Tiroler Arbeiterzeitung - page 5

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Halber Lohn,
halbe Pension
Gut zu wissen.
Wer lange Teilzeit arbeitet, bekommt weniger Pension.
W
enn sich Frauen für Teil-
zeitarbeit entscheiden, um
Familie und Beruf unter ei-
nen Hut zu bringen, ist ihnen die Faust-
regel „Halber Lohn heißt halbe Pension“
meist nicht bewusst.
Das Beispiel zweier Verkäuferinnen
soll die Einbußen aufzeigen, die sich trotz
gleichen Einstiegsgehalts ergeben kön-
nen: Während Petra nach zwei Kindern
früher wieder einsteigt und zwar gleich in
Vollzeitarbeit, bleibt Karin länger bei den
Kindern, arbeitet danach 18 Jahre Teil-
zeit und wechselt später in Vollzeit. Petra
geht mit 62 Jahren vorzeitig in Pension
und erhält nach heutigen Regeln 1.370
Euro Pension. Maria hingegen, die länger
daheim geblieben ist und lange Teilzeit
gearbeitet hat, bekommt nur 890 Euro.
Aber Familie, Beruf und eine Pension,
von der man auch leben kann, müssen
für alle möglich sein! Deshalb fordert die
AK bessere Rahmenbedingungen, damit
Frauen, die wieder Vollzeit arbeiten wol-
len, dies auch können. Außerdem sollen
auch Teilzeitbeschäftigten Weiterbildung
und der Wechsel zu Vollzeit ermöglicht
werden.
<<
Teilzeit wird zur
Armutsfalle
I
n Tirol arbeiten nur 5 % der Män-
ner in einer ganzjährigen Teilzeit-
beschäftigung, aber gleich 33 %
der Frauen. Gleichzeitig ist der Anteil
der Tirolerinnen und Tiroler in einer
Vollzeitbeschäftigung auf unter 50 %
gesunken.
22.000 wollen mehr arbeiten.
Mehr als die Hälfte des Beschäfti-
gungszuwachses (rund 53 %) in Tirol
findet im Bereich der Teilzeitarbeit
statt. Während Teilzeitarbeit in eini-
gen Lebenssituationen die richtige
Wahl sein kann, ist sie nicht immer
freiwillig: Rund 22.200 Tirolerinnen
und Tiroler gelten als unterbeschäf-
tigt, d. h. sie arbeiten Teilzeit, würden
aber gerne mehr Stunden haben.
Seit dem Jahr 2000 kamen in Tirol
44.000 Beschäftigte hinzu, drei Vier-
tel davon Frauen. Die Beschäftigung
in Tirol wuchs doppelt so stark wie
die Bevölkerung. An sich eine erfreu-
liche Entwicklung: Die Erwerbsquote
steigt, den Menschen bieten sich mehr
Arbeitsmöglichkeiten.
Gleichzeitig
aber verändert sich der Arbeitsmarkt:
Teilzeitarbeit wird von der Ausnahme
zur Norm. Das bringt längerfristig
große Herausforderungen mit sich.
Im Schnitt 17,5 Stunden.
Die
Beschäftigungsentwicklung von Män-
nern und Frauen nimmt völlig unter-
schiedliche Pfade. Während mehr als
die Hälfte des Arbeitsplatzzuwachses
der Männer bei den ganzjährigen Voll-
zeitarbeiten stattfand, war es bei den
Frauen umgekehrt. 58 % der neu in
Arbeit eintretenden Frauen taten dies in
einer Teilzeitbeschäftigung. Im Schnitt
arbeiteten die Teilzeitbeschäftigten in
Tirol 17,5 Stunden in der Woche.
Warum ist das problematisch?
Ein wichtiger Punkt ist, dass Teilzeit-
arbeit nicht das Einkommensniveau
einer Vollzeitarbeit bietet. Das Durch-
schnittseinkommen einer Teilzeitbe-
schäftigung lag 2011 in Tirol bei 927
Euro netto im Monat. Das Einkom-
men bei einer Vollzeitarbeit lag mit
1.911 Euro netto pro Monat gleich
um 1.000 Euro höher. Finanzielle
Selbständigkeit nur mit einer – ein-
zelnen – Teilzeitarbeit ist angesichts
des Preisniveaus in Tirol so gut wie
unmöglich.
