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A

RBEIT

&

R

ECHT

4

Nr. 102, Dezember 2017

Da fehlt der Durchblick.

Der Chef einer Reinigungs- und Arbeitskräfteüberlassungsfirma rechnet eigenartig ab.

D

er Eigentümer von zwei

Tiroler Reinigungs- und

Arbeitskräfteüberlas-

sungsfirmen dürfte bei

vielen seiner ehemaligen Arbei-

terinnen nicht gerade besonders

beliebt sein. Sein „Geschäftsmo-

dell“: Es geht um die Reinigung

von Hotels und Gästezimmern. Die

Arbeitnehmerinnen, meist Auslän-

derinnen oder auch Studentinnen,

finden sich an verschiedenen Or-

ten in Innsbruck ein und werden

mit einem Sammelbus ins Tiroler

Oberland gebracht. Für ihre Reini-

gungsdienste erhalten sie laut Ver-

trag netto 100 Euro pro Arbeitstag,

das ist immer ein Samstag.

Viele der Beschäftigten beenden

die Arbeit aber gleich nach dem

ersten Samstag, da zu den Arbeits-

stunden vor Ort noch mehr als zwei

Stunden Fahrzeit hinzukommen,

die nicht bezahlt werden. Dann

erhalten die Damen meist statt der

vereinbarten 100 nur 77 Euro, in

manchen Fällen auch gar nichts.

Bei den Juristen der AK Tirol sind

in den letzten Jahren bereits mehr

als 30 Akten gegen diese Firmen

gelandet. Das sind allerdings nur

jene, die sich tatsächlich bei der

Arbeiterkammer melden. Bleibt

zu vermuten, dass sich viele derart

unfair Behandelte zwar furchtbar

ärgern, aber von weiteren Schritten

absehen.

Auf Schreiben der AK reagiert

der Chef erst gar nicht. Und wenn,

dann rechtfertigt er sich damit,

dass diese 77 Euro exakt dem

Kollektivvertrag entsprächen. Von

dem von ihm selbst unterzeichne-

ten Arbeitsvertrag und den verein-

barten 100 Euro weiß er scheinbar

plötzlich nichts mehr. Also bleibt

nur die Klage. Aber den meisten

Betroffenen sind die 23 Euro ein-

fach ein zu geringer Betrag, um

vor Gericht zu ziehen und bei der

Verhandlung zu erscheinen. Damit

scheint der Firmenchef zu rechnen.

Andere, die nicht einmal die 77

Euro für einen Arbeitstag erhalten,

wollen sich das dann doch nicht

gefallen lassen und klagen mit Hil-

fe der AK sehr wohl die 100 Euro

ein. Auch kein leichtes Unterfan-

gen, wissen die AK Juristen aus

leidvoller Erfahrung. Die Firma

wechselt ständig ihre Geschäfts-

adressen, Schreiben kommen we-

gen Unzustellbarkeit zurück. Ge-

lingt es dann endlich, eine Klage

zuzustellen, gibts vom Eigentü-

mer und Geschäftsführer oft ei-

nen formlosen Einspruch, zumeist

handschriftlich und unleserlich.

Zur Tagsatzung erscheint er nahe-

zu in allen Fällen nicht, sodass ein

Versäumungsurteil ergeht. Dann

wird endlich bezahlt, teilweise

muss aber auch Exekution geführt

werden.

„Wir können nur allen Betrof-

fenen, die derart unfair behandelt

werden, raten, sich an unsere Ju-

risten zu wenden. Als Standesver-

tretung der Arbeitnehmer geht es

der Arbeiterkammer Tirol um den

Schutz der Beschäftigten, aber

auch um den Schutz der guten Be-

triebe vor schwarzen Unternehmer-

schafen, die mit unfairen Metho-

den die Branche unterlaufen. Zum

Glück gibt es in unserem Land nur

wenige, die derart unverfroren mit

Arbeitnehmern umgehen. Damit

es auch so bleibt, schaut die AK

drauf, dass die Regeln eingehalten

werden“, so AK Präsident Erwin

Zangerl.

Leben

im Keller

H

eimisches Personal zu finden, fällt

den Tourismusbetrieben immer

schwerer. Und trotzdem sorgen einige

wenige Unternehmer dafür, dass das

Image der Branche nicht besser wird.

Lesen Sie hier unter der Rubrik „Sa-

chen gibts“ zwei Begebenheiten, von

denen die AK Tirol erfahren hat.

Personalzimmer

imKellerloch

Rein zufällig wurde die Polizei in

einemWintersportort auf Personalun-

terkünfte in absolut unzulässiger Lage

aufmerksam: In einemWohnhaus

waren kurzerhand zwei Lager im Keller

in Schlafräume umfunktioniert und

nachträglich eine Nasszelle eingebaut

worden, um sie an Saisonarbeitskräfte

zu vermieten. Frischluft und natür-

liches Tageslicht? Fehlanzeige! Die

einzige Luftzufuhr war über innenbe-

lüftete Schachtfenster möglich.

