Tiroler Arbeiterzeitung - page 2

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THEMA:
FRAU & BERUF
Härtefälle
beim Kindergeld
Urteil.
Leicht durch den Rost fallen können
Eltern beim einkommensabhängigen Kindergeld.
B
eim
Kinderbetreuungsgeld
steht neben Pauschalen- auch
eine
einkommensabhängige
Variante zur Wahl, bei der die Antrag-
steller u. a. in den letzten sechs Mona-
ten unmittelbar vor der Geburt bzw.
vor Beginn des Beschäftigungsverbotes
durchgehend erwerbstätig gewesen sein
müssen. Doch dabei sind Härtefälle
vorprogrammiert, wie ein Urteil des
Obersten Gerichtshofs zeigt.
So verneinte der OGH einer wer-
denden Mutter den Anspruch, ob-
wohl sie mehr als fünf Jahre im selben
Betrieb beschäftigt war. Sie erfüllte
die Voraussetzungen nicht, weil sie zu
Beginn des Beobachtungszeitraumes
(zehn Tage!) Krankengeld bezogen hat-
te – und Zeiten eines Krankenstandes
ohne arbeitsrechtliche Entgeltfortzah-
lung keine Zeiten einer SV-pflichtigen
Erwerbstätigkeit sind. Als Konsequenz
verlor sie nicht nur Entgelt wegen des
Krankenstands, ihr blieb auch das ein-
kommensabhängige Kinderbetreuungs-
geld verwehrt.
„Der Bezug von Krankengeld darf
keinesfalls anspruchsvernichtend sein!“
betont AK Präsident Erwin Zangerl.
Deshalb fordert die AK Vollversamm-
lung einen Gesetzesvorschlag, damit der
Krankengeld-Bezug einer SV-pflich-
tigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt
wird.“
<<
Nachgerechnet.
Sylvia wurde von ihrem Mann unterstützt und konnte nach
der Baby-Pause wieder Vollzeit arbeiten.
Teilzeit-Arbeit
als Pensionsfalle
Kinderbetreuung.
Vor allem Mütter arbeiten häufig in Teilzeit.
Doch das hat massive Auswirkungen auf die spätere Pension.
D
ie Mutter, die alles managt,
Kleinkind, Haushalt und Job.
Immer fröhlich und entspannt.
Nicht nur Werbespots, auch politische
Kampagnen suggerieren, was es im rau-
en Alltag leider nur selten spielt: Die viel
strapazierte Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. „Für deren Umsetzung fehlt
es in Tirol leider noch immer an Kinder-
betreuungseinrichtungen und entspre-
chenden Öffnungszeiten, vor allem in
den ländlichen Regionen“, betont AK
Präsident Erwin Zangerl.
Teilzeit boomt.
Immer mehr Frauen
entscheiden sich für das Modell Teilzeit-
arbeit. Fast jede zweite Berufstätige in Ti-
rol arbeitet in Teilzeit (47,7 %). Tendenz
steigend. Viele kehren nach der Karenz
überhaupt als geringfügig Beschäftigte
zurück.
Die Nachteile sind weitreichend, wie
das Beispiel von Sylvia zeigt. „Ursprüng-
lich wollte ich nach der Baby-Pause wie-
der 30 Stunden als Sekretärin arbeiten.
Aber dann wurde ich krank, und 30
Stunden wurden mir mit Haushalt und
Kind für den Anfang doch zu viel. Da
bot mein Chef an, ich könnte doch auf
eine geringfügige Beschäftigung reduzie-
ren.“ Aus lauter Erleichterung machte
sich die 42Jährige keine weiteren Gedan-
ken. Erst nach der ersten Abrechnung
wurde ihr klar, dass sie nur noch unfall-
versichert war.
Jetzt hat sich Sylvia freiwillig kran-
ken- und pensionsversichert. Doch die
55,79 Euro, die sie dafür monatlich an
die Krankenkasse zahlen muss, kann sie
sich kaum kaum leisten. Arbeitslosenver-
sichert ist sie auch weiter nicht. Bis Jah-
resbeginn. Dann kann sie in eine Halb-
tagsstelle wechseln.
Halber Lohn, halbe Pension.
