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THEMA:
POSITIONEN
Inflation
frisst Kaufkraft
Alarmierend.
Obwohl die Tiroler 2011 im Schnitt 228 Euro mehr verdienten, konnten sie sich weniger leisten.
T
rügerisch ist die Freude über
das durchschnittliche Einkom-
mensplus der Tiroler Beschäf-
tigten für 2011. Auf den ersten Blick
stieg das Einkommen der Arbeitneh-
mer im Schnitt zwar um 228 Euro
netto pro Jahr. Doch dabei gibt es lei-
der einen Haken: 2011 war auch das
Jahr mit der höchsten Inflation seit 15
Jahren. Diese fraß die Einkommenszu-
wächse auf – mit der Folge, dass sich
die Menschen weniger leisten konnten
als zuvor, und auch das Ersparte weni-
ger wert wurde.
Umgelegt auf Prozente, wird die
Entwicklung besonders drastisch er-
sichtlich: Während also die Einkom-
men 2011 nominell um 1,3 % erhöht
wurden, ließ die Rekord-Inflation
auch die Preise im Schnitt um stolze
3,3 % ansteigen. Unterm Strich be-
deutet das, dass die Tiroler real 2,1 %
an Kaufkraft verloren. Und die Kosten
laufen immer noch den Einkommen
davon.
Am stärksten vom Kaufkraftverlust
betroffen war der Bezirk Kitzbühel.
Weil es dort praktisch keine Zunahme
bei den Einkommen gab, sanken die-
se real sogar um 3,2 %. In Innsbruck
betrug der reale Einkommensverlust
2,8 %. Am besten stiegen noch die Be-
schäftigten im Bezirk Reutte aus, wo
kein realer Einkommensrückgang zu
verzeichnen war. Fest steht allerdings
auch, dass es in keinem Tiroler Be-
zirk reale Einkommenszuwächse gab.
Stattdessen ging die Schere zwischen
Einkommen und Lebenshaltungsko-
sten immer weiter auseinander.
Für viele Menschen war die „ge-
fühlte“ Inflation freilich noch sehr
viel höher als die offiziellen 3,3 %.
Und sie traf speziell die Haushalte mit
niedrigen Einkommen hart, weil di-
ese einen besonders großen Teil ihres
Einkommens für Güter des täglichen
Bedarfs ausgeben müssen. Denn die
Preissteigerung um 3,3 Prozent ist
nur ein Durchschnittswert. Wie sich
zeigte, stiegen ausgerechnet die Preise
für jene Güter, die täglich gebraucht
werden, noch viel, viel höher, also
etwa für Nahrungsmittel, Treibstoff
und Heizung. Der sogenannte „Mini-
warenkorb“ der Statistik Austria, der
einen typischen Wocheneinkauf dar-
stellt – Lebensmittel und eine Tankfül-
lung Benzin oder Diesel – ergab für di-
ese Güter für 2011 eine Teuerungsrate
von sogar 6,7 %. Sie war damit also
fast doppelt so hoch wie die Inflation.
Auch in den anderen Bundeslän-
dern konnten die Beschäftigten 2011
keinen realen Einkommenszuwachs
erzielen. Am wenigsten sanken die re-
alen Einkommen in der Steiermark (-
1,3 %), die höchsten Verluste von - 3,7
% mussten die Arbeitnehmer in Wien
hinnehmen.
Dass Tirol 2011 gleichzeitig auch
das Bundesland mit den österreich-
weit niedrigsten Einkommen war,
verschärft die Lage zusätzlich: Mit
einem durchschnittlichen Jahresnet-
toeinkommen von 18.065 Euro (1.290
Euro netto pro Monat) lagen die Tiro-
ler mit ihren Einkommen für das ganze
Jahr um 1.937 Euro netto unter dem
österreichweiten
Durchschnittsein-
kommen. Das heißt, sie verdienten um
eineinhalb Monatsgehälter weniger.
Weil andererseits die Lebenshal-
tungskosten für Wohnen, Lebens-
mittel, Heizen und Treibstoffe immer
weiter steigen, droht ein schlimmes
Szenario: Tirol steuert darauf zu, dass
sich Menschen mit „normalen“ Ein-
kommen ein Leben hier nicht mehr
leisten können. Am stärksten betroffen
sind einmal mehr die Schwächsten in
der Gesellschaft. Diejenigen, die über
nur geringe finanzielle Mittel verfü-
gen.
<<
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Erwin Zangerl,
AK-Präsident
J
eder zweite Tiroler Beschäftigte arbeitet nicht
mehr Vollzeit. Der Trend zu atypischen Arbeitsver-
hältnissen muss gestoppt werden. Die Vergabe von
Landesmitteln gehört an Vollarbeitsplätze gekoppelt.
Angesichts niedrigster Einkommen und höchster Le-
benshaltungskosten geraten immer mehr Familien
in finanzielle Bedrängnis. Wir schlagen einen Tiroler
Aktionsplan gegen das teure Leben vor. Weiters eine
Sozialverträglichkeitsprüfung für alle gesetzlichen
und förderungspolitischen Maßnahmen. Lücken bei
der Kinderbetreuung gehören geschlossen, die Prei-
se sozialer gestaffelt ebenso wie die Tarife bei den Öffis. Bei der Mietzinsbei-
hilfe müssen überall die gleichen Anspruchsberechtigungen und Höhen gelten
und die Wohn- und Mietzinsbeihilfe vereinheitlicht werden. Wir fordern eine so-
ziale Wohnbauoffensive gegen die akute Wohnungsnot durch Zweckbindung
der Wohnbauförderung und der Mittel aus einer vorzeitigenWbf-Rückzahlung.
