Tiroler Arbeiterzeitung - page 3

3
THEMA:
OFFEN GESAGT
Nr. 56, November 2013
TAZ: Herr Präsident Zangerl, die
Konjunktur schwächelt, die In-
landsnachfrage stagniert. Was sind
Ihre Rezepte für einen Konjunktur-
aufschwung?
Erwin Zangerl:
Das beste Rezept für
einen Konjunkturaufschwung sind
höhere Löhne, niedrigere Steuern
und vernünftige Preise für Leben und
Wohnen. Denn eines ist klar: „Gehts
den Arbeitnehmern gut, gehts der
Wirtschaft und dem Land gut. Tat-
sache ist, dass die Beschäftigten ihre
Einkommen zu fast 100 Prozent im
eigenen Land investieren. Damit sind
sie die Leistungsträger, die für einen
Konjunktur- und Wirtschaftsauf-
schwung sorgen können.
TAZ: Ist diese Forderung nicht ge-
nau das Gegenteil der allgemeinen
Sparappelle der Politik?
Zangerl:
Sparen ist wichtig, man
kann aber auch ein Land kaputtspa-
ren. Vor allem, wenn man sieht, wo-
für scheinbar immer noch genügend
Geld vorhanden ist. Nur ein Beispiel:
Das Milliardengrab Hypo Alpe Adria,
eine Hinterlassenschaft der ehema-
ligen Kärntner Politik, könnte uns
noch weitere 11 Milliarden Euro an
Steuergeld kosten! Auf der anderen
Seite werden wir Arbeitnehmer so
hingestellt, als ob wir auf Kosten des
Staates leben würden. Dabei finan-
zieren wir zwei Drittel aller Steuern,
allein jährlich rund 23 Milliarden nur
an Lohnsteuer.
TAZ: Und welche Steuern liefern
große Konzerne ab?
Zangerl:
Einen Bruchteil davon oder
so gut wie gar keine, denn viele ha-
ben ihre Produktionen und Standorte
ins Ausland verlagert. Sie machen uns
von außen Konkurrenz, und die Ver-
luste werden dann bei uns im Inland
steuermindernd geltend gemacht.
Und wir sind die Draufzahler. Dafür
dürfen wir uns von diesen Herren
aus Großindustrie und Kapital dann
sagen lassen, dass wir über unsere
Verhältnisse leben und die Pensionen
in der Form nicht länger finanzierbar
sind. Ebenso wie das Gesundheitssy-
stem, das seit Jahren krank geredet
wird. Bezeichnend dabei ist, dass
eben diese Gruppen unser Steuer-,
Sozial- und Krankensystem, wenn sie
es dann brauchen, für sich und ihre
Angehörigen gerne in Anspruch neh-
men. Die Kosten dieser Gruppe fallen
in Österreich an, die Gewinne wer-
den im Ausland erzielt. Da braucht es
endlich gesetzliche Regeln, dass auch
die Millionäre und Vermögenden ih-
ren gerechten Beitrag in unser Steu-
er-, Sozial- und Pensionssystem ein-
zahlen.
TAZ: Kritiker sagen, Steuern auf
Millionenvermögen seien eigen-
tumsfeindlich, sie seien ja schon
einmal besteuert worden. Was sagen
Sie dazu?
Zangerl:
Das ist ja lachhaft. Recht
viel eigentumsfeindlicher wie derzeit
kann der Staat nicht vorgehen. Die
Finanz greift jedem Beschäftigten
ab 1.200 Euro brutto mit der Steuer
auf Arbeit mit 36,5 % in die Tasche.
Und von diesem Nettolohn, der dann
übrigbleibt, werden die Arbeitneh-
mer noch einmal doppelt und drei-
fach besteuert: Beim Essen, Wohnen,
Tanken, Heizen. Das ist eigentums-
feindlich, weil sich die Arbeitnehmer
dadurch kaum noch selbst Eigentum
schaffen können.
TAZ: Worin liegen Ihrer Ansicht
nach die wichtigste Aufgaben für
die künftige Regierung?
Zangerl:
Wenn wir einen Wirt-
schafts- und Konjunkturaufschwung
in unserem Land erreichen wollen,
dann müssen die Arbeitnehmer end-
lich ein größeres Stück von den Un-
ternehmensgewinnen
bekommen.
Ich habe Kapital noch nie arbeiten
gesehen. Richtige Arbeit muss wie-
der was wert sein, den Unternehmen
und dem Staat. Wir haben mit die
höchste Produktivität und die läng-
sten Arbeitszeiten. Wenn ich den
hart arbeitenden Menschen zu wenig
bezahle und das Verdiente durch zu
hohe Steuern nochmals beschnei-
de, ist es kein Wunder, dass immer
weniger Geld zum Leben und da-
mit zum Investieren bleibt. Wenn
Spekulanten und Anleger ihr Geld
niedrig versteuern und die Arbeit der
Beschäftigten hoch besteuert wird,
darf man sich nicht wundern, dass in
unserem Land zwar manche immer
mehr Fett ansetzen, aber viele immer
magerer werden. <<
Im Gespräch.
„Tirols Arbeitnehmer brauchen wieder mehr Luft zum Leben“, fordert der AK Präsident.
„Dazu gehören höhere Löhne, niedrigere Steuern und vernünftige Preise für Leben und Wohnen.“
WIR SIND ÜBER 3 MILLIONEN STIMMEN
FÜR MEHR VERTEILUNGSGERECHTIGKEIT.