Viel Geld für

ein Quartier

Und beim Vorstellungsgespräch in

einem vornehmen Hotel in einer ande-

ren Wintersport-Hochburg glaubte ein

Stellenbewerber seinen Augen nicht

zu trauen, was er da im Arbeitsvertrag

las: 2.371 Euro brutto hätte er als Kell-

ner in 6-Tage-Woche für 54 Stunden

verdient. Und trotzdem wären ihm am

Ende des Monats nur rund 1.300 Euro

netto geblieben! Denn während in

den meisten Saisonbetrieben Kost und

Logis für die Beschäftigten frei sind,

sollten dem Tiroler laut Vertrag für die

Unterkunft rund 460 Euro pro Monat

abgezogen werden!

„Leider gibt es einige wenige

Unternehmer, die gegenüber ihren

Mitarbeitern Wertschätzung und

Respekt vermissen lassen“, ärgert sich

AK Präsident Zangerl. „Aber damit

schrecken sie gute Arbeitskräfte ab

und schaden dem Betrieb und dem

Ruf der ganzen Branche!“

AK Tirol hilft.

Frechheit siegt, denkt wohl ein Unternehmer,

der ausgeschiedene Mitarbeiter erst entlohnt, wenn die AK

interveniert oder Klage einbringt. Seit 2016 gab es 60 Fälle!

Arbeiten für nix?

Viele Infos für

Geringfügige

G

eringfügig beschäftigt ist, wer

derzeit pro Monat weniger als

425,70 Euro verdient. „Minijobber“ sind

nur unfallversichert. Eine Kranken- und

Pensionsversicherung kann freiwillig

um monatlich 60,09 Euro abgeschlos-

sen werden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht

haben sie jedoch alle An-

sprüche, wie sie in den

jeweiligen Kollektivver-

trägen geregelt sind.

Viele weitere wich-

tige Bestimmungen

finden Sie im AK

Falter „Geringfü-

gige Beschäf-

tigung“.

Einfach

anfordern

unter

0800/22

55 22 –

1432 oder

herunter-

laden auf

ak-tirol.com

FALTER ANFORDERN

Foto: Tomasz Zajda/Fotolia.com

W

enn sich Mitglieder

wegen Problemen im

Job bei der AK melden,

dann stoßen dieArbeits-

rechtsexperten mitunter auf „alte

Bekannte“. Etwa auf eine Firma,

die Arbeiter für Montagearbeiten

beschäftigt und/oder als

Arbeitskräfte überlässt.

Beim Geld hieß es aber

für viele: Bitte warten!

Denn der Unternehmer

drückt sich vor dem

Zahlen. Allein seit

2016 musste die AK

Tirol für 60 Betrof-

fene intervenieren

oder ihnen Rechts-

schutz für die Klage

bei Gericht gewäh-

ren, damit sie zu ih-

rem Geld kommen, immerhin geht

es pro Fall um durchschnittlich rund

3.000 Euro. Fast immer waren Ar-

beiter betroffen – und meist solche,

die nur kurz beschäftigt waren.

Erhält der Ex-Chef ein Interven-

tionsschreiben der AK Juristen, mit

dem er zur Zahlung aufgefordert

wird, dann reagiert er entweder gar

nicht – oder er bittet um eine Frister-

streckung, um sich dann erst wieder

nicht zu melden. Geht der Fall dann

vor Gericht, schließt er gleich einen

Vergleich, außer, er erscheint erst

gar nicht zur Verhandlung. Dann

gibt es ein Versäumungsurteil. In

beiden Fällen muss er aber zusätz-

lich zur eingeklagten Summe auch

noch die Prozesskosten zahlen.

Wann das Geld fließt, ist unter-

schiedlich: Oft ist es gleich nach Er-

halt des Urteils bzw. nachAbschluss

des Vergleichs am Konto. Es kommt

aber auch vor, dass exekutiert wer-

den muss.

„Für die Betroffenen ist es natür-

lich zermürbend, wenn sie ihrem

Lohn, mit dem sie ihren Lebensun-

terhalt finanzieren sollten, erst mo-

natelang hinterher laufen müssen“,

ist AK Präsident Erwin Zangerl

empört über diese Art von „Unter-

nehmertum“. Bleibt die Frage nach

dem Warum für die Vorgangsweise:

Möglich, dass der Firmeninhaber

einfach damit spekuliert, dass Be-

schäftigte, die nur kurz für ihn ge-

arbeitet haben, ihr Geld vielleicht

nicht einfordern. Oder aber, dass er

einen entsprechend hohen Gewinn

damit macht, dass er Beschäftigte

an andere Firmen überlässt.

SACHEN GIBTS

FACTS

Die Masse macht die Kasse

Ganz schön mies.

100 Euro pro Samstag für Reinigungsdienste sind vereinbart, aber der

Chef zahlt oft nur 77 Euro und scheint damit zu rechnen, dass niemand wegen 23 Euro klagt.

Foto: tiero/Fotolia.com