Tiroler Arbeiterzeitung - page 11

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THEMA:
JUNGE & AUSBILDUNG
Nr. 63, Mai 2014
V
iele junge Menschen gewinnen
mit Praktika Einblicke ins Be-
rufsleben und sammeln dabei
erste Erfahrungen. Dies geschieht oft
im Rahmen einer Ausbildung oder
kurz nach deren Abschluss.
Doch eine AK Untersuchung zeigt,
dass immer mehr Firmen den Begriff
missbräuchlich nutzen. Sie inserieren
Praktikumsstellen, bei denen es sich
in Wahrheit um normale Arbeitsver-
hältnisse handelt, und bei denen volle
Arbeitsleistung gefordert wird. „Abge-
golten wird sie nur mit einem Hunger-
lohn, obwohl das kollektivvertragliche
Mindestgehalt fällig wäre“, betonen
die AK Experten. Ein Beispiel: Eine
PR-Agentur definierte ein Praktikum
für Grafik als „definitiv kein Nine-to-
five-Job für Kaffeeholer und Aktenab-
leger“. Geboten wurden aber nur 800
Euro – deutlich unter den KV-Verein-
barungen. Zwar wurden Kenntnisse in
Computergrafik-Programmen gefor-
dert, aber kein Zusammenhang mit
einer laufenden oder abgeschlossenen
Ausbildung hergestellt.
800 Euro pro Monat.
Oder:
Eine große Hotelkette suchte einen
Praktikanten für Online-Marketing
und Content-Management, gestand
aber offen ein, dass es sich um einen
„normalen Arbeitsvertrag“ handelte,
und bot für 40 Wochenstunden ein
Monatsbrutto von 800 Euro.
„Wir brauchen für Praktika im Rah-
men der Ausbildung klare Regeln“,
fordert AK Präsident Erwin Zangerl.
„Dazu sollte die zustehende Abgeltung
endlich fixiert werden.“
<<
AK Untersuchung.
Firmen inserieren normale Arbeitsverhältnisse als Praktikum. Die
vermeintlichen Praktikanten müssen jedoch volle Leistung erbringen – zu einem Hungerlohn.
Vorsicht,
Scheinpraktika
GUT VORBEREITET
DEIN GUTES RECHT
Ferien-Arbeit
Führ‘ doch
einfach Buch
F
erialpraktika werden von Schü-
lern oder Studenten in den Fe-
rien vorwiegend zum Geldverdienen
absolviert. Sie sind normale Arbeits-
verhältnisse.
Pflichtpraktika hingegen sind
Ausbildungsverhältnisse aufgrund
schul- oder studienrechtlicher Vor-
schriften. Hier steht die Vermittlung
von Inhalten, dem jeweiligen Lehr-
oder Studienplan entsprechend, im
Vordergrund.
Vor dem Praktikum sollten Be-
ginn und Ende, genaue Tätigkeit,
Arbeitszeit und Entlohnung schrift-
lich vereinbart und die KV-Zugehö-
rigkeit geklärt werden. Liegt kein
Arbeitsverhältnis vor, besteht auch
kein Anspruch auf Entlohnung, Ent-
geltfortzahlung im Krankheitsfall,
Sonderzahlungen oder Urlaub. Oft
gewähren Betriebe für Pflichtprak-
tika jedoch „Taschengeld“. Werden
Praktika im Rahmen eines Arbeits-
verhältnisses absolviert, gelten die
KV-Bestimmungen. Fehlen solche,
muss eine Bezahlung im Vorhinein
vereinbart werden.
Während des Praktikums:
Prakti-
kanten sind noch vor Beginn ihrer
Beschäftigung zur Sozialversiche-
rung anzumelden. Eine Kopie dieser
Anmeldung ist auszuhändigen. Je-
der Arbeitgeber ist verpflichtet, Ar-
beitszeitaufzeichnungen zu führen
und anhand dieser die Lohnabrech-
nungen zu erstellen. Unrichtige Auf-
zeichnungen nicht unterschreiben!
Am besten die Arbeitszeiten mit
einem selbst geführten Kalender
kontrollieren (s. o.). Überstunden für
Jugendliche unter 18 Jahren sind
nicht erlaubt, es gibt jedoch Aus-
nahmen.
Nach dem Praktikum:
Wurde zu-
stehendes Entgelt nicht bezahlt,
muss der Vertragspartner umge-
hend schriftlich zur Nachzahlung
aufgefordert werden. Keinesfalls
irgendwelche Verzichtserklärungen
unterschreiben! Aber Achtung: Wer
zu lange wartet, kann schlimmsten-
falls wegen Verfallsbestimmungen
bares Geld verlieren. Bei Problemen
helfen Betriebsrat und AK Tirol.
KOSTENLOS
AK Broschüren
mit Infos &Tipps
M
it zwei AK Broschüren be-
haltet ihr den Überblick: Die
wichtigsten Regelungen findet ihr in
„Arbeiten in den Ferien“
– samt Ka-
lendarium zum Dokumentieren von
Arbeitszeiten und Tätigkeiten. Dies
ist für eine allfällige Beweisführung
wichtig! Spezielle Infos könnt ihr in
„Pflichtpraktikum im Hotel- und
Gastgewerbe“
nachlesen. Einfach
anfordern unter 0800/22 55 22 –
1580 oder herunterladen auf www.
ak-tirol.com
Unfaire Bedingungen.
Junge Menschen werden bei Scheinpraktika ausgebeutet.
Foto:Karin&UweAnnas/Fotolia.com
Beim Eintreiben von Ansprü-
chen aus Scheinpraktika helfen
die AK Experten. Sie sind er-
reichbar unter Tel. 0800/22
55 22 – 1566.
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Vanessa
beim Bearbeiten eines
orthopädischen Schuhs an einer
beeindruckenden Maschine.
Johannes, Vanessa
und
Lena
lernen in Innsbruck das Hand-
werk des Orthopädieschuh-
machers. Sie stellen orthopä-
dische Heil- und Hilfsmittel für
Patienten mit Fußbeschwerden
her. Sie fertigen orthopädische
Schuhe, Innenschuhe und Maß-
einlagen.
Doch nicht nur Menschen mit
Problemen im orthopädischen
Bereich kommen zu ihnen. Auch
der Extrembergsteiger, der seine
Schuhe repariert haben will, fin-
det im Betrieb der 3 Lehrlinge Hil-
fe. Die Arbeit wird nie langweilig,
denn die Aufgabenbereiche sind
bunt gemischt. In der Werkstatt
arbeiten die Lehrlinge zwischen
Nähmaschinen und hochmoder-
nen Apparaturen/Geräten ...
... z. B. mit Computerfräsen. Ge-
nauigkeit und Vorsicht sind ge-
fragt, denn die speziellen Schu-
he sind sehr teuer und müssen
genau passen. Außerdem bera-
ten die Lehrlinge auch Kunden,
nehmen Fußmaße ab und helfen
bei Fragen weiter.
Eine industrielle Produktion or-
thopädischer Schuhe ist nicht
möglich, weil die Schuhe ge-
mäß der jeweiligen Fehlstellung
bzw. Behinderung individuell
angefertigt werden müssen.
Johannes, Vanessa und Lena
sind also für die Gesundheit un-
serer Füße unersetzbar.
Lena
beim Arbeiten mit orthopädischen
Einlagen. Vom Chef gibts Erklärungen dazu.
Johannes
beim Finish einer Reparatur.
Dann noch eine neue Sohle aufgeklebt
und schon ist der Schuh wie neu.
Hier bekommen Bergschuhe neue
Bandagen. Dann können wieder viele
Höhenmeter zurückgelegt werden.
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Doch nicht nur moderne Geräte kom-
men zum Einsatz. Auch die gute alte
Nähmaschine wird noch gebraucht.
Orthopädieschuhmacher
Lehrzeit: 3,5 Jahre
Berufsschule: Tiroler Fachberufsschule
für Garten, Raum und Mode in Hall in Tirol
AK
REPORTER
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