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THEMA:
NOT & HILFE
Nr. 46, Dezember 2012
Kritischer
Kalender 2013
Studenten
regen mit Kalender „Kritische soziale Arbeit“ zum Nachdenken an.
E
ine engagierte Projektgruppe
des Masterstudiengangs „Sozi-
ale Arbeit, Sozialpolitik & -ma-
nagement“ am MCI hat sich mit dem
Thema Sozialarbeit im Spannungsfeld
zwischen Ausgrenzung, Ungleichheit
und Armut auseinander gesetzt. Das
beeindruckende Ergebnis: Der Kalen-
der „Kritische Soziale Arbeit 2013“
mit Beiträgen der Projektgruppe, nam-
hafter Autoren und Karikaturen. Der
Kalender ist gleichzeitig Terminplaner
und Lesebuch. Zu beziehen um 5 Euro
unter
.
<<
Team.
Präsentierten den Kalender: Olivia Mayrzett, Dr. Gottfried Gabriel, AK Präsi-
dent Erwin Zangerl, Prof. Dr. Waltraud Kreidl, Xaver Schwankner und Lothar Müller.
L
othar Müller, Koordinator
der AK Unterstützungsfonds,
weiß, wovon er spricht. Schei-
dungsfolgen, drohende Exekutionen,
Lohnpfändungen und immer häufiger
Mietrückstände, Delogierungen, ver-
nichtend hohe Betriebskostennach-
zahlungen sowie kaum finanzierbare
Schulkosten und Schulden durch
Selbständigkeit. Auf das Team des
AK Unterstützungsfonds kommt die
volle Breite persönlicher und famili-
ärer Schwierigkeiten zu (siehe Beispiele
oben).
„Der AK Fonds ist für viele Men-
schen im Land der letzte Rettungsan-
ker“, weiß Lothar Müller: „Es ist oft
erstaunlich, wie im Einzelfall mit meist
wenig Mitteln effektiv geholfen werden
kann.“ Und noch erstaunlicher, mit
welchem Einsatz einfach und beschei-
den unter uns lebende Menschen ihre
Familien zusammenhalten, für ihre
Kinder die bestmögliche Ausbildung
erkämpfen, trotz widrigster Umstände
durchhalten, nicht aufgeben und zum
Teil mit ärmlichen Mitteln auskom-
men müssen. Menschen, für die jeder
Tag ein Überlebenskampf ist: Niedrige
Einkommen, chronische Krankheit,
Jobverlust, Trennung, Bürgschaft für
den Verflossenen, Schulden. Wir wis-
sen von ihrem Schicksal, weil sie sich
oft in letzter Not an den seit knapp vier
Jahren bestehenden Unterstützungs-
fonds wenden.
Ansturm ungebremst.
Die
Notfälle und die Hilferufe von Ar-
beitnehmern mit ihren Familien und
Pensionisten nehmen seit Beginn stetig
zu. Allein heuer konnte 850 Tirolern
mit 650 Kindern geholfen werden,
mit einer Gesamtsumme von 380.000
Euro. 60 % davon waren Frauen, groß
teils Alleinerzieherinnen, aber auch Fa-
milien mit mehreren Kindern. Wenn
Kinder im Haushalt sind, steigen die
Hilferufe vor allem nach Unterstützung
bei den Schulkosten.
AK Präsident Erwin Zangerl: „Wir
wissen auch: Das, was wir den Betrof-
fenen mit diesem Fonds und der Solida-
rität vieler anderer Hilfseinrichtungen
und ehrenamtlicher Vereine geben,
kommt vielfach zurück. Nicht nur für
sie selbst, etwa durch Hilfe bei einem
Mietrückstand, nach dem plötzlichen
Todesfall des Familienerhalters oder
bei den Reparaturkosten des für die Ar-
beit so dringend benötigten Autos. Es
kommt auch vielfach für das Land zu-
rück, das auf die Kraft dieser Menschen
nicht verzichten kann. Und noch et-
was: Die Mittel sind keine öffentlichen
Gelder. Der Unterstützungsfonds lebt
allein von den Tiroler AK Mitgliedern.
