sekarten in Tiro-
ler Gasthäusern
deutlich teurer
sind. Hervorste-
chend ist hier vor
allem das Wie-
ner Schnitzel, das in Tirol um 11,5
% mehr kostet als im Österreich-
schnitt. Extrem auch der weiße
Spritzer, der um über 14 % teurer
ist. Was die Tester generell fest-
stellten: Was die Mitarbeiter be-
trifft, herrscht in österreichischen
Gasthäusern Freundlichkeit, Höf-
lichkeit und hohe Professionalität.
Drei Schnitzel zum
Preis von einem!
Bier, Cola, Kaffee
Apfelsaft, Spritzer
West-Aufschlag bei
Speis und Trank
Note „Sehr gut“
für das Personal
ZUM VERGLEICH
Großes Tirol-Minus bei Einkommen
M
it 17.837 € netto im Jahr liegen Tirols
Beschäftigte um 1.923 Euro netto
(=10 %) hinter dem österreichischen Durch-
schnitt zurück. Die besten Einkommen wer-
den in Niederösterreich erzielt. Gegenüber
den Tirolern verdienen Niederösterreicher
gleich um 18,3 % oder um 3.263 € netto
im Jahr mehr. Das entspricht einem Plus
von zweieinhalb Tiroler Monatsgehältern pro
Jahr! In Vorarlberg liegen die Einkommen im
Schnitt um 1.138 € über Tirol und in Salz-
burg sind sie immer noch um 815 € höher.
Auch wenn man die Saisonbeschäftigung he-
rausrechnet, bleibt Tirol an letzter Stelle im
Einkommensvergleich.
Foto:GinaSanders/Fotolia.de
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Teure Heimat.
In vielen Tiroler Haushalten muss der Euro zweimal umgedreht werden, bevor er ausgegeben wird.
Immer mehr Beschäftigten reicht der Inhalt der Lohntüte nicht mehr zum Leben, obwohl sie Vollzeit arbeiten.
Kontrolle.
Die Preise müssen stärker
überwacht werden.
Foto:Eisenhans/Fotolia.de
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