S
ie schlafen direkt auf der Baustelle
und bekommen oft nur ein Viertel
des Lohnes eines heimischen Bau-
arbeiters: Beschäftigte, die meist im
Auftrag osteuropäischer Firmen tätig
sind. Besonders Bau- und Handwerksbe-
triebe stöhnen unter dieser Konkurrenz.
Illegalerweise dumpen nicht wenige
dieser Firmen bei den Löhnen und
Sozialabgaben. Seit der Öffnung des
Arbeitsmarktes 2011 stieg die Zahl der
„entsendeten Dienstnehmer“ zuletzt
auf 150.000, heuer dürften es 180.000
werden!
Viele Betriebe sind von diesem
unfairen Wettbewerb betroffen, und die
Hauptleidtragenden sind die Arbeitneh-
mer. Unter dem Motto „geht es nicht
noch billiger“ findet ein beinharter Kon-
kurrenzkampf statt. Doch dieses Wett-
rennen ist nicht zu gewinnen, es drückt
auf unser Lohn- und Sozialgefüge.
Draufzahler sind heimische Firmen, die
ordentlich entlohnen und ihre Sozial-
abgaben entrichten. Ebenso wie unsere
Arbeitnehmer, die regelmäßig Steuern
und Sozialbeiträge bezahlen und damit
für ein funktionierendes solidarisches
System in unserem Land sorgen.
Wir brauchen noch lückenlosere
Kontrollen und schärfere Strafen gegen
diese schwarzen Schafe. Diese Verstöße
müssten auch im Ausland exekutierbar
sein, wie etwa Verkehrsdelikte. Denn wir
sollten besser statt billiger werden.
AK Präsident
Erwin Zangerl
Besser statt
billiger werden
KOMMENTIERT
ZEITUNG FÜR ARBEIT UND KONSUMENTENSCHUTZ DER KAMMER FÜR ARBEITER UND ANGESTELLTE FÜR TIROL
8. JG. , JULI/AUGUST 2016 | NR. 87
Österreichische Post AG | Postentgelt bar bezahlt | Verlagsort 6020 Innsbruck | RM 12A039146 K
ZAHLENSPIELE
…
auf
6,2 Milliarden Euro
wird
die Mehrbelastung der Bürger durch
die kalte Progression bis zum Jahr 2021
geschätzt. Das sind im Schnitt fast 1.000
Euro von jedem unselbständig Erwerbs-
tätigen und Pensionisten, so eine neue
Studie der Denkfabrik Agenda Austria.
Die kalte Progression entsteht, weil
Löhne an die Inflation angepasst werden,
Tarifstufen und Steuerabsetzbeträge aber
nicht. Die Arbeitnehmer verdienen brutto
jährlich zwar mehr, das Plus schlägt sich
aber nicht im selben Ausmaß in den
Nettolöhnen nieder. Der Großteil der
Zuwächse geht an den Fiskus.
E
ndlich Urlaub: Die meisten
freuen sich auf ihre wohlver-
diente Erholung. Doch nur
etwa jeder fünfte Beschäftigte
nimmt sich wirklich eine längere
Auszeit. Jeder Zehnte meint, er kann
seinen Jahresurlaub nie ganz konsu-
mieren. Dabei raten Arbeitspsycho-
logen gerade dann zu einer längeren
Auszeit von der Arbeit, wenn man
unter hohem Stress steht. Faktum ist,
dass sich nur noch 20 % der Beschäf-
tigten zwei durchgehende Urlaubs-
wochen nehmen.
Dazu kommt, dass nicht alle Ar-
beitnehmer in der Lage sind, sich den
Urlaub frei einteilen zu können. Beim
AK Arbeitsklimaindex gaben etwa
10 % der Befragten an, nicht ihren
gesamten Urlaubsanspruch verbrau-
chen zu können. Jeder Fünfte musste
in den vergangenen zwei Jahren den
bereits vereinbarten Urlaub verschie-
ben, weil es die Arbeit erforderte.