Auch bei der Teilzeitarbeit lauern Fallen
– nach dem Motto „Halber Lohn heißt
halbe Pension.“ So zeigt der Berufsver-
lauf zweier Verkäuferinnen mit gleichem
Einstiegsgehalt, wie sich unterschiedliche
Wiedereinstiegsmodelle auf die spätere
Pension auswirken. Während Eva nach
den beiden Kindern mit Unterstützung
ihres Mannes früher wieder einsteigt und
zwar gleich in Vollzeitarbeit, bleibt Ma-
ria länger bei den zwei Kindern, arbeitet
danach 18 Jahre Teilzeit und erst später
Vollzeit. Wenn Eva mit 62 Jahren vorzei-
tig in Pension geht, bekommt sie nach
heute geltenden Regeln 1.370 Euro Pen-
sion. Maria hingegen, die länger bei den
Kindern geblieben ist und lange Teilzeit
gearbeitet hat, bekommt 890 Euro (siehe
Grafik unten links).
<<
AK BROSCHÜRE
Infos für werdende Eltern
G
roß ist die Freude, wenn sich ein
neuer Erdenbürger ankündigt.
Auch wenn die Nachricht das Leben
der Familie meist gehörig durchei-
nander wirbelt, sollten Sie nicht auf
Vorschriften vergessen, die werdende
Eltern und Arbeitgeber beachten müs-
sen. Von Mutterschutz- und Väter-
karenzgesetz über Kinderbetreuungs-
geld und Beihilfen bis hin zu Fristen:
Alles zu Schwangerschaft, Geburt und
Wiedereinstieg finden Sie in der AK
Broschüre „Ein Baby kommt“. Einfach anfordern unter 0800/22 55 22 –
1432 oder auf
herunterladen.
Wenn Kinder kommen,
verringern die meisten
Frauen ihre Arbeitszeit.
Aber Achtung: Lange
Teilzeit heißt weniger
Berufschancen
und weniger
Pension!
Was kostet Teilzeit
HEUTE
HEUTE
2019
2021
2035
Beförderung zur
Abteilungsleiterin
2058
vorzeitige
Pensionie-
rung mit 62
2058
vorzeitige
Pensionierung
mit 62
2019
2024
Wiederaufnahme der
Arbeit in Teilzeit
2042
Vollzeit
40 STUNDEN
40 STUNDEN
Karenz
40 STUNDEN
40 STUNDEN
20 STUNDEN
40 STUNDEN
Karenz
1.600 €
1.600 €
1.600 €
800 €
2.200 €
1.600 €
1.370 €
Pension
890 €
Pension
Ich bin Eva.
Endlich 18, die Lehre als Verkäu-
ferin ist beendet. Ich verdiene ei-
genes Geld. Ich will Familie und
Beruf. Am liebsten hätte ich zwei
Kinder, kurz hintereinander, einen
Mann, der mir hilft, damit ich wie-
der in den Beruf einsteigen kann.
Ich will mindestens Abteilungslei-
terin werden.
Ich bin Maria.
Endlich 18. Ich habe meine
Lehre als Verkäuferin abge-
schlossen. Ich will bald eine
Familie gründen. Zwei Kinder
wären genau richtig. Und ich
will mir viel Zeit für die Fami-
lie nehmen. Nach der Karenz
kann ich in meinem Job auch
Teilzeit arbeiten.
Eltern
müssen Bescheid wissen.
Nachholbedarf
V
ereinbarkeit von Familie
und Beruf müssen ebenso
Realität werden, wie eine Pensi-
on, von der man auch leben kann.
Deshalb fordert die AK
• mehr ganztägige Kinderbetreu-
ungs- und Schulangebote und
verbesserte Öffnungszeiten.
• bessere Berufschancen für
Eltern. Auch Teilzeitbeschäftigte
sollen Chancen zur Weiterbil-
dung im Betrieb bekommen
und Unternehmen freie Voll-
zeitstellen ihren Teilzeitkräften
anbieten.
Nr. 69, Dezember 2014
Foto: JeanetteDietl/Fotolia.com
AK Tirol
tritt gegen Härtefälle ein.
Foto:evgenyatamanenko/Fotolia.com
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