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K

ONSUMENT

&

R

ECHT

2

Nr. 77, September 2015

„Negativzinsen“ bei Krediten?

Aufgepasst.

Banken wollen negative Referenzzinssätze nicht an Kreditnehmer weitergeben.

Gegen die Hypo Tirol Bank wurde im Auftrag der AK Tirol eine Verbandsklage eingebracht.

Richtig ver(un)sichert?

Erfolgreiche Klage.

Gut versichert wähnte sich ein Oberländer – bis ihm nach

einem Unfall bei seinem Haus plötzlich die Deckung versagt wurde. Die AK half.

E

in

Schädel-Hirn-Trauma

und mehrere Wirbelbrüche:

Schwerste

Verletzungen

erlitt ein junger Mann, als

er im April 2013 von der Terras-

se eines Wohnhauses in die Tiefe

stürzte, weil sich eine Abplankung

löste.

Doch zu allen Sorgen kamen

dann noch finanzielle Ängste, ge-

hört das Haus doch dem Vater

seiner Lebensgefährtin. Und von

diesem wollte die Krankenkasse

plötzlich rund 15.000 Euro für Be-

handlungskosten im Regressweg

ersetzt haben.

Der Grund: Das Versicherungs-

unternehmen, bei dem der Schwie-

gervater in spe im Rahmen einer

Bündelversicherung auch eine

Haftpflichtversicherung

abge-

schlossen hatte, wollte sich unter

Hinweis auf die Versicherungsbe-

dingungen bzw. auf mittlerweile

geänderte Vertragsbedingungen aus

der Affäre ziehen und verweigerte

jegliche Leistung.

Argumentation der Versicherung:

Gemäß den Versicherungsbedin-

gungen, die aktuell für den Vertrag

gelten, bestünde ein (erweiterter)

Risikoausschluss – und damit für

den Lebensgefährten der Tochter

kein Versicherungsschutz. Somit

müsse auch keine Leistung erbracht

werden. Verzweifelt wandte sich die

Familie an die Konsumentenschüt-

zer der AK Tirol. Nach eingehender

Prüfung vertraten die AK Experten

die Auffassung, dass die Versiche-

rung zur Leistung verpflichtet ist,

und sie brachten den Fall vor Ge-

richt.

Volle Deckung.

Über zwei In-

stanzen wurde das Verfahren gegen

die Versicherung geführt und die

AK Experten behielten Recht: So-

wohl das Landesgericht Innsbruck

als auch das Oberlandesgericht

Innsbruck als Berufungsgericht

stellten fest, dass die Versicherung

zahlen und vollen Deckungsschutz

übernehmen muss. Umso größer

war die Erleichterung bei der be-

troffenen Familie.

Laut OLG Innsbruck muss der

Versicherungsnehmer unter den ge-

gebenen Umständen nicht mit einer

Einschränkung des Versicherungs-

schutzes rechnen: Die Versiche-

rung konnte für den konkreten Fall

keinen Nachweis eines wirksamen

Risikoausschlusses erbringen. So-

mit ist sie zur Leistung verpflichtet.

Durch diese Entscheidung muss die

Versicherung nun sämtliche Be-

handlungskosten des Verunglück-

ten übernehmen und für allfällige

Spät- und Dauerfolgen einstehen.

Kaum zu glauben, aber wahr:

Nach einem Absturz wollte sich die Versicherung

des Hausbesitzers aus der Affäre ziehen. Die AK verhalf dem Mann zum Recht.

ENTSCHEIDUNG

FACTS

Details aus

demOLG-Urteil

• Das OLG Innsbruck verwies in seiner

Entscheidung u. a. darauf, dass

Allgemeine Versicherungsbedin-

gungen (AVB), wie andere AGB auch,

durch Willenserklärung in den Vertrag

einbezogen werden müssen. Dabei

können aber sowohl das Verlangen des

Versicherers, seine AVB dem Vertrag

zugrunde zu legen, als auch die Zu-

stimmung des Versicherungsnehmers

ausdrücklich oder stillschweigend

(konkludent) erfolgen.

• Für eine stillschweigende Zustimmung

des Versicherungsnehmers durch

„Unterwerfung“ ist jedoch ein strenger

Maßstab anzulegen: Davon ist nur

dann auszugehen, wenn der Versiche-

rer (z. B. im Antragsformular) deutlich

auf die AVB hinweist und der Konsu-

ment die Möglichkeit hat, vom Inhalt

Kenntnis zu erlangen. Tatsächliche

Kenntnis oder Aushändigung der AVB

vor Abgabe der Vertragserklärung des

Versicherungsnehmers sind hingegen

nicht erforderlich.

• Kurzbezeichnungen für Versiche-

rungsprodukte sind für Durchschnitts-

verbraucher nicht verständlich und

deshalb für eine wirksame Unterwer-

fungserklärung grundsätzlich nicht

ausreichend – außer der Versiche-

rungsnehmer wird durch einen

Versicherungsmakler bedient, dessen

Fachwissen er sich zurechnen lassen

muss.