Generell lässt sich ein Trend zur lau-
fend zunehmenden Verschmelzung
von Arbeit und Freizeit feststellen.
Die Schattenseite davon: Perma-
nente Arbeitsbereitschaft macht auf
Dauer krank. Dabei steigt die Zahl
derjenigen dramatisch an, die in der
Freizeit, im Urlaub und im Kranken-
stand erreichbar sind. AK Präsident
Erwin Zangerl: „Die Gesundheit ist
ein hohes Gut für die Beschäftigten.
Umso wichtiger ist es, jede Form von
Selbstausbeutung zu vermeiden.“
Wie eine Studie der AK im Dienst-
leistungsbereich zeigt, sind bereits
70 % der Beschäftigten in der Freizeit
für Kollegen und Chefs verfügbar.
Ein starker Anstieg an psychischer
Belastung steht damit in direktem
Zusammenhang. Im Krankenstand
sind fast 60 % permanent für die Fir-
ma da. Selbst am Wochenende und
im Urlaub ist fast jeder Zweite stets
erreichbar. Es braucht daher klare
Strategien für den Einzelnen, um
sich abzugrenzen. Denn Handy und
Laptop verstärken die dauerhafte Er-
reichbarkeit noch. Bereits jeder sie-
bente Beschäftigte besitzt ein dienst-
liches Smartphone, vor zwei Jahren
war es noch jeder Zehnte. Auch Da-
ten sind inzwischen mobil abrufbar
und machen ein Arbeiten rund um
die Uhr möglich. Die Folgen jedoch
sind vor allem erhebliche negative
gesundheitliche Auswirkungen.
Mehr dazu auf den Seiten 4 und 9
Abschalten und abgrenzen
.
Der Urlaub ist zur Erholung da und dient der eigenen Gesunderhaltung. Eine permanente Arbeitsbereitschaft macht auf Dauer krank.
„Ständig erreichbar
zu sein, macht krank.
Es braucht Strategien
gegen eine drohende
Selbstausbeutung.“
Erwin Zangerl, AK Präsident
I
n Tirol sind bereits mehr als 91.000
Personen in Teilzeit tätig, zumGroßteil
Frauen. Einerseits werden in einigen
Branchen, etwa imHandel, fast nur noch
Teilzeitstellen angeboten. Andererseits
gehen immer mehr Frauen mangels aus-
reichender Kinderbetreuungsplätze einer
solchen Beschäftigung nach. Aber das
bringt auch Probleme bei Einkommen,
Aufstiegschancen und in der Pension.
Wer Teilzeit oder geringfügig beschäftigt
ist, sollte über die wichtigsten Bestim-
mungen Bescheid wissen. Prinzipiell gilt:
Teilzeitarbeit liegt immer dann vor, wenn
die gesetzliche Normalarbeitszeit von
40 Stunden oder eine kürzere kollektiv-
vertragliche Normalarbeitszeit (z. B. 38,5
Wochenstunden imHandel) unterschrit-
ten wird. Die wichtigsten Bestimmungen
aus Arbeits- und Sozialrecht sind in der
AK Broschüre
„Teilzeitarbeit“
zusammen-
gefasst. Kostenlos anzufordern unter
Tel. 0800/22 55 22 – 1432 oder zum
Download auf
ak-tirol.comAK Broschüre
zur Teilzeitarbeit
GUT INFORMIERT
Foto:opolja
/fotolia.comFoto:pressmaster
/fotolia.comUrlaub als Rezept,
um abzuschalten
Gesund bleiben.
Wer sich erholen will, braucht einmal im Jahr
mindestens zwei Wochen durchgehend Urlaub. Doch nur noch
etwa jeder Fünfte nimmt sich wirklich eine längere Auszeit.
TIROLER
ARBEITERZEITUNG