Mehr Väter in Karenz
P
OSITIONEN: ZUR ARBEIT
10
Nr. 76, Juli/August 2015
V
iele europäische Län-
der, unter ihnen die
Schweiz und Deutsch-
land, machen uns vor,
welche Vorteile gesetz-
liche Mindestlöhne mit
sich bringen: Während in
Österreich Wirtschaftsver-
treter Horror-Szenarien an die
Wand malen, sinkt bei unseren deutschen Nach-
barn die Arbeitslosigkeit, und der Inlandskonsum
wächst. Das wünschen wir uns auch für Österreich.
Denn durch niedrige Einkommen und Reallohnver-
luste geraten immer mehr Menschen unter Druck:
Alleinstehende, junge Familien und Ältere. Immer
öfter reicht der Verdienst trotz Vollzeitarbeit nicht
mehr aus, um das Leben zu bestreiten. Und so steigt
die Zahl derer, die von Armut bedroht oder betrof-
fen sind. Genau hier setzt der gesetzliche flächen-
deckende Mindestlohn an: Er schützt Beschäftigte
vor Dumpinglöhnen und sichert ihr Einkommen.
Gleichzeitig verhindert diese Lohnuntergrenze,
dass sich schwarze Schafe unter den Unternehmen
ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Und sie entlastet den Sozialstaat, der immer wieder
ausgleichen muss. Deshalb wäre der gesetzliche
Mindestlohn gerade in Bereichen, für die kein
Kollektivvertrag gilt, ein wirksames Instrument.
E
s ist weltweit einzig-
artig, dass in Öster-
reich arbeitgeberseitig
überwiegend gesetzliche
Berufsvertretungen
Kollektivverträge
abschließen und nicht
freie Verbände. Dadurch
werdenWettbewerbsgleichheit
und Mindeststandards gewährleistet. Zudem hat
Österreich mit 98 Prozent die höchste Tarifbindung
der Welt, ein gesetzlicher Mindestlohn ist daher in
Österreich imGegensatz zu anderen Ländern nicht
notwendig.Wesentliches Ziel der Lohnpolitik muss
aus Sicht des ÖGB die Sicherung der Kaufkraft der
Löhne und Gehälter sein, wobei die Lohnsteige-
rungen sich an der gesamtwirtschaftlichen Produk-
tivitätsentwicklung orientieren müssen. Das ist ein
Ausdruck der solidarischen Lohnpolitik mit dem Ziel,
auch für schwächere Gruppen eine Verbesserung des
Lebensstandards zu ermöglichen. Jährlich werden
rund 450 Kollektivverträge vomÖGB verhandelt, die
das Ziel eines flächendeckenden Mindestlohns von
1.500 Euro verfolgen. Aufgrund dieses gut funktionie-
renden Systems erübrigt sich die Frage nach einem
gesetzlichen Mindestlohn, der womöglich Min-
desteinkommen in gewerkschaftlich gut organisierten
Unternehmen deutlich nach unten drücken würde.
E
ine „absolute
Lohnuntergrenze“
für alle Unselbstän-
digen inklusive freier
DienstnehmerInnen ist
notwendig! Ein solcher
gesetzlicher Mindest-
lohn würde vor allem den
atypisch Beschäftigten und
vielen Frauen nützen. Denn diese sind in erster Linie
im wachsenden Niedriglohnsektor tätig oder von den
massiven Einkommensdifferenzen zwischen Teil- und
Vollzeitbeschäftigung betroffen. Den Gewerkschaften
ist es zwar gelungen, in den Kollektivverträgen für
die allermeisten Beschäftigten in Österreich eine
Lohnuntergrenze festzulegen. Trotz allem fordert
auch der ÖGB einen Mindestlohn, um wirklich allen
unselbständig Erwerbstätigen ein faires Einkommen
zu sichern. In Deutschland wurde ja erst vor kurzem
trotz heftigster Kritik von Arbeitgeberseite ein Min-
destlohn eingeführt. Der dort nun überdurchschnitt-
liche Wirtschaftsaufschwung dürfte auch darauf
zurückzuführen sein, dass mit demMindestlohn der
private Konsum angekurbelt wird. Ein Mindestlohn
ist aber auch ein Gebot der Gerechtigkeit, gerade
auch für jene Menschen in prekären und atypischen
Beschäftigungsverhältnissen, hinter denen keine
starke Gewerkschaft steht.