• Eine nachträgliche Änderung einmal

vereinbarter AGB erfordert im Regelfall

die Zustimmung des Vertragspartners

bzw. muss er nicht mit Änderungen

rechnen, wenn er nicht ausdrücklich

und unmissverständlich darauf hinge-

wiesen wird.

• „Versteckte“ Klauseln, mit denen ein

durchschnittlich verständiger Konsu-

ment nicht zu rechnen braucht, haben

keine Geltung.

V

on der Lebensversicherung bis zum Autokauf, vom

Haustürgeschäft über Vorauszahlungskäufe bis zu

den eigenen vier Wänden: Für fast alles gibt es Verträge,

allerdings können ganz unterschiedliche Regeln gelten,

die Konsumenten kennen sollten. Während nach einem

Autokauf im Geschäft regelmäßig nur eine Auflösung

samt Stornogebühren möglich ist, gilt etwa nach Bestel-

lung im Internetshop eine 14-tägige Rücktrittsfrist. Details

finden Sie in der AK Broschüre

„Rücktrittsrechte“

. Einfach

anfordern unter 0800/22 55 22 – 1836 oder herunterla-

den auf ak-tirol.com

K

inder und Jugendliche sind durch das Gesetz – je nach

Alter – vor Gefahren, die auf Konsumenten lauern,

besonders geschützt. Gerade im Internet warten viele

Fallen. Die aktuelle Broschüre der AK Tirol

„Junge Konsu-

menten“

bringt Infos zu Konsumenten- und Datenschutz,

Altersgrenzen bei Verträgen, Kostenfallen bei Handys,

Facebook und zu dem großen Angebot der AK Bibliothek für

junge Menschen. Die „3 goldenen Regeln“ der AK Tirol sind

ebenso enthalten wie viele Tipps – die wirken! Broschüre

einfach gratis herunterladen auf ak-tirol.com oder telefo-

nisch anfordern unter 0800/225522 – 1836.

1

Junge

Konsumenten

Vertrag und Rücktritt

Tipps für junge Konsumenten

Erstes Urteil um

Zinsuntergrenze

D

er Verein für Konsumenteninfor-

mation (VKI) führt – im Auftrag des

Sozialministeriums – eine Verbandskla-

ge gegen die Raiffeisenbank Bodensee.

Wie viele andere Kreditinstitute

(siehe Artikel rechts) hatte es die Bank

abgelehnt, „Negativzinsen“ an ihre

Fremdwährungskreditnehmer weiter-

zugeben. Die Marge von 1,375 Prozent

stelle die Untergrenze der Sollzinsen

dar, teilte die Raiffeisenbank ihren

Kunden per Brief mit. Solange keine

Einwände erhoben würden, gehe man

von einer einvernehmlichen Vertrags-

änderung aus.

Der Verein für Konsumenteninforma-

tion klagte sowohl gegen diese Form

der Vertragsänderung, als auch gegen

die einseitig festgesetzte Zinsunter-

grenze. Das Landesgericht Feldkirch

gab dem VKI Recht. Das Urteil ist nicht

rechtskräftig.

VOR GERICHT

NEWS

Foto: jorgenmac100/Fotolia.com

B

ei Krediten mit einem va-

riablen Zinssatz ist der

Sollzinssatz meist an den

Euribor oder Libor gebun-

den. Der Zinssatz, den der Kredit-

nehmer zu zahlen hat, liegt um ei-

nen zumeist explizit vereinbarten

Aufschlag über diesem Indikator.

Ist zum Beispiel vereinbart, dass

der Sollzinssatz um einen Prozent-

punkt über dem 3-Monats-Libor für

CHF liegt, so würde sich bei einem

Liborwert von z. B. - 0,8 % p. a. ein

Sollzinssatz von 0,2 % p. a. erge-

ben. Zahlreiche Banken haben nun

ihren Kreditnehmern mitgeteilt,

dass jedoch zumindest ein Zinssatz

in Höhe des vereinbarten Aufschla-

ges verrechnet wird.

NachAnsicht derAK stellt dieses

Vorgehen der Banken ein Abwei-

chen von den vertraglichen Ver-

einbarungen dar. Es sind zu dieser

Rechtsfrage bereits Gerichtsver-

fahren, u. a. auch gegen die Hypo

Tirol Bank, anhängig.

Achtung.

Was können Kreditneh-

mer derzeit tun? In Anbetracht der

anhängigen Gerichtsverfahren ist

vorerst ein Ergebnis abzuwarten.

Erhalten Kreditnehmer jedoch eine

Mitteilung der Bank, dass negative

Zinsindikatoren nicht berücksich-

tigt werden, ist es ratsam, unver-

züglich Einspruch zu erheben.

Sollte Kreditnehmern seitens der

Bank eine Nachtragsvereinbarung

zur Unterschrift vorgelegt werden,

die eine Zinssatzuntergrenze zum

Gegenstand hat, so weist die AK

darauf hin, dass zur Unterschrifts-

leistung keine Verpflichtung be-

steht.

Weiterführende Informationen

sowie einen Musterbrief für einen

eventuellen Einspruch finden Sie

auf ak-tirol.com

Foto: Gina Sanders/Fotolia.com