Akut.
Trotz langer Bemühungen, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu
erreichen, sind die Resultate bescheiden. Die Einkommensschere schließt sich nicht.
Der Hauptgrund: ein getrennter Arbeitsmarkt. Frauen und Männer arbeiten zumeist
in unterschiedlichen Branchen und Berufen. Mit Konsequenzen für das Einkommen.
Einkommen: Von
Gleichheit keine Spur
F
rauen verdienen weniger als Män-
ner. Die Fakten dazu sind klar.
Aber warum? Als Erklärung
wird oft angeführt, dass
Frauen für die gleiche Arbeit weni-
ger verdienen. Das ist nicht falsch,
denn es gibt Lohndiskriminierung
von Frauen. Aber die direkte Be-
nachteiligung von Frauen beim
Einkommen, wenn genau dieselben
Arbeiten ausgeführt werden, spielt eine
kleinere Rolle, als oft angenommen. Eine
aktuelle Studie schätzt den dadurch ent-
stehenden Einkommensnachteil auf etwa
6,4 % ein. Die Einkommen der Frauen in
Tirol liegen jedoch um rund 36 % hinter je-
nen der Männer zurück. Wie kommt es also
zu diesem Unterschied?
Knackpunkt Teilzeitarbeit
Eine erste Antwort lautet: Es liegt an der
Teilzeitarbeit, denn Teilzeit ist weiblich.
Mehr als jede zweite Frau geht einer Teil-
zeitarbeit nach, bei den Männern ist es
weniger als jeder Zehnte. Im Schnitt leis-
ten Tiroler Frauen 25,7 Wochenstunden,
die Männer kommen auf 34,2 Stunden.
Allein durch das verschiedene Arbeitszeit-
ausmaß entstehen große Differenzen bei
den Einkommen. Aber auch wenn man
ausschließlich Personen mit einer ganzjäh-
rigen Vollzeitarbeit betrachtet und dadurch
den Faktor Teilzeitarbeit ausblendet, bleibt
immer noch ein Einkommensunterschied
von etwa 21 % zwischen Frauen und Män-
nern bestehen.
ANALYSE
Verteilung von Männern und
Frauen über die Berufsgruppen*
Teilzeitquote bei
Frauen enorm
I
m Jahr 2016 gingen insgesamt 100.000
Beschäftigte in Tirol einer Teilzeitarbeit nach.
Der überwiegende Teil davon (etwa 84.300 Per-
sonen) waren Frauen. Die Teilzeitquote betrug
53,3 % bei den Frauen und 9,3 % bei den Män-
nern (siehe unten li.). Bei der Ganzjährigkeit der
Beschäftigung zeigen sich kaumUnterschiede
bei Männern und Frauen (69:68 %, siehe oben
li.), deutliche Unterschiede gibt es hingegen
beim Kriterium der Vollzeitarbeit (o. re.):
Von den 68 % der ganzjährig tätigen Frauen
arbeiten nur 32 % in Vollzeit. Das ist einer der
wichtigsten Gründe für die Einkommensunter-
schiede zwischen den Geschlechtern.
Eine zweite Antwort lautet: Frauen und
Männer arbeiten in unterschiedlichen
Branchen. Zum Beispiel sind fast
drei Viertel der Beschäftigten in
der Sachgüterproduktion Männer.
Gleichzeitig ist die Sachgüter-
produktion eine der einkommens-
stärksten Branchen in Tirol, denn
der Normalverdienst in Industrie
und Gewerbe liegt fast 30 %
über dem Tiroler Durchschnitt.
Branchen, in denen viele
Frauen tätig sind, bieten ein deutlich
geringeres Einkommensniveau. In
Gastgewerbe und Handel sind etwa
mehr als ein Drittel der Tiroler
Frauen beschäftigt. Im Handel
liegt der Verdienst um 9 % unter-
halb des Tiroler Durchschnitts,
im Gastgewerbe sind es sogar
45 %! Das bedeutet, ein großer
Teil der Frauen sieht sich allein
aufgrund der Branche geringeren
Verdienstaussichten gegenüber.