Die Folgen für später.
Je weniger
Sozialversicherung eingezahlt wird,
desto geringer ist später der Pensions-
anspruch. Längerfristig gesehen be-
deutet die Zunahme der Teilzeitarbeit,
dass viele Menschen Gefahr laufen, im
Alter von Armut gefährdet zu sein, da
sie nur minimale Pensionen erhalten.
Steuerleistung fehlt.
Darüber hi-
naus bröckelt die Finanzierungsbasis
der Lohnsteuer. Denn sehr viele der
neu entstandenen Arbeitsverhältnisse
liegen unterhalb der Steuergrenze.
Trotz eines Anteils von 49,4 % der
Beschäftigten erbrachten die Vollzeit-
beschäftigungsverhältnisse fast 90 %
des Tiroler Lohnsteueraufkommens.
Aus (ganzjährigen) Teilzeitbeschäfti-
gungsverhältnissen flossen weniger als
5 % der Lohnsteuereinnahmen. Auch
bei der Sozialversicherung herrscht
dieses Ungleichgewicht: 75 % der
Sozialversicherungsbeiträge
fließen
aus Vollzeitbeschäftigungen, 12% aus
Teilzeitarbeit.
Wo die Lösung liegt.
Die Stand-
ortpolitik muss mehr Gewicht auf
die Schaffung und Ansiedelung von
qualitätsvollen, ganzjährigen Vollzeit-
arbeitsplätzen legen. Flächendeckende
und leistbare Kinderbetreuung ist die
Voraussetzung dafür, dass vor allem
Frauen ihr Verdienstpotenzial voll aus-
schöpfen können.
<<
Bedenklich.
Teilzeit sollte eher die Ausnahme als die Regel sein. Die Entwicklung geht jedoch in eine andere Richtung.
Lange Teilzeit:
Niedrige Pension.
R
und 44.000
Beschäftigte
sind in Tirol seit
dem Jahr 2000
neu dazu gekom-
men. Drei Viertel
von ihnen sind
Frauen. Dieser Anstieg ist auf den
53prozentigen Zuwachs bei der Teil-
zeit zurück zu führen. Der Anteil der
Tirolerinnen und Tiroler, die einer
Vollzeitbeschäftigung nachgehen,
ist auf unter 50 % gesunken. 33 %
der Tirolerinnen arbeiten ganzjährig
in Teilzeit, aber nur 5 % der Männer.
Insgesamt arbeiten in Tirol 82.400
Frauen in Teilzeit.
D
ie Nationalratswahl ist geschlagen.
Und wieder wurden Frauen als
Wählergruppe mit Vereinbarkeit von
Beruf und Familie, Recht auf Beschäfti-
gung etc. umworben.
Aber jetzt dürfen diese Versprechen
nicht zu Schlagworten verkommen!
In Tirol fiel der „Equal Pay Day“ heuer
auf den 27. September. Seit diesem
Tag arbeiten die Tirolerinnen laut Sta-
tistik gratis bis 31. Dezember. Männer
haben bis dahin bereits verdient, wofür
Frauen noch 96 Tage lang bis Jahres-
ende arbeiten müssen. Alle ganzjährig
Vollzeitbeschäftigten, wohlgemerkt! Teil-
zeitbeschäftigte sind hier gar nicht be-
rücksichtigt.
Dabei sehen viele Frauen die Teilzeit
als Chance: Für den Wiedereinstieg,
oder um etwas zum Familieneinkom-
men beizutragen. Doch Teilzeitbeschäf-
tigte verdienen im Schnitt um ein Viertel
weniger pro Stunde – mit verheerenden
Auswirkungen auf die Pension. Die da-
raus resultierende drohende Altersar-
mut ist wiederum vorwiegend weiblich,
denn 84 % aller Teilzeitbeschäftigten
sind Frauen.
Es wäre an der Zeit, dass Politik und
Wirtschaft die vollmundigen Verspre-
chen einlösen: Wir brauchen sie endlich,
die Vollzeitarbeitsplätze, die in Tirol noch
immer in einigen Regionen fehlen, die
familienfreundlicheren Rahmenbedin-
gungen, mehr Kinderbetreuungsplätze
und attraktive Öffi-Verbindungen auch in
abgelegene Regionen.