Die Grundversorgung des ländlichen Raumes (Post, Bus, Bahn, Schulen) muss
gesichert bleiben.
<<
Aus dem ÖGB
Mehr Lohn für
Bau-Beschäftigte
S
chon nach der ersten Ver-
handlungsrunde haben sich
die Arbeitgeberseite und die
Gewerkschaft Bau Holz (GBH)
auf einen Kollektivvertragsab-
schluss für Beschäftigte in der
Bauindustrie und im Baugewer-
be einigen können. Damit erhal-
ten 8.000 Tiroler Beschäftigte
ab 1. Mai ein Plus von 3,1 %,
unter Berücksichtigung einer
Parallelverschiebung, mehr auf
die KV-Löhne und zahlreiche
Verbesserungen im Rahmen-
recht. „Ein gutes Ergebnis und
ein Bekenntnis für unsere hart
arbeitenden Bauarbeiter“, sagt
Tirols Landesgeschäftsführer
der GBH, Christian Hauser. Ne-
ben dem Abschluss deutlich
über der Inflationsrate konnte
die Gewerkschaft auch im Rah-
menrecht zahlreiche Verbesse-
rungen erwirken. Hauser betont
die konstruktive Gesprächsbasis
bei den Kollektivvertragsver-
handlungen. „Die Sozialpartner-
schaft in der Baubranche funkti-
oniert sehr gut, bundesweit und
regional. Das ist leider immer
seltener der Fall. Mit diesem
Abschluss sichern wir in wirt-
schaftlich angespannten Zeiten
das Realeinkommen für unsere
Bauarbeiter und ihre Familien“,
schließt Hauser.
AK-Fraktionen: Für Tirols Beschäftigte
Forderungen an das Land
grüne in der ak
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
T
irol liegt bei allen Einkommensstatistiken immer am
unteren Ende. Gleichzeitig aber sind die Lebenshal-
tungskosten und die Wohnkosten mit die höchsten in
ganz Österreich. Für das Land muss es oberstes Ziel
sein, die beeinflussbaren Kosten zu verringern. Mit dem
Ausbau und der Verbilligung des öffentlichen Verkehrs
reduziere ich die immer höheren Fahrtkosten. Mit einer
höheren Förderung des Wohn- und Hausbaus kostet
das Wohnen weniger. Die Betriebskosten werden mit
der Förderung moderner Energiesparmaßnahmen ge-
ringer. Auch beimWasser, beim Kanal, der Müllentsorgung, der Wegerhaltung
und der Schneeräumung kann das Land beitragen. Derzeit werden jedes Jahr
Hunderte Millionen an Landesförderungen an die Wirtschaft und die Landwirt-
schaft ausgeschüttet, und nur einige wenige wissen wirklich, wer wozu wie viel
Geld kriegt. Alle diese Daten müssen öffentlich zugänglich gemacht werden,
damit nötigenfalls auch Auswüchse korrigiert werden können. Denn ich bin mir
sicher: Es ist genügend Geld da im Land, nur wird es falsch verteilt!
<<
freiheitliche arbeitnehmer in der ak
Heribert Mariacher,
Fraktionsobmann
A
ufgabe der Landesregierung ist es, der Bevölke-
rung optimale Lebensbedingungen zu ermögli-
chen. Doch Tirols Haushalte sind doppelt belastet, weil
Leben, Wohnen, Sprit und Öffis am teuersten und die
Löhne am niedrigsten sind. Dazu kommen noch die ho-
hen Arbeitssteuern. Zudem befindet sich der Arbeits-
markt in einem gefährlichen Umbruch. Weg vom klas-
sischen Dienstverhältnis hin zu Leiharbeit, Zeitarbeit
oder freien Dienstverträgen. Der Anspruch auf Urlaub,
Entgeltfortzahlung im Krankheits- oder Pflegefall oder
auch 13. und 14. Gehalt ist dabei natürlich weg. Wichtig ist die Entlastung
des Mittelstandes und der Arbeitnehmer. Diese soll im Wesentlichen durch
die Ausweitung der Steuerbemessungsgrundlagen erfolgen. Steuerliche Ent-
lastung des Faktors Arbeit, die sich in der Senkung der Lohnnebenkosten
widerspiegelt, ist oberstes Gebot! Ebenso hat die Politik die Aufgabe, Sozial-
missbrauch zu bekämpfen und diesen als Strafbestand ins Strafgesetzbuch
aufzunehmen. „Schwarze Schafe“ müssen kontrolliert und bestraft werden.
<<
Nr. 49, März 2013
Sozialdemokratische GewerkschafterInnen
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
A
rbeit muss sich lohnen, und ArbeitnehmerInnen
müssen in den Vordergrund rücken. Nach die-
sem Motto werden die Parteien bewertet und haben
sich künftige Regierungskonstellationen zu richten.
Wir sozialdemokratische GewerkschafterