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OSITIONEN
10
Nr. 95, April 2017
W
ie flexibel darfs denn
noch sein? Unter dem
Deckmantel der Arbeitszeit-
flexibilisierung setzt man
jetzt zum Rundumschlag
gegen die Arbeitnehmer
an. Nur ein Beispiel: Die ös-
terreichischen Arbeitnehmer
zählen zu den fleißigsten in der
EU und liegen auch bei den Überstunden über dem
EU-Schnitt. Mehr als 250 Millionen Stunden waren es
im Jahr 2015 und davon – man glaubt es kaum – wa-
ren 52 Millionen Stunden unbezahlt. Diesen uner-
hörten Zustand will man nun zum Systemmachen, die
Menschen mehr arbeiten lassen, ihnen aber weniger
bezahlen. Umso bedenklicher für die Arbeitnehmer ist
es, wenn sogar ihr Landesrat nun einen Zwölfstunden-
tag fordert. Arbeitslandesrat Tratter schlägt sich damit
klar auf die Seite der Wirtschaft, die eine Erhöhung der
Normalarbeitszeit anstrebt, damit Überstunden billiger
werden und (auch) die Tiroler Arbeitnehmer weniger
verdienen. Zudem hat noch kein verantwortlicher Politi-
ker konkrete Pläne vorgelegt, wie ein Zwölfstundentag
etwa in Bezug auf Kinderbetreuung, Gesundheit oder
Vereinsleben zu bewältigen ist. Eine AK Umfrage
zeigt: Für 90 % wäre es sehr schwierig bzw. schwierig
jederzeit zwölf Stunden zu arbeiten – und dieser große
Mehrheit werden wir zur Seite stehen!
W
ir lassen uns nicht
unter Druck setzen,
denn der zwangsweise
Zwölfstundentag ist ein
Relikt aus der Vergan-
genheit. Mit dieser ange-
dachten Maßnahme will
man unseren Arbeitnehmern
ganz gezielt die gerechtfertigten
Überstundenzuschläge wegnehmen. Dabei sind die
Arbeitszeiten in Österreich bereits jetzt so flexibel,
dass Arbeitsspitzen problemlos abgebaut werden
könnten. Laut einer IFES-Umfrage lehnen 76 Prozent
der Arbeitnehmer eine Ausweitung der täglichen
Höchstarbeitszeit ab, bei Jugendlichen (16 bis 29
Jahre) sind es sogar 88 Prozent. Studien belegen, dass
mehr Flexibilität die Gesundheit von Arbeitnehmern
gefährdet. Und diejenigen, die davor warnen, versucht
man lächerlich zu machen. Aber gerade der gesund-
heitliche Aspekt darf keinesfalls außer Acht gelassen
werden.Wenn sich vor allem junge Menschen über
lange Zeit bei der Arbeit zu sehr verausgaben, erhalten
sie die Rechnung Jahrzehnte später bei der Rehabilita-
tion. Bei einem Zwölfstundentag steigen die Unfall-
gefahren und Gesundheitsrisiken deutlich. Arbeit darf
aber unter keinen Umständen krank machen, deshalb
braucht es hier eine rasche und sinnvolle Lösung im
Sinne unserer Arbeitnehmer.
D
ie Sozialpartner-
schaft hat in den
vergangenen Jahren
und Jahrzehnten im
Großen und Ganzen
gut funktioniert und
sie hat auch gute Lö-
sungen für beide Seiten
zusammengebracht. Um
diese einzigartige Verhandlungsgrundlage von
Gewerkschaft und Arbeitgebern wird Österreich in
vielen Ländern sogar beneidet. Natürlich mussten
beide Seiten immer wieder ihre Positionen
aufgeben oder abschwächen und Kompromisse
eingehen. Trotz all seiner Probleme gehört Öster-
reich auch deshalb heute zu den reichsten und
sichersten Staaten der Welt.
Es steht den Regierungsparteien natürlich frei,
Druck auszuüben, aber den Sozialpartnern ein
Ultimatum zu stellen, ist fehl am Platz. Meist ma-
chen sich nämlich jene, die schnell und öffentlich-
keitswirksam etwas fordern, keine Gedanken über
die Umsetzung dieser Forderungen und deren
Folgen. Eine Arbeitszeitflexibilisierung darf zum
Beispiel zu keinen Lohnkürzungen führen.
Gewerkschaft und Arbeitgeber wollen eine Lö-
sung und die Verhandlungen sollen und werden
auch so lange dauern, wie es notwendig ist.
B
is 30. Juni hat die
Regierung den
Sozialpartnern Zeit gege-
ben, um eine Arbeits-
zeitflexibilisierung zu
vereinbaren. Ansonsten
wird die Regierung im
3. Quartal einen eigenen
Vorschlag beschließen. Dass sie
mit einemUltimatum die Sozialpartnerschaft außer
Kraft setzt, ist erstaunlich, die „Wirtschaft“ spielt da
mit. Durch „ Nicht verhandeln“ bekommen sie ihren
Zwölfstundentag sogar mit Kostenreduktion. Dass
der Tiroler Arbeitslandesrat Tratter den Zwölfstun-
dentag gut findet und dabei in „großzügiger“ Weise
die 11. und 12. Stunde als bezahlte Überstunde
gelten lassen will, zeigt in welche Richtung diese
Arbeitszeitflexibilisierung steuert: MEHR ARBEITEN,
WENIGER EINKOMMEN. Die Fragen der Mobilität des
Arbeitnehmers oder der Kinderbetreuung sind dabei
keine Themen für die Befürworter. Ihnen geht es nur
um die Reduzierung der Kosten. Dass es zumNachteil
der Arbeitnehmer ist, spielt dabei keine Rolle. Man
kann nur hoffen, dass diese Regierung vor Ablauf
dieses Ultimatums endgültig zerbricht oder dass sie
sich eines besseren besinnt. Unsere Position ist: keine
Arbeitszeitflexibilisierung ohne AK. DieWirtschaftssei-
te wird ohnehin von der Regierung vertreten.