WIR WOLLEN:
Mehr über unsere Forderungen finden Sie auf
GERECHTIGKEIT MUSS SEIN
Zangerl: Unsere Arbeitnehmer
brauchen
dringend Entlastungen
D
ie Auswertung des Österrei-
chischen Arbeitsklima Index
zeigt, in welchen Berufsgrup-
pen die Österreicher am zufriedensten
sind. Den höchsten Wert erreichen
Büroangestellte, Geschäftsführer und
Bankangestellte. Am wenigsten zufrie-
den sind Bauarbeiter, Berufskraftfah-
rer und Reinigungskräfte.
Was zeichnet nun einen guten Beruf
aus? Die größten Unterschiede zeigen
sich bei körperlichen Belastungen:
In der Kategorie „Physischer Stress“
zeigen sich Bauarbeiter am stärksten
belastet, gefolgt von den Berufsfahrern
und den Reinigungskräften.
Auffällig ist die Belastung aufgrund
fehlender sozialer Einbindung: 8 %
der Bauarbeiter, 7 % der Reinigungs-
kräfte und 16 % der Berufsfahrer
leiden in ihrem Beruf unter Einsam-
keit und Isolation, aber nur 1 % der
Bank- und Büroangestellten bzw.
Geschäftsführer. Gute Berufe werden
auch durch die Vorgesetzten geprägt:
Mit dem Führungsstil sind 84 % der
Büroangestellten, aber lediglich 59 %
der Bauarbeiter zufrieden.
<<
Die
besten Berufe
Nachgefragt.
Viele Beschäftigte fühlen sich in ihrer
Arbeit sehr wohl. Andere sind weniger glücklich.
Anstrengend.
Bauarbeiter fühlen sich
stark belastet.
Erwin Zangerl:
„Wenn Spekulanten und Anleger ihr Geld niedrig versteuern und
die Arbeit der Beschäftigten hoch besteuert wird, darf man sich nicht wundern,
dass in unserem Land zwar manche immer mehr Fett ansetzen, aber viele
immer magerer werden.“
D
ie WBF-Mittel gehören wieder für den Wohnbau zweckgebunden,
verlangt AK Präsident Erwin Zangerl. „Wir fordern seit langem, dass
diese Gelder zur Gänze zur Linderung der Wohnungsnot investiert werden.
Mit diesem Mehr an Mitteln sollte Tirol so rasch wie möglich ein soziales
Sonder-Wohnbauprogramm starten und könnte damit zwei brennende
Probleme lösen: Den Kampf gegen steigende Wohnungspreise und eine
benötigte Ankurbelung der Bauwirtschaft.
EIGENTUM STÄRKEN
Wohnbauförderung zweckbinden
AK MUSTERURTEIL
UNGERECHT
Recht auf
Krankenstand
Gleiches Geld
für gleiche Arbeit
M
oralisch höchst
fragwürdig, ist
sie rechtlich leider
möglich: Die Kündi-
gung im Kranken-
stand. Aber eine Verkäuferin konnte
jetzt mit Unterstützung der AK ein
wichtiges Urteil vor dem Arbeits-
und Sozialgericht erkämpfen: Es gab
der Frau Recht, die gegen ihre Kün-
digung im Krankenstand geklagt hat-
te! Diese aktuelle Entscheidung zeigt
ganz klar, dass Beschäftigte nicht
allein deshalb gekündigt werden dür-
fen, weil sie ihr Recht auf Kranken-
stand wahrnehmen.
Zum Fall: Die Verkäuferin hatte
sich während ihrer Arbeit schwer
am Fuß verletzt. Auf Druck ihrer
Vorgesetzten arbeitete sie gegen
den Rat ihres Arztes und unter
großen Schmerzen weiter, weil in
der Firma ein personeller Engpass
herrschte und ihr mit dem Verlust
des Arbeitsplatzes gedroht wurde,
falls sie sich krank melde. Erst als
die Schmerzen unerträglich wurden
und eine Kollegin aus dem Urlaub
zurückgekehrt war, meldete sich
die Verkäuferin krank und bekam
prompt die Rechnung präsentiert:
Die Kündigung.
Die Frau wandte sich an die AK,
die Klage einbrachte. Das Arbeits-
und Sozialgericht erklärte in erster
Instanz die Kündigung für ungültig.
Begründung: Die Kündigung sei nur
deshalb erfolgt, weil die betroffene
Verkäuferin ihr Recht auf Kranken-
stand wahrgenommen hatte.
W
ussten
Sie,
dass Frauen
pro
Stunde
im
Schnitt um ein Vier-
tel weniger verdie-
nen als Männer? Dies hat mehrere
Gründe: So arbeiten viele Frauen in
Branchen mit schlechterer Bezah-
lung, etwa im Handel. Zudem sind
sie öfter teilzeitbeschäftigt und ha-
ben weniger Chancen auf Karriere
und höhere Einkommen. Und es gibt
Betriebe, die Frauen weniger zah-
len, obwohl sie die gleiche Arbeit wie
Männer verrichten.
Um bei Gehaltverhandlungen gut
auszusteigen, sollten Sie wissen, ob
Sie angemessen entlohnt sind.
Informationen dazu finden Sie auf
Foto:Bildergala/Fotolia.com
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12
Powered by FlippingBook