Tiroler Arbeiterzeitung - page 7

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Nr. 55, Oktober 2013
THEMA:
ARBEIT & RECHT
I
ch war einen Tag krank und wurde
gezwungen, für diesen Tag Urlaub
zu nehmen.“ Oder: „Ich wurde nach
meiner Krebs-Operation gekündigt, weil
mein Chef ,so ein Gefühl‘ hatte, dass ich
wieder krank werden könnte . . . und
das, obwohl ich im Krankenstand mit
starken Schmerzen im Büro war, damit
nichts liegen bleibt…“
Das sind nur zwei aktuelle Erfah-
rungen, die Arbeitnehmer bei der ös-
terreichweiten Online-Befragung der
AK geschildert haben (siehe links).
Die Liste an Unverfrorenheiten, die
sich manche Dienstgeber gegenüber
kranken Mitarbeitern geleistet haben,
ließe sich beliebig verlängern.
Selbst nach Arbeitsunfällen müssen
sie um ihre Beschäftigung bangen, wie
das Beispiel eines Lkw-Fahrers zeigt.
Beim Abladen hatte er sich einen Knö-
chel gebrochen. Dass dies zwei bis drei
Monate Krankenstand bedeutete, war
auch dem Chef klar, der seinem Mit-
arbeiter postwendend die Kündigung
überreichte.
Leider sind Kündigungen nach dem
österreichischen Arbeitsrecht auch
während eines Krankenstandes mög-
lich. Dabei ist unerheblich, wie es zum
Krankenstand kam, selbst wenn ein
Arbeitsunfall die Ursache war.
Entgeltfortzahlung.
Im Fall
des Lkw-Fahrers musste der Arbeitge-
ber zwar die üblichen Fristen einhal-
ten und den Lohn weiterzahlen – auch
über die Beendigung des Arbeitsver-
hältnisses hinaus, allerdings nur solan-
ge der Anspruch auf Entgeltfortzah-
lung bestand.
Bei der Entgeltfortzahlung gilt
grundsätzlich bei Krankheit voller
Lohnanspruch für mindestens sechs
Wochen, halber Lohn für vier Wo-
chen. Der volle Lohnanspruch steigt
mit längerer Dienstzeit an. Bei Arbeits-
unfällen gilt: Mindestens acht Wochen
voller Lohnanspruch, bei Arbeitern
aber kein weiterer halber Lohn.
Dauert der Krankenstand länger, er-
hält man Krankengeld von der Kran-
kenkasse, das 60 bis 70 % des Brutto-
lohnes beträgt.
Der Krankengeldanspruch ist grund-
sätzlich mit 26 Wochen begrenzt, bei
bestimmten
Vorversicherungszeiten
mit 52 Wochen. Und dann ist Schluss.
„Es ist nicht einzusehen, dass Be-
schäftigte, die sich bei der Arbeit ver-
letzen, mit einer Kündigung einfach
billig ,entsorgt‘ werden können und
im Krankenstand noch erhebliche
Einkommenseinbußen
hinnehmen
müssen“, ist AK Präsident Erwin Zan-
gerl empört.
Novelle.
Deshalb fordert die AK,
dass Beschäftigte nach einem Arbeits-
unfall zumindest für die Dauer ihres
Krankenstandes Anspruch auf vollen
Verdienstentgang haben, unabhängig
davon, wie lange und wie schwer die
Erwerbsminderung ist. „Das könnte
sogar relativ rasch durch eine Novelle
der gesetzlichen Unfallversicherung
umgesetzt werden“, erläutert Zangerl
und berichtet, dass die Arbeiterkam-
mer bereits eine entsprechende Initia-
tive gestartet hat.
Aber auch für Arbeitnehmer, die
krank werden, egal, ob sie nun wegen
einer Grippe das Bett hüten oder sich
einer Operation unterziehen müssen,
fordert die AK mehr Kündigungs-
schutz.
