Tiroler Arbeiterzeitung - page 6

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Nr. 55, Oktober 2013
THEMA:
SOZIALES & PENSION
Faire Chancen für ältere Mitarbeiter.
Wenn Betriebe sparen, müssen Über-50-Jährige um
ihren Arbeitsplatz bangen. Sie dürfen beim Kündigungsschutz nicht benachteiligt werden.
STRESS LASS NACH
A
ls konsumierende Zielgrup-
pe ist sie heiß umworben, die
„Generation 50+“. Gleichzei-
tig müssen Ältere aber immer öfter um
ihren Arbeitsplatz fürchten. Eine AK
Erhebung zeigt: Nur in jedem dritten
größeren Betrieb (ab 100 Mitarbei-
tern) sind mehr als 10 % der Beschäf-
tigten über 50 Jahre alt, obwohl ihr
Anteil an der Bevölkerung etwa 17 %
beträgt. Wird ihnen gekündigt, trifft
es sie hart. Denn viele sehen am Ar-
beitsmarkt keine Chance mehr. Allein
in Tirol waren Ende September 4.346
Über-50-Jährige arbeitslos, um 1.079
(+ 33%) mehr als 2012.
Personalressourcen optimieren – so
heißt das Motto, unter dem heute der
Rotstift angesetzt wird. Dann werden
auch Gehälter durchleuchtet. Meist
mit dem Ergebnis, dass ein Junger fit-
ter und vor allem billiger scheint.
Weniger Gehalt.
Älteren wer-
den die langen Dienstjahre zum Ver-
hängnis und das höhere Entgelt, das
ihnen durch Gehaltsvorrückungen
zusteht. Manche Arbeitgeber bieten
dann „Änderungskündigungen“ inklu-
sive Gehaltsreduktion an. „Dabei wird
eine Kündigung ausgesprochen, an die
eine infame Bedingung geknüpft ist“,
erklärt AK Präsident Erwin Zangerl:
„Die Kündigung entfällt dann, wenn
der Mitarbeiter eine Gehaltskürzung
akzeptiert.“
Viele stimmen zu, schon aus Angst
um den Job. Damit nehmen sie weni-
ger Abfertigung und Pension in Kauf,
ganz zu schweigen von akuten finanzi-
ellen Problemen. Schließlich haben sie
ihre Lebensplanung – vomWohnungs-
kredit über die Ausbildung der Kinder
bis zur Pensionsvorsorge – auf ihr Ge-
halt abgestimmt. Plötzlich verdienen
sie weniger oder sind arbeitslos. „Und
dann ist immer noch nicht garantiert,
dass sie nicht doch gekündigt werden.
Auch diese Schweinereien kommen
immer wieder vor“, so Zangerl.
„Deshalb fordert die Arbeiterkam-
mer Tirol Gesetzesänderungen, um
faire Chancen für ältere Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer sicherzu-
stellen“, betont Zangerl.
Beim Kündigungsschutz dürften sie
nicht benachteiligt werden. Zudem
sollte das Arbeitsverhältnis während
eines
Kündigungsanfechtungspro-
zesses aufrecht bleiben und der Arbeit-
nehmer noch im Verfahren dem zuvor
gestellten Änderungsangebot zustim-
men können. Ein modernes Bonus-
Malus-System soll Betriebe belohnen,
die Ältere einstellen.
<<
Längst noch
kein altes Eisen
W
ie ein Schreckgespenst
sorgt sie für Beunruhi-
gung: Die immer wieder
aufflammende Debatte, ob und wie
lange unser Pensionssystem noch fi-
nanzierbar sei.
Fragt man Experten, geben viele
Entwarnung: Wenn ein System den
Lebensstandard der Senioren sichern
kann, dann ist es unser gesetzliches,
demokratisches und solidarisches Pen-
sionssystem mit dem sogenannten
Umlageverfahren, betonen sie.
Wertschöpfung.
„Alte sind
nicht nur ein Kostenfaktor“, rechnete
auch Ex-WIFO-Chef Helmut Kramer
in einem Interview vor. Denn die al-
ternde Gesellschaft gibt ihre Pensi-
onen ja wieder aus – mit positiven
Auswirkungen auf Kaufkraft, Wirt-
schaftswachstum und Stabilisierung in
Krisenzeiten.
Längst überfällig ist jedoch mehr Ge-
rechtigkeit bei der Beitragsbelastung:
So zahlen Arbeitnehmer 22,8 % ihres
Einkommens (inkl. Dienstgeberan-
teil) in die Pensionsversicherung ein,
Selbstständige nur 18,5 %. Die Diffe-
renz stockt der Bund aus Steuergeld auf.
Während Arbeitnehmer ihre Pensionen
zu 80 % selbst bezahlen, muss der Staat
bei Gewerbetreibenden 52 % zuzahlen,
bei Bauern sogar 80 %.
Sozialstaat.
„Aber mit etwas poli-
tischem Willen funktioniert unser Pen-
sionssystem auch weiterhin“, ist Erwin
Zangerl überzeugt. Warum ein Kollaps
dann immer neu heraufbeschworen
wird? Einerseits machen Versicherungen
und Finanzdienstleister mit privater Al-
tersvorsorge gute Geschäfte, andererseits
bedeutet mehr Eigenvorsorge immer
weniger Sozialstaat. Das passt manchem
auch politisch ins Konzept.