Sie leisten mit ihrem solidarischen Bei-
trag Hilfe für jene, denen es gerade
schlecht geht. Gleichzeitig können sie
sicher sein, dass auch ihnen im Falle
eine Falles die AK mit Rat, Tat, Recht
und Unterstützung zur Seite steht.“
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Gleiche Chancen von klein auf.
Das darf keine Frage des Einkommens der Eltern sein.
D
ie Vorausset-
zungen
für
die Mietzinsbeihilfe
sind von Gemein-
de zu Gemeinde
höchst verschie-
den. Wartezeiten
von Null (z.B. Inns-
bruck) bis 15 Jahren. Die alleiner-
ziehende Kellnerin mit ihren beiden
schulpflichtigen Kindern in einer
kleinen Talgemeinde hat Pech. Ihr
Einkommen beträgt 1090 Euro,
Miete und Betriebskosten machen
780 Euro aus! Auf die Mietzinsbei-
hilfe muss sie drei Jahre warten!
Soll sie halt ihre Heimat verlassen
und in Innsbruck kellnern, so die Ant-
wort! Was tut das Land? Ach ja, im
letzten Jahr wurden die Gemeinden
deshalb angeschrieben.
D
er AK Unterstützungsfonds hilft
in Notfällen. Er wurde vor vier
Jahren auf Initiative von AK Präsident
Erwin Zangerl ins Leben gerufen und
ist heute nachgefragt wie nie. AK-Mit-
gliedern und deren Angehörigen wird
in schwierigen Situationen möglichst
schnell und unbürokratisch geholfen.
Wer immer glaubt, in einer ausweg-
losen Situation zu sein, nicht verzwei-
feln, sondern rasch melden.
Am schnellsten geht es, mit einem
formlosen schriftlichen Ansuchen
samt erforderlichen Unterlagen
(Kopien von Einkommen, Beihilfen,
Alimente, Mietzinsbeihilfe und der
Ausgaben wie Miete, Rückzahlungs-
verpflichtungen usw.). Schicken an:
AK Tirol, Unterstützungsfonds, Ma-
ximilianstr. 7, 6020 Innsbruck. Ganz
wichtig: Telefonische Erreichbarkeit
angeben! Außerdem ist der Unter-
stützungsfonds von Mo bis Do von 9
bis 11 Uhr unter Tel. 0800/22 55
22 – 1107 erreichbar.
Es gibt auch Hilfe vor Ort mit eige-
nen Sprechtagen in den AK Bezirks-
kammern. Die nächsten Termine:
AK Schwaz
am 17. Dezember von
15 bis 17 Uhr.
AK Kufstein
am 20.
Dezember von 10 bis 12 Uhr und
AK
Landeck
am 27. Dezember von 10
bis 12 Uhr. Unbedingt vorab anmel-
den unter 0800/22 55 22-1107
oder in der jeweiligen AK Bezirkskam-
mer und alle Unterlagen mitnehmen.
Wenn du meinst,
es geht nicht mehr….
J
eder dritte Be-
troffene bei der
Schuldenberatung
ist ein Selbständiger.
Sie alle haben brav
ihre Beiträge an die
Wirtschaftskammer
geleistet. Aber wenn
es die ersten finanziellen Probleme
gibt, ist die Wirtschaftskammer nicht
mehr zuständig. Das soll dann die
Schuldenberatung machen, die von
Land, AMS und AK finanziert wird.
Die Wirtschaftskammer hat dafür
kein Geld. Nach der Devise: Wer Plei-
te geht, ist selber schuld. Wie geht
es der Wirtschaftskammer mit dem
Elend zugrunde gegangener Selb-
ständiger? Wie mit mitbürgenden
Frauen, versteigerten Wohnungen
und Schulden?
