Tiroler Arbeiterzeitung - page 4

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Nr. 56, November 2013
THEMA:
Arbeit & RECHT
KOMMENTAR
Flexibel nur in
eine Richtung
A
n nebenstehendem Beispiel
sieht man einmal mehr, was
manche Unternehmer in Wahrheit
unter Flexibilität verstehen – näm-
lich eine Einbahnstraße nur zu ihrem
Vorteil. Denn einerseits sollen wir
Arbeitnehmer immer möglichst mo-
bil und flexibel sein, wenn wir von den
Arbeitgebern als Arbeitskraft benöti-
gt werden: Arbeit auf Abruf, Zeitkon-
to, Durchrechnungszeiten, und viele
andere Wünsche mehr.
Aber wenn ein Arbeitnehmer flexi-
bel sein will und selbst einen neuen,
besseren Arbeitsplatz findet – die
selbst gewählte Flexibilität, die muss
dann unbedingt verhindert werden
mit existenzbedrohenden Straf-
zahlungen, die einem Berufsverbot
gleichkommen, oder mit dem die Ar-
beitgeber versuchen, sich bei einer
Arbeitnehmerkündigung noch ein
sattes Körberlgeld zu holen.
Das nunmehr aufgedeckte Bei-
spiel zeigt, wie ungeniert Arbeit-
geber das Arbeitsrecht verletzen.
Der Umstand, dass diese Klausel
in weiten Teilen mehrfach eindeutig
rechtswidrig ist, interessiert den
Unternehmer vorher offenbar gar
nicht. Hauptsache, er hat den Mit-
arbeiter unter massiven wirtschaft-
lichen Druck gesetzt. Und ohne
Unterschrift unter einen solchen
Knebelvertrag gibt es keinen Job.
Wie man sieht, besteht die der-
zeitige Rechtslage aus vielen „Wenn
und Aber“ und schützt die Arbeit-
nehmer vor unangebrachten Kon-
kurrenzklauseln viel zu wenig. Wir
fordern daher die neue Bundesre-
gierung dazu auf, Konkurrenzklau-
seln klar und deutlich gesetzlich zu
verbieten.
Alle wichtigen Infos finden Arbeitneh-
mer im Internet auf
-
ter.at
sowie auf
!
K
onkurrenzklauseln gibt es nicht
nur bei besonders wichtigen
und gehobenen Positionen, son-
dern sie sind schon längst zum üblichen
Standard bei „normalen“ Arbeitsverträ-
gen geworden. Genauso oder so ähnlich
formuliert, wie jene Konkurrenzklausel,
die die Firma Transped einem ganz nor-
malen Mitarbeiter abverlangt hat, der in
der Verwaltung beschäftigt war (siehe
Faksimile).
Das verlangt die Firma.
Der
Arbeitnehmer darf ein ganzes Jahr lang
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
nicht mehr im Güterbeförderungsgewer-
be beschäftigt sein. Tut er dies dennoch,
soll er Strafe zahlen: Und zwar den 10-fa-
chen Bruttomonatsbezug einschließlich
der Sonderzahlungen und sogar noch die
Ausbildungskosten. Ist das nicht zu viel?
Der Arbeitgeber lässt sich sogar noch
unterschreiben, dass die Vertragsstrafe
auch aus der Sicht des Arbeitnehmers
angemessen ist und auf ein richterliches
Mäßigungsrecht verzichtet wird.
Was will sich Transped damit holen?
Der Arbeitnehmer hat rund 1.900 Euro
brutto monatlich verdient, er soll daher
22.167 Euro netto!! (10-facher Bruttobe-
zug inklusive Sonderzahlungen) bezah-
len, falls er innerhalb eines Jahres in der
gleichen Branche tätig wird.
Das gilt derzeit.