D
a es in Österreich
keinen Generalkol-
lektivvertrag für alle
Branchen gibt, sind
viele Arbeitnehmer
benachteiligt. Denn
kein Kollektivvertrag be-
deutet auch kein Anspruch
auf Urlaubs- oder Weihnachts-
geld, um nur einige der Nachteile zu nennen. Durch
die Zunahme von atypischen Dienstverhältnissen
in den letzten Jahren stieg auch die Zahl von Arbeit-
nehmern ohne Kollektivvertrag kontinuierlich.
Nun rührt der kollektivvertragliche Mindestlohn
von 1.000 Euro brutto pro Monat, der von ÖGB
und WKÖ im Jahre 2009 vereinbart wurde, eher
zu Tränen, als dass er zum Jubeln anregt, aber er
sichert den Arbeitnehmern zumindest Urlaubs- und
Weihnachtsgeld.
Da jedoch sowohl ÖGB als auch WKÖ anschei-
nend unfähig sind, vernünftige Rahmenbedin-
gungen für alle Arbeitnehmer zu schaffen, braucht
es eine gesetzliche Lösung. Deshalb ein klares „Ja“
zu einem gesetzlichen Mindestlohn (mit gesetz-
licher Verankerung von Urlaubs-Weihnachtsgeld),
der für alle österreichischen Arbeitnehmer bei einer
Vollzeitbeschäftigung das Auskommen mit dem
Einkommen sicherstellt!
Gute Bedingungen
für alle Beschäftigten
Kaufkraft und Löhne
müssen sicher sein
Ein Gebot der
Gerechtigkeit
Endlich gesetzlich
verankern!
Sozialdemokratische
GewerkschafterInnen
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Grüne in der AK
Freiheitliche
Arbeitnehmer in der AK
Erwin Zangerl,
AK Präsident
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
Franz Ebster,
Fraktionsobmann
AK FRAKTIONEN ZUM THEMA:
FAIRNESS DURCH MINDESTLOHN
KINDERBETREUUNGSGELD
G
eht auch der Vater
in Karenz, schaffen
Mütter leichter die
Rückkehr in den
Beruf. Das zeigt das neue
AK Wiedereinstiegsmoni-
toring. Es ging dabei um
die Frage: Wie verläuft für
die Beschäftigten in Tirol
die Elternkarenz und
welche Verän-
derungen haben
sich zwischen
2006 bis 2012
ergeben?
Männerkarenz.
Auch in Tirol ist
die
Beteiligung
der Männer an
der Kinderauszeit
deutlich gestiegen.
Lag sie im Jahr
2006 noch bei rund
5 %, so stieg sie bis
zum Jahr 2012 auf
rund 13 %! Doch es
gibt noch genug Luft
nach oben. Trotz
dieser positiven Ent-
wicklung liegt der
Männeranteil in Tirol immer noch
deutlich hinter dem österreichi-
schen Durchschnitt (17 %).
Modelle und Wiedereinstieg.
Die Form des gewählten Kinderbe-
treuungsgeld-Modells (siehe dazu
Beitrag links) ist abhängig von der
vorherigen Erwerbssituation und
hat Auswirkungen auf den Wieder-
einstieg ins Erwerbsleben. Zuvor
beschäftigte Frauen mit niedrigen
Einkommen wählen vor allem
das längere Modell 30+6 Monate.
Frauen aus den mittleren Einkom-
menssegmenten nehmen bereits
häufiger die Variante 20+4. In hö-
heren Einkommenssegmenten fällt
die Wahl der Frauen dagegen deut-
lich stärker auf die einkommensab-
hängige Variante.