A
rmut und Ar-
mu t s g e f ä h r -
dung können nicht
allein durch private
S p e n d e n g e l d e r
bekämpft werden.
Dazu bedarf es einer
Politik der Verant-
wortung gegenüber allen Bürgern,
vor allem der Schwächsten. Politi-
ker, die Partei für jene Menschen er-
greifen, denen es am Schlechtesten
geht. Die bereit sind, auch über die
Zuständigkeiten
hinauszublicken
und zu teilen. Genau das fehlt. Die
Bekämpfung der Armut wird zu den
Sozialreferenten delegiert. Zu viele
Regierende blenden Not und Armut
aus. Es wird Zeit, dass alle hinschau-
en und die Not im Land gemeinsam
bekämpft wird.
S
ie ist geschie-
den, hat zwei
Kinder und arbei-
tet als Küchenhilfe.
Sie will, dass ihre
Kinder einmal ein
„besseres Leben“
haben. Es gelingt
ihr, die Tochter in einer höheren
Schule unterzubringen. Das Einkom-
men insgesamt mit Familienbeihilfe:
1200 Euro. Die Kosten allein für
das Unterrichtsmaterial und die
Schulausstattung betragen 520
Euro. Und am Anfang ist es für die
Tochter ohne Hilfe nicht zu schaffen.
Das heißt im Klartext: 200 Euro für
Nachhilfe. Doch woher soll sie das
Geld nehmen? Eine Frage an alle zu-
ständigen Politiker: Was sagen Sie
dieser Familie?
B
ernhard
ist
dreiundreißig
Jahre alt, arbeitet
hart. Seine ganzes
Glück: Seine Frau
Eva und der kleine
Martin. Er ist der
Sonnenschein der
Familie. Aber seit Martin da ist, hat
sich alles verändert: Eva ist zu Hau-
se und das zweite Einkommen fehlt.
Vor allem das Wohnen ist teuer.
Die kleine Familie ist in eine Zwei-
Zimmer-Wohnung umgezogen. Bis
jetzt sind sie finanziell immer gera-
de so durchgekommen. Bernhard
will auch nicht jammern. Aber die
Betriebskosten-Nachzahlung war
ein Schock. Mehr als 600 Euro. Wo-
her nehmen, wenn keine Reserven
mehr da sind?
GLOBO-WEIHNACHTSTIPP
Spielen und nachdenken
S
ie suchen ein Weihnachtsgeschenk für
die ganze Familie? Ein guter Tipp ist das
neu erschienene Globospiel. Kommen Sie mit
auf eine Reise in das fiktive Dorf Globo und
erfahren Sie mehr über die Welt und wie es
sich darin lebt. Was wäre wenn, ... die Welt
ein Dorf mit 50 Menschen wäre? Wo wür-
den die Menschen leben? Wie hoch wäre
ihre Lebenserwartung? Das Globospiel ist
eine Weiterentwicklung des mit dem Tiroler
Bildungsinnovationspreis ausgezeichneten
Buches „Unser kleines Dorf”. Es soll auf unter-
haltsame Weise Sensibilität für die oft schwierigen Lebenslagen wecken. Das
Kartenspiel gibt’s zum Preis von 9,90 Euro, ein Teil des Erlöses wird gespendet.
Mehr Infos sowie die Bezugsadresse unter
Tipp.
Das neue Globospiel.
Mietzinsbeihilfe
überall anders
Selbständig?
Selber schuld
Armut geht alle
Politiker an
Besseres Leben
für die Kinder
Betriebskosten:
Das dicke Ende
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Nicht wegschauen.
Von allen Seiten liest und hört man: Die Armut in Österreich und auch in Tirol steigt. Hautnah erlebt
man es, wenn man in einer sozialen Einrichtung tätig ist. Das Team des AK Unterstützungsfonds ist im Dauereinsatz.
Die
arme Seite von Tirol