Konkurrenz-
klauseln sind nach geltender Rechtslage
leider erlaubt, übrigens auch bei Ar-
beitern und „normalen“ Angestellten,
nicht jedoch bei Minderjährigen. Sie
sind zulässig, falls sich die Beschränkung
auf die Tätigkeit im Geschäftszweig des
Arbeitgebers bezieht, einen Zeitraum
von einem Jahr nicht übersteigt und sie
nicht das Fortkommen des Arbeitneh-
mers „unbillig“ erschwert. Unterhalb
einer Entgeltgrenze von 2.516 Euro
brutto monatlich (Wert im Jahr 2013)
sind Konkurrenzklauseln unwirksam.
Für diese Entgeltgrenze sind alle regel-
mäßig gewährten Leistungen, wie Son-
derzahlungen, Prämien, Provisionen
sowie Über- und Mehrstundenentgelte
miteinzurechnen.
Schließlich ist die Gültigkeit einer
vereinbarten Konkurrenzklausel von
der Art der Beendigung des Arbeits-
verhältnisses abhängig. Bei Arbeitge-
berkündigung, verschuldetem Austritt
und unbegründeter Entlassung kann
die Einhaltung der Konkurrenzklau-
sel nicht verlangt werden. Ist sie dem
Arbeitnehmer „zurechenbar“ (Arbeit-
nehmerkündigung, verschuldete Ent-
lassung, unbegründeter Austritt), dann
schon.
Bei einer einvernehmlichen Auflö-
sung des Arbeitsverhältnisses gehen die
Gerichte grundsätzlich von der Gültig-
keit der Konkurrenzklausel aus, und
zwar selbst dann, falls die Initiative für
die einvernehmliche Auflösung vom
Arbeitgeber ausgegangen ist.
Nicht wirksam.
Im konkreten
Fall ist die Konkurrenzklausel schon
deshalb nicht wirksam, da die Ent-
geltgrenze von 2.516 Euro brutto
nicht überschritten wird. Zusätzlich
verschweigt Transped, dass die Kon-
kurrenzklausel nur dann gilt, falls der
Arbeitnehmer kündigt. Die Firma tut
so, also würde die Konkurrenzklausel
bei jeder Beendigung, also auch bei
Arbeitgeberkündigung wirksam sein.
Der Verzicht auf das richterliche Mä-
ßigungsrecht ist ebenso eindeutig ge-
setzwidrig, denn darauf kann gar nicht
verzichtet werden. Und die darin zu-
sätzlich enthaltene Verpflichtung zur
Rückzahlung von Ausbildungskosten?
Dafür reicht eine derartige kurze Pau-
schalvereinbarung jedenfalls nicht aus.
Die Klausel ist daher aus mehreren
Gründen eindeutig rechtswidrig.
Gesetz gehört geändert.
Was wäre, wenn die Entgeltgrenze
überschritten wird? Dann hilft dem
Arbeitnehmer nach der derzeitigen
Rechtslage im Falle seiner eigenen
Kündigung nur noch das richterliche
Mäßigungsrecht. Und welche Strafe
dann der Arbeitnehmer zu zahlen hat,
hängt immer von den konkreten Um-
ständen des jeweiligen Einzelfalles ab
und kann vorweg nicht im Allgemei-
nen vorausgesagt werden. Der Arbeit-
nehmer hat daher stets zu fürchten,
dass ein Arbeitsplatzwechsel in der
gleichen Branche für ihn und seine
Familie den wirtschaftlichen Ruin be-
deutet.
<<
Knebelvertrag.
Konkurrenzklauseln verbieten die Beschäftigung bei einer neuen Firma in der
gleichen Branche. Sonst muss man eine saftige Strafe zahlen. Die AK verlangt: Schluss damit.
Berufsverbot durch miese
Konkurrenzklauseln
O
ft sorgen persönliche Lebens­
umstände dafür, dass sich Men-
schen bei einer Leiharbeitsfirma
bewerben. Sei es, um nicht nur saison-
weise beschäftigt zu sein. Oder wie im
Fall von Peter W., weil der Betrieb, für
den er 20 Jahre als Maler gearbeitet hat-
te, geschlossen wurde.