So sollte eine einvernehmliche
Auflösung nur nach Beratung durch
Arbeiterkammer oder ÖGB möglich
sein, und sie sollte nicht dazu führen,
dass die Entgeltfortzahlungspflicht
für den Arbeitgeber entfällt.
Das sollten Sie beachten:
• Wenn Sie krank sind, sollten Sie
dies sofort in der Firma melden. Der
Arbeitgeber kann bereits ab dem er-
sten Tag eine Bestätigung von Kran-
kenkasse oder Arzt verlangen!
• Lassen Sie sich keinesfalls auf eine
einvernehmliche Lösung ein, nicht
einmal dann, wenn Ihnen eine spä-
tere Wiedereinstellung versprochen
wird. Grund für dieses „Angebot“
ist ein rein finanzieller – für den
Arbeitgeber: Bei einer Einvernehm-
lichen muss er kein Entgelt mehr
bezahlen. Die erkrankten Mitarbei-
ter erhalten stattdessen nur das viel
niedrigere Krankengeld von der Ge-
bietskrankenkasse. Ganz abgesehen
davon, dass die Krankenkasse eine
Auszahlung sogar verweigern kann,
weil eine solche Vereinbarung unzu-
lässig ist.
<<
Kündigung
am Krankenbett
Mit dem Dienstauto auch
privat gut unterwegs
Sachbezug.
Ob Manager oder Mitarbeiter im Vertrieb, viele dürfen
ihr Firmenauto auch in der Freizeit nutzen. Einiges ist zu beachten.
I
n vielen Branchen ist es mittlerwei-
le gang und gäbe, dass Beschäftigte
ihr Dienstfahrzeug auch privat
nutzen können. Der Pkw auf Firmen-
kosten wird so immer öfter zu einem
„Zuckerl“ für Mitarbeiter.
Einiges sollten Sie dabei aber be-
rücksichtigen:
So gilt die private Nutzung als „Na-
turalleistung“, die auch finanziell be-
wertet wird. Diese Bewertung muss als
sogenannter Sachbezug in der Lohn-
bzw. Gehaltsabrechnung aufscheinen
und stellt einen Entgeltbestandteil dar,
von dem auch Lohnsteuer und Sozial-
versicherungsbeiträge zu bezahlen sind.
Kommt es zu einer Dienstfreistel-
lung, und das Dienstauto wird entzo-
gen, darf dies in der Regel nicht ohne
eine Entschädigung geschehen. Das
heißt, die finanzielle Bewertung muss
weiter gezahlt werden. Außerdem
muss dieser Betrag in die Berechnung
der Urlaubsersatzleistung nach Been-
digung eines Arbeitsverhältnisses so-
wie der Abfertigung Alt einberechnet
werden, unter Umständen auch in die
Berechnung der Höhe der Sonderzah-
lungen.
Besondere Vorsicht gilt bei Privat-
fahrten. Wird das Dienstauto dabei
beschädigt, gilt das Dienstnehmerhaft-
flichtgesetz mit den darin vorgesehenen
Minderungen der Schadenersatzpflicht
nicht. Der Dienstnehmer muss den
Schaden in voller Höhe ersetzen.
Vereinbarung lesen!
Ach-
tung: Bereitstellung und Privatnut-
zung eines Dienstfahrzeuges beruhen
immer auf einer Vereinbarung und
erfolgen nicht nach gesetzlichen oder
kollektivvertraglichen
Regelungen!
Deshalb sollten Sie immer genau auf
die Formulierungen in der Vereinba-
rung achten, vor allem auch darauf,
ob, wann und unter welchen Umstän-
den ein einseitiger Entzug oder Wi-
derruf durch den Dienstgeber erfolgen
kann.
<<
Gute Fahrt.
Für private Nutzung werden Lohnsteuer und Sozialversicherung fällig.
Mehr Schutz für Beschäftigte.
Skrupellos gehen manche Arbeitgeber vor, wenn Mitarbeiter
erkranken oder einen Arbeitsunfall haben. Immer wieder folgen darauf Kündigungen.
