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OFFEN GESAGT

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Nr. 102, Dezember 2017

Erwin Zangerl: „

Ich

warne die Politik,

die Unabhängigkeit

der AK zu schwä-

chen oder sie zu

verstaatlichen.

Wir werden uns

dagegen zu

wehren wissen.

Denn wer Wind

sät, wird Sturm

ernten.“

Lassen uns nicht mundtot machen

Frontalangriff.

„Die Politik will die Unabhängigkeit und Stärke der Kammern zerstören! Das werden wir im

Interesse der Millionen Beschäftigten mit allen Mitteln bekämpfen.“ Im Gespräch erklärt AK Präsident Zangerl

seine Haltung zum Raubtierkapitalismus und warum die Politik die Rechte der Arbeitnehmer beschneiden will.

TAZ: Herr Präsident, im Zuge der

Regierungsverhandlungen steht

die gesetzliche Mitgliedschaft

in den Kammern zur Dis-

kussion. Wie beurteilen Sie

die Lage?

Zangerl:

Jeder, der das

Wiener Parkett kennt, weiß,

wie rasch dort aus partei-

taktischen

Überlegungen

Beschlüsse und Absichtser-

klärungen über Bord gewor-

fen werden. Dass jetzt die

Sozialpartnerschaft und

die Arbeiterkammer

vor allem von

der FPÖ in Frage gestellt werden, verwundert

aber. Tatsache ist, dass wir die Anliegen der

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit

Jahrzehnten erfolgreich vertreten. Das dürf-

te manchen Parteifunktionären sauer aufsto-

ßen. Noch dazu, weil die Arbeiterkammer

politisch unabhängig nur den Interessen der

Beschäftigten verpflichtet ist. Manche reden

vom kleinen Mann - wir vertreten ihn und

zwar jedes AK Mitglied, gleich welcher Her-

kunft, mit Rat, Tat und Rechtsschutz.

TAZ: Warum jetzt diese Angriffe gegen eine

erfolgreiche Interessenvertretung?

Zangerl:

In der Tiroler Arbeiterkammer sind

vier Fraktionen vertreten, darunter auch die

Freiheitlichen Arbeitnehmer. Sie wissen ge-

nau, welche wichtige Aufgabe die AK dank

der gesetzlichen Mitgliedschaft für die Ar-

beitnehmer leistet. Leider scheinen die Frei-

heitlichen Arbeitnehmer in ihrer Partei nicht

genügend Gehör zu finden. Auch hier dürften

neoliberale Strömungen Einzug gehalten ha-

ben. Sonst würde man nicht alles versuchen,

um die Schutzmacht für die Arbeitnehmer

schwächen zu wollen.

TAZ: Wie sehen das die Arbeitnehmer? Im-

merhin wären ja sie die Hauptbetroffenen?

Zangerl:

Unsere AK Mitglieder stehen ganz

eindeutig sowohl zur gesetzlichen Mitglied-

schaft als auch zu den AK Beiträgen (siehe

die Tabelle). Das beweisen alle Umfragen.

Wir haben schon einmal die Mitglieder

AK Beiträge aus der Sozialversicherung

Erklärung:

Der AK Beitrag beträgt 0,5 % des Brutto-Monatsgehalts und ist mit der Höchstbeitragsgrundlage

gedeckelt (dzt. 4.980 Euro brutto). Die AK Umlage wird automatisch im Zuge des Sozialversicherungsbeitrages

eingehoben. Keinen Beitrag bezahlen Karenzierte, Arbeitsuchende, Lehrlinge, Zivil- und Präsenzdiener sowie

Geringfügig Beschäftigte. Österreichweit zahlen 816.000 AKMitglieder keinen Beitrag, in Tirol sind es 90.070

Mitglieder. Insgesamt sind 3,6 Millionen Arbeitnehmer Mitglied in der Arbeiterkammer, in Tirol sind es mehr als

350.000 Beschäftigte. Der durchschnittliche AK Beitrag macht netto 6,91 Euro aus, maximal 14,44 Euro.

Karenziert

kein Beitrag

Arbeitsuchend

kein Beitrag

Lehrling

kein Beitrag

Zivil-/Präsenzdiener

kein Beitrag

Geringfügig (bis 425,70 Euro)

kein Beitrag

1.000 Euro

5 Euro

1.200 Euro

6 Euro

2.125 Euro (Durchschnittsgehalt)

6,91 Euro

2.500 Euro

8,12 Euro

3.000 Euro

9,75 Euro

3.500 Euro

10,15 Euro

4.000 Euro

11,60 Euro

4.980 Euro (= Höchstbeitragsgrundlage)

14,44 Euro

Status/Brutto-Gehalt

AK Beitrag netto

darüber abstimmen lassen. An der letzten

Urabstimmung haben 61 % der AK Mitglie-

der teilgenommen und davon haben 91 % für

die gesetzliche Mitgliedschaft gestimmt.

TAZ: Was erwarten Sie von den finalen Re-

gierungsverhandlungen?

Zangerl:

Mein Appell richtet sich an ÖVP

und FPÖ. Die Verhandler sollen sich noch-

mals alles gut überlegen. Vor allem die ÖVP,

die sich vor der Wahl klar zu den Kammern

bekannt hat, soll auch dazu stehen. Unser

Land braucht kollektive Solidarität mehr

denn je. Und es widerspricht keineswegs

dem Leistungsgedanken. Jeder Mensch kann

in Situationen kommen, in denen die Ei-

genverantwortung nicht mehr greift. Darum

haben sich die kollektiven Schutzmechanis-

men seit Jahrzehnten bewährt. Das sichert

uns nicht nur im Krankheitsfall ab, sondern

auch gegen Lohnausfall, Arbeitsunfall und

Krankheit und ermöglicht ein Leben in Wür-

de, wenn man die Pension antritt. Statt hier

Löcher aufzureißen, müssen wir Lösungen

entwickeln, etwa bei der Pflege. Unsere Ge-

sellschaft sehnt sich nach Beständigkeit und

Verlässlichkeit. Das beste Beispiel dafür ist

die Sozialpartnerschaft. Sie funktioniert, weil

sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Au-

genhöhe begegnen, das Gemeinsame suchen

und sich respektieren, das seit mehr als 70

Jahren. Regierungen und Parteien kommen

und gehen, die Sozialpartner bleiben beste-

hen - als Garant für Wohlstand und Sicherheit

für möglichst alle Bürger in unserem Land.

Foto: AK Tirol

Foto: TWBA

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