Mit 48 Jahren auf Stellensuche: In
dieser Situation ließ sich der Familien-
vater auf einen Vertrag mit einer Leih-
arbeitsfirma ein – und erlebte eine böse
Überraschung, als er nach drei Monaten
krank wurde.
Drei Wochen Bettruhe hatte ihm sein
Arzt geraten. Da schlug ihm sein Arbeit-
geber vor, man könnte den Vertrag doch
einvernehmlich auflösen und ihn später,
sobald er gesund ist, wieder einstellen.
AK Arbeitsrechtsexperten raten von
derartigen „Deals“ ab: „Auch eine
Leiharbeitsfirma muss, wie andere
Arbeitgeber, das Entgelt im Krank-
heitsfall weiterzahlen!“ Drängt sie auf
einvernehmliche Auflösung, wälzt sie
die Kosten auf die Krankenkasse ab.
Diese kann eine Auszahlung aber sogar
verweigern, wenn eine solche Vereinba-
rung nur deshalb abgeschlossen wurde,
um die Entgeltzahlungspflicht zu um-
gehen. Ganz abgesehen davon, dass der
Beschäftigte statt der Entgeltfortzah-
lung nur das niedrigere Krankengeld
erhält.
An sich kann zwar auch ein Leihar-
beiter im Krankenstand gekündigt wer-
den, wenn er auf die „Einvernehmliche“
nicht einsteigt. Aber er erhält während
der Kündigungsfrist den vollen Lohn
– inklusive anteiliger Anrechnung für
Urlaubstage und Sonderzahlungen, wie
Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
<<
Leiharbeiter haben
Rechte
Gut
überlassen
Krankenstand.
Gerade Leiharbeiter werden oft dazu gedrängt, einer
einvernehmlichen Auflösung zuzustimmen. AK Experten raten davon ab.
Rechte & Pflichten.
Was Leiharbeiter zu
Überlassung und „Stehzeiten“ alles wissen sollten.
Nachteile.
Wer sich auf eine „Einver-
nehmliche“ einlässt, zahlt oft drauf.
Existenzbedrohend.
Konkurrenzklauseln kommen vielfach einem Berufsverbot gleich, weil ein Jobwechsel praktisch unmög-
lich wird.
(Fotomontage)
Foto:Kaarsten/Fotolia.com
L
eiharbeit, Zeitarbeit, Leasing­
arbeit,
Arbeitskräfteüberlas-
sung: Das sind vier geläufige
Begriffe, die jedoch alle für dasselbe
stehen: Für Arbeitnehmer, die bei
einer Leiharbeits- bzw. Zeitarbeits-
firma (dem Überlasser) beschäftigt
sind und zur Arbeitsleistung an einen
Kunden (den Beschäftiger) überlas-
sen werden.
Aber welche Regeln sind vor bzw.
bei einer solchen Überlassung einzu-
halten?
Vor jeder neuen Überlassung muss
den Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern eine schriftliche Über-
lassungsmitteilung
ausgehändigt
werden. Diese informiert über den
Beschäftiger, die Art der Tätigkeit,
Arbeitszeit, Entgelt und Dauer der
Überlassung. Bezahlt werden muss
mindestens nach dem Kollektivver-
tragslohn des Beschäftiger-Betriebes.
Wenn eine Überlassung endet, und
der Arbeitgeber hat keine neue Arbeit
für den Leiharbeiter, kann es zu so-
genannten „Stehzeiten“ kommen. In
dieser Zeit haben die Beschäftigten
ebenfalls Anspruch auf das vereinbar-
te Entgelt. Deshalb sollten Leiharbei-
ter einer einvernehmlichen Auflösung
des Arbeitsverhältnisses aufgrund von
Stehzeiten nicht zustimmen.
Übrigens: Auch Leiharbeitern muss
Zugang zu Wohlfahrtseinrichtungen
des Beschäftiger-Betriebes, wie etwa
Betriebskindergärten, gewährt wer-
den.
<<
von
Erwin Zangerl
, Präsident der AK Tirol.
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