UMFRAGE ERGIBT
Radikal.
Auch im Krankenstand können Kündigungen ausgesprochen werden.
Dabei müssen nur die Fristen eingehalten werden.
Foto:GinaSanders/Fotolia.com
Schikanen
sind Realität
W
ie Arbeitgeber mit kranken
Mitarbeitern
umgehen
und das Verhalten im Kranken-
stand waren Thema einer Online-
Befragung von AK und Fachge-
werkschaften. Insgesamt 5.500
Personen wurden dazu im Juni
kontaktiert. Die Ergebnisse sind
besorgniserregend:
Neun von zehn Befragten gin-
gen schon einmal krank zur Ar-
beit, um Kollegen nicht im Stich zu
lassen, wichtige Terminarbeiten
zu erledigen oder aus Angst um
den Job.
Fast jeder Zehnte wurde zu-
mindest einmal im Zusammen-
hang mit Krankenstand zu einer
einvernehmlichen Lösung oder
einer Selbstkündigung gedrängt.
57 % haben das Unternehmen
unmittelbar verlassen, rund 20 %
später.
11 % der Befragten wurden
bereits einmal im Krankenstand
gekündigt oder entlassen.
5 % gaben an, dass sie im Kran-
kenstand schon einmal Probleme
mit der Bezahlung ihrer Ansprü-
che hatten. Rund die Hälfte da-
von erklärte, dass das Entgelt zu
niedrig bemessen war, rund 30 %
wurde es überhaupt vorenthalten.
Daneben zeigte sich, dass viele
Arbeitnehmer gar nicht überprü-
fen können, ob ihre Ansprüche
korrekt abgerechnet wurden.
Dies zeigt sich auch bei den Bera-
tungen.
Foto:Patryssia/fotolia.com
Die AK Arbeitsrechtsexperten
helfen unter 0800/22 55 22 –
1414. Mehr auf
!
Mehr Transparenz
für All-In-Verträge!
Überstunden inklusive.
Für Beschäftigte
sind solche Klauseln meist nachteilig.
I
m Dienstvertrag lesen sie sich wirk-
lich verlockend: Die vielverspre-
chenden Gesamteinkommen, die
mit All-In-Klauseln schriftlich verein-
bart werden.
Was ursprünglich als Entgeltform
für Top-Manager gedacht war, betrifft
immer mehr Arbeitnehmer. VomMon-
teur bis zur Führungskraft: Bereits jeder
fünfte Beschäftigte wird laut Statistik
Austria pauschal bezahlt.
Doch für Betroffene werden solche
Verträge zum Problem: „Die Klauseln
sind fast ausschließlich zum Vorteil der
Arbeitgeber“, stellt AK Präsident Erwin
Zangerl klar. „Sie sichern sich damit
Zugriff auf beträchtliche Überstunden
– zu Tarifen deutlich unter dem Bran-
chenlohn.“
Wer einen All-In-Vertrag unter-
schreibt, weiß nicht einmal, welcher
Betrag ihm für die Normalarbeitszeit
zusteht und wie viel für Überstunden.
Und letztere ufern oft völlig aus.
Streit.
Hinzu kommt, dass Gerichte
die All-In-Verträge meist so auslegen,
dass für die Normalarbeitszeit nur der
kollektivvertragliche Mindestlohn ver-
einbart wurde, und nicht der branchen-
übliche Ist-Lohn. Damit muss auch ein
überraschend hoher Anteil des Gesamt-
gehalts dafür herhalten, die zahlreichen
Überstunden abzudecken.
„Ein Arbeitnehmer muss aber von
vornherein wissen, wie viel er für die
reguläre Arbeitszeit verdient, und wie
viele Überstunden erwartet werden“,
fordert Zangerl mehr Transparenz ein
und unterstützt einen entsprechenden
Vorstoß des Sozialministers.
<<
Foto:YuriArcurs/Fotolia.com
Unfair.
Schon jeder fünfte Arbeitneh-
mer hat einen All-In-Vertrag.
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