Chance oder
Risiko?
Rasanter Anstieg
bei Teilzeitarbeit
Ö
sterreichweit
arbeiten mehr
als ein Viertel al-
ler Beschäftigten
Teilzeit. Und ihre
Bruttostundenlöh-
ne sind im Schnitt
um fast ein Viertel geringer als
jene von Vollzeitkräften. Je weniger
Stunden man arbeitet, desto grö-
ßer der Unterschied, bei Frauen
ist die Einbuße höher als bei Män-
nern. Am größten ist die Kluft mit
27 % bei Teilzeit-Akademikern, am
geringsten in schlecht bezahlten
Berufen, wie Verkäuferin oder Fri-
seurin.
W
ussten Sie,
dass . . . Sie
im Unternehmen
nicht benachteili-
gt werden dürfen,
weil Sie Teilzeit,
und nicht Vollzeit
arbeiten? Das bedeutet, dass
auch Ihnen die jeweils üblichen frei-
willigen Sozialleistungen zustehen,
wie z. B. Weihnachtsgeschenke
– zumindest im Verhältnis zur tat-
sächlich von Ihnen geleisteten Ar-
beitszeit. Auch die Teilnahme an
firmeninternen Schulungen darf
Teilzeitbeschäftigten nicht verwei-
gert werden.
I
n vielen Branchen,
z. B. im Handel,
sind Vollzeitjobs fast
eine
Ausnahme.
Dennoch kommt
es häufig vor, dass
Beschäftigte trotz
eines 15-Stunden-Vertrags 25 oder
30 Stunden arbeiten. Dies ist vor
allem für den Arbeitgeber von Vorteil:
Während er einer Vollzeitkraft pro
Überstunde bei finanzieller Abgeltung
50 % Zuschlag bezahlen müsste, be-
trägt dieser für die Mehrstunden von
Teilzeitbeschäftigten lediglich 25 %
(bei Zeitausgleich innerhalb von drei
Monaten gar kein Zuschlag).
W
enn
Sie
r ege lmä -
ßig Mehrstunden
leisten,
muss
das auch bei Ur-
laubsgeld
und
Weihnachtsgeld
berücksichtigt werden – außer Sie
haben mit dem Chef Zeitausgleich
vereinbart. Übrigens: Auch gering-
fügig Beschäftigte sind Teilzeit-Be-
schäftigte – sie sind zwar nur unfall-
versichert und nicht kranken- oder
pensionsversichert, aber sie haben
Anspruch auf Urlaub, Entgeltfort-
zahlung im Krankheitsfall, Sonder-
zahlungen, Abfertigung usw.
Stundenlöhne
sind niedriger
Gleiches Recht für
alle Mitarbeiter
Nur 25 % Zuschlag
für Mehrstunden
Anspruch auf
Sonderzahlungen
von AK Präsident Erwin Zangerl
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Dramatisch.
Der Schwerpunkt am Tiroler Arbeitsmarkt verschiebt sich immer stärker von Voll- zu Teilzeitarbeit. Eine fatale
Entwicklung: Niedrige Einkommen und Pension für den Einzelnen, kaum Steuer- und Sozialabgaben für das Gemeinwohl.
THEMA:
ALLES ZUR TEILZEIT
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Nr. 55, Oktober 2013
AK BROSCHÜRE
Wichtige Infos auf einen Blick
W
er in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt
ist, sollte über die wichtigsten Bestim-
mungen Bescheid wissen. Prinzipiell gilt: Teilzeit-
arbeit liegt immer dann vor, wenn die gesetzliche
Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder eine kür-
zere kollektivvertragliche Normalarbeitszeit (z. B.
38,5 Wochenstunden im Handel) unterschritten
wird. Die wichtigsten Bestimmungen aus Arbeits-
und Sozialrecht, die für Teilzeitbeschäftigte gelten,
wurden für die aktuelle AK Broschüre „Teilzeitar-
beit“ zusammengefasst. Kostenlos anzufordern
unter der Hotline 0800/22 55 22 – 1432 oder
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