Es liegt an den Berufen
Eine dritte Antwort auf die Frage nach
den Einkommensunterschieden zwischen
Frauen und Männern lautet: Es liegt an
den Berufen! Denn Frauen und Männer
arbeiten nicht nur in unterschiedlichen
Branchen, sie arbeiten vor allem sehr oft
in unterschiedlichen Berufen. So sind
technische Berufe extrem männlich: In
Handwerksberufen liegt der Männeranteil
bei über 90 %, in Montageberufen und bei
der Bedienung von Maschinen und Anla-
gen bei über 85 %. Führungskräfte sind zu
mehr als zwei Dritteln Männer. Dienstleis-
tungsberufe, hier insbesondere der Ver-
kauf, Bürokräfte und Hilfsarbeitskräfte
sind dagegen zu zwei Drittel oder mehr
weiblich. Das Einkommensniveau in den
„weiblichen“ Berufsgruppen liegt jeweils
mehr oder weniger deutlich unter dem der
männlich dominierten Berufe.
Bei einer genaueren Analyse zeigt sich
jedoch, dass die Frauen auch innerhalb der-
selben Berufsgruppen fast immer weniger
verdienen als die Männer. Bei Führungs-
kräften beträgt der Einkommensvorsprung
der Männer 43 %, bei Bürokräften 20 %,
in Handwerksberufen 31 %, innerhalb
der akademischen Berufe 33 % und bei
Hilfsarbeitskräften 27 %. Einerseits ist das
möglich, weil innerhalb einer Berufsgrup-
pe durchaus sehr verschiedene Tätigkeiten
zusammengefasst werden – hier stößt die
Statistik schlicht an ihre Grenzen. Ande-
rerseits weil Frauen auf viele Hindernisse
beim beruflichen Fortkommen stoßen.
Das ist gleichzeitig die vierte Antwort:
Es gibt eine Vielzahl gesellschaftlicher
Umstände, die Frauen in ihrer Karriere
behindern und sie dadurch in berufliche
Positionen bringen, in denen sie weniger
verdienen: karenzbedingte Auszeiten, feh-
lende weibliche „Seilschaften“, die das
Fortkommen erleichtern würden, Personal-
entscheidungen, die aus einer männlichen
Perspektive getroffen werden u. v. m. Hier
sind Betriebe und Personalverantwortliche
gefordert, ein Bewusstsein für solche Hin-
dernisse zu entwickeln und aktiv gegen-
zusteuern. Denn das Potenzial der Frauen
wird nach wie vor zu wenig genützt.
A
RBEIT
&
G
ELD
7
Nr. 102, Dezember 2017
10
20
30
40
50
60
Männer
9,3 %
Frauen
53,3 %
Teilzeitquote
2016
Männer|Frauen
Blick nach unten:
Nach wie vor
bestehen zwischen Männern und
Frauen große Einkommensunter-
schiede. Dies hat maßgeblich mit
der unterschiedlichen Positionie-
rung am Arbeitsmarkt zu tun.
Führungskräfte:
Mehr
als zwei Drittel der
österreichischen
Führungskräfte sind
männlich.
Techniker
*
:
In den
technischen Berufen
sind nur wenige Frauen
zu finden, in den
Assistenzberufen im
Gesundheitswesen und
bei den Verwaltungs-
berufen gibt es aber eine
deutliche Mehrheit.
Bürokräfte:
Büroassistenz
ist weiblich. Keine andere
Berufsobergruppe
weist einen so hohen
Frauenanteil auf.
Dienstleistungsberufe
und Verkäuferinnen:
Mehr als ein Viertel
aller unselbständig
beschäftigten Frauen
in Österreich arbeitete
2015 in einem dieser
Berufe.
Handwerks- und
verwandte Berufe:
Diese Berufe sind stark
männlich geprägt, nur
in Teilbereichen gibt es
einen etwas höheren
Anteil von Frauen.
Hilfsarbeitskräfte:
Vor
allem in den Bereichen
Reinigung und der
Herstellung von Nah-
rungsmitteln sind fast
ausschließlich Frauen
zu finden.
Männer
62%
Frauen
32%
ganzjährige Vollzeitarbeit
andere Arbeitsformen
Männer
69%
Frauen
68%
ganzjährige Arbeit
andere Arbeitsformen
Männer
91%
Frauen
9%
Männer
39%
Frauen
61%
Männer
32%
Frauen
68%
Männer
28%
Frauen
72%
Männer
51%
Frauen
49%
Männer
68%
Frauen
32%
*
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Blick nach oben:
Mehr als die Hälfte
der Frauen arbeitet in Teilzeit und
verdient dementsprechend weniger.
Foto: panjj /Fotolia.com
* Für Personen, welche im Jahr 2015 das ganze Jahr
hindurch in einer Vollzeitstelle tätig waren.