<<
Wohlverdienter
Ruhestand
Gehts den Pensionisten gut, gehts uns allen gut.
Senioren sorgen mit ihrer Pension
auch für Stabilität. Nur bei der Beitragsbelastung, da bräuchte es mehr Gerechtigkeit.
Finanziell abgesichert.
Auch die Generationen nach uns wollen ihren Ruhe-
stand genießen können.
D
er Verlust des Arbeitsplatzes
ist meist eine bedrückende Si-
tuation. Das Arbeitslosengeld hilft,
das tägliche Leben vorübergehend
zu finanzieren. Umso wichtiger ist
es, zu wissen, welches Einkommen
für die Berechnung herangezogen
wird. Dies hängt davon ab, wann der
Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt
wird.
• Wenn Sie arbeitslos werden und im
ersten Halbjahr, also bis zum 30.
Juni, einen Antrag stellen, berech-
net das AMS Ihr Arbeitslosengeld
nach dem, was Sie im vorvorigen
Jahr verdient haben.
• Werden Sie arbeitslos und stellen im
zweiten Halbjahr, also ab dem1. Juli,
den Antrag, wird das Einkommen
aus dem Vorjahr herangezogen.
• Wenn Sie in den heranzuziehenden
Jahren kein Arbeitseinkommen
hatten, wird das AMS Ihr letztes
vorliegendes als Berechnungs-
grundlage heranziehen. Achtung:
So wird das Arbeitslosengeld berechnet
Multitasking ist
reine Illusion
D
as Telefon läutet pausenlos,
Ihr eMail-Postfach quillt über,
und jetzt will Sie auch der Chef noch
dringend sprechen! „Das ist doch mit
Multitasking kein Problem“, denken
jetzt viele.
Der Begriff „Multitasking“ stammt
aus dem Computerbereich und steht
dafür, dass ein Betriebssystem meh-
rere Aufgaben (Tasks) nebenläufig
ausführen kann.
Doch das menschliche Gehirn
funktioniert anders. Wie die For-
schung zeigt, kann es gar nicht meh-
rere kognitive Aufgaben, also solche,
bei denen wir den Verstand einset-
zen, zur selben Zeit bewältigen. In
Wahrheit machen wir verschiedene
Dinge nicht zeitgleich, sondern nach-
einander.
Deshalb bezeichnet Experte Jür-
gen Sandkühler vom Zentrum für
Hirnforschung an der Med-Uni Wien
das, was mit „Multitasking“ gemeint
ist, als „Multiplexing“, weil das Gehirn
ja zwischen Aufgaben hin und her
wechselt.
Schritt für Schritt.
Beim raschen
Abarbeiten helfen Routine und die Fä-
higkeit, Arbeit und Zeit effizient einzu-
teilen und nach Prioritäten zu reihen.
Effizientes Arbeiten ist auch erlern-
bar. Dazu muss man sich Struk-
turen schaffen und zwingen, sich
aufs Wichtigste zu konzentrieren. Je
nach Erbanlagen fällt dies manchen
leichter, anderen schwerer.
Vor allem aber ist zu bedenken,
dass das immer höhere Tempo in
Lebens- und Arbeitswelt nicht au-
tomatisch bedeuten darf, dass Be-
schäftigte irgendwann bei Höchstge-
schwindigkeit ausbrennen. Hier sind
die Unternehmen gefragt! Wenn
sie den Beschäftigten mehr Selbst-
bestimmung bei der Zeiteinteilung
einräumen, lässt sich auch hohe Ar-
beitsbelastung besser verkraften.
D
ie Zahl der Hilfesuchenden beim
AK Unterstützungsfonds steigt
weiter an. Es geht um persönliche
Schicksale und Notfälle von AK Mit-
gliedern und deren Angehörigen.
Der Experte Dr. Lothar Müller berät
auch in den Bezirken. Die nächsten
Termine des U-Fonds sind:
AK Lienz
am 30. Oktober, 11 - 15 Uhr;
AK
Kufstein
am 6. November, 10 - 12
Uhr;
AK Kitzbühel
am 6. November
14.30 - 16 Uhr;
AK Landeck
am
13. November 10 -12 Uhr;
AK Imst
am 13. November, 14 - 16 Uhr. Um
Voranmeldung bei der jeweiligen AK
wird dringend gebeten. Zur Sprech-
stunde alle erforderlichen Unterla-
gen mitbringen.
Foto:granata68/fotolia.com
Sparstift.
Bei Änderungskündigungen müssen Beschäftigte meist Gehaltskürzungen in Kauf nehmen.
Kompetente
Hilfe in Notfällen
AK Tipp:
Lassen Sie alle Ände-
rungsangebote oder Neufas-
sungen von Arbeitsverträgen prüfen.
Die AK Experten sind erreichbar
unter 0800/22 55 22 – 1414.
Bei ausreichenden Erfolgsaussichten
stellt die AK Tirol vor Gericht einen
Rechtsbeistand.
!
Das können auch sehr weit zu-
rückliegende Einkünfte, z. B. aus
Ferialjobs sein.
• Die vergangenen sechs Kalen-
dermonate vor Ihrer Arbeitslo-
sigkeit werden nur dann für die
Berechnung des Arbeitslosen-
geldes herangezogen, wenn Sie
erstmalig beschäftigt waren,
und daher noch keine anderen
Einkommen vorliegen.
Foto:Kaarsten/fotolia.com
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