Rundumschlag gegen
die Arbeitnehmer
Zwölfstundenarbeit
ist Gesundheitsrisiko
Lohnkürzungen
sind inakzeptabel
Mehr arbeiten,
weniger verdienen
Sozialdemokratische
GewerkschafterInnen
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Grüne in der AK
Freiheitliche
Arbeitnehmer in der AK
Erwin Zangerl,
AK Präsident
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
Franz Ebster,
Fraktionsobmann
A
ls Arbeitnehmer-
vertreter ist man
es gewohnt, dass
es einmal bergauf
und einmal bergab geht.
Allerdings zeigt sich,
dass
Verhandlungen
mit dem Gegenüber
zunehmend schwieriger
werden“, erklärte AK Prä-
sident Erwin Zangerl an-
lässlich der Eröffnung des 4.
Betriebsräte-Kollegs im AK
Bildungshaus Seehof. „Ge-
rade im Arbeitnehmerschutz
und bei der Arbeitszeit wird
uns sicher noch einiges abver-
langt. Deshalb ist eine gute
Ausbildung so wichtig. “
Arbeits- und Sozialrecht,
Betriebs- und Volkswirt-
schaftslehre,
Kommunika-
tions- und Rhetoriktraining,
vermittelt von Experten von
Uni Innsbruck, Fachhoch-
schule Salzburg und AK sowie Wissen-
schaftlern und Gastreferenten: Das alles
und noch viel mehr steht beim 14-wö-
chigen Vollzeit-Lehrgang bis Ende Juni
für je sechs Teilnehmer aus Vorarlberg,
Salzburg und Tirol auf dem Stunden-
plan. Und dabei erhalten sie Selbstver-
trauen und fundierte Kenntnisse, um in
Verhandlungen mit Anwälten oder top-
geschulten Managern das Beste für die
Mitarbeiter herauszuholen.
Dies war auch das Motiv für die Ar-
beiterkammern Vorarlberg, Salzburg
und Tirol, 2014 das Betriebsräte-Kolleg
ins Leben zu rufen und damit in West-
österreich eine hochkarätige Fortbil-
dung zu ermöglichen.
Bildung bietet Chancen.
Zur Eröff-
nung kamen auch die AK Präsidenten
Siegfried Pichler (Salzburg) und Hubert
Hämmerle (Vorarlberg) sowie ÖGB-Prä-
sident Erich Foglar, die den Teilnehmern
ebenfalls viel Erfolg wünschten. „Bil-
dung war immer der Kern der Arbeit-
nehmer-Bewegung. Ohne Bildung gibt
es keine Chance auf Mitbestimmung, so-
ziale Gerechtigkeit und Chancengleich-
heit“, betonte ÖGB-Chef Foglar.
Im Einsatz
für die Kollegen
FLEXIBLE ARBEITSZEIT: SO NICHT!
AK FRAKTIONEN ZUM THEMA
MITBESTIMMEN
Service.
Beim AK Betriebsräte-Kolleg stehen
14 Wochen lang Recht, Wirtschaft und
soziale Kompetenz auf dem Stundenplan.
Viel Wissen für
18 Betriebsräte
Lernen von Experten.
Das
Betriebsräte-Kolleg der AK
bringt fundierte Kenntnisse.
Begrüßung.
Die Präsidenten Pichler
(AK Salzburg), Zangerl (AK Tirol), Foglar
(ÖGB) und Hämmerle (AK Vorarlberg;
v. li.) wünschten viel Erfolg.
Foto: kues1
/Fotolia.comI
mmer wieder kommt es amArbeits-
platz zu Ungerechtigkeiten. Dies zeigt
auch die aktuelle Bilanz der Arbeitsrechts-
experten der AK Tirol, die 2016 mehr als
131.000 Mal tätig werden mussten.
Sie ist aber auch Maßstab dafür, wie
wichtig ein starker Betriebsrat ist. Er muss
überwachen, dass imUnternehmen
alle Rechtsvorschriften eingehalten
werden, wie z. B. Kollektivverträge,
Bestimmungen zumArbeitneh-
merschutz oder zur Berufsaus-
bildung. Außerdem erfahren
Betriebsräte meist früh von
Entwicklungen imUnternehmen,
die sich (nachteilig) auf Mitarbei-
ter auswirken können. Dann heißt
es für sie aktiv werden.
Und trotzdem: Obwohl in Unter-
nehmen ab fünf Mitarbeitern ein Be-
triebsrat verpflichtend einzurichten wäre,
von dem übrigens alle Beteiligten profitieren
können, haben längst noch nicht alle einen.
Mehr auf
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