Bei der partnerschaftlichen Tei-
lung der Karenz in Bezug auf das
Kinderbetreuungsgeld weist das
einkommensabhängige Modell ei-
nen Anteil von rund 20 %, die Va-
riante 15+3 einen Anteil von 14 %
und die Variante 12+2 einen Anteil
von 9 % auf.
Damit wirken sich die kürzeren
Modelle des Kinderbetreuungs-
geldes auf die partnerschaftliche
Teilung deutlich positiver aus.
Dennoch fallen die Berufsunterbre-
chungen der Männer immer noch
Z
wischen diesen fünf Varianten beim
Kinderbetreuungsgeld können sich
Eltern entscheiden:
30+6 Monate
mit 436 Euro pro Monat
bis zum 36. Lebensmonat des Kindes bei
Bezug durch beide Eltern bzw. bis zum
30. Lebensmonat bei Bezug durch einen
Elternteil.
20+4 Monate
mit 624 Euro pro Monat
bis zum 24. Lebensmonat des Kindes
(Bezug durch beide Eltern) bzw. bis zum
20. Lebensmonat (durch einen Elternteil).
15+3 Monate
mit 800 Euro pro Monat
bis zum 18. Lebensmonat des Kindes
(Bezug durch beide Eltern) bzw. bis zum
15. Lebensmonat (durch einen Elternteil).
12+2 Monate
mit 1.000 Euro pro Monat
bis zum 14. Lebensmonat des Kindes
(Bezug durch beide Eltern) bzw. bis zum
12. Lebensmonat (durch einen Elternteil).
Einkommensabhängiges
Kinderbetreu-
ungsgeld bis zum 14. Lebensmonat (Be-
zug durch beide Eltern) bzw. bis
zum 12. Lebensmonat (durch
einen Elternteil). Es beträgt
80 % des fiktivenWochen-
geldbezugs, maximal
2.000 Euro pro Monat.
Zur AK Studie:
Erstmals
wurde die Gestaltung der Karenz in
Paarbeziehungen und von Alleiner-
zieherinnen analysiert. Außerdem
zeigt das Monitoring die Auswir-
kungen der neuen Kurzmodelle.
Die gesamte Studie steht unter
ak-tirol.comzur Verfügung.
Wiedereinstieg.
Immer mehr Väter gehen in Karenz, dafür aber immer kürzer. Das zeigt
eine aktuelle AK Studie. Alleinerzieherinnen haben es nach wie vor besonders schwer.
Beruf & Kind.
Alleiner-
zieherinnen schaffen den
Wiedereinstieg schwerer.
Die 5 Varianten
im Überblick
sehr kurz aus. Nur 6,5 % der Tiroler
Eltern teilen sich die Karenz. Die-
ser Wert liegt 5 % unter dem Öster-
reichgesamtschnitt, auch wenn er
von rund 2 % im Jahr 2006 bis zum
Jahr 2012 auf 6,5 % gestiegen ist.
Probleme.
Die größten Defizite
aus dem Spagat Familie und Beruf
erleben Alleinerzieherinnen. Sie
schaffen wesentlich später den Be-
rufseinstieg und verdienen deutlich
weniger imVergleich zum Einkom-
men vor der Kinderauszeit.
Forderungen der AK.
Familie
und Beruf müssen sich noch besser
ergänzen. Besonders wichtig blei-
ben der weitere Ausbau sowie die
langfristige Finanzierung der Kin-
derbetreuung.
Weitere Forderungen:
• Das Recht auf einen bezahlten
Papamonat.
• Keine finanzielleBenachteiligung
von Eltern mit einem kurzen Kin-
derbetreuungsgeld-Modell.
• Längere Väterkarenzen durch
eine längere Mindestbezugsdauer
beim Kinderbetreuungsgeld.
• Gleichstellungsbonus für eine
partnerschaftliche Teilung der
Karenz.
• Spezielle Förderungen für Allein-
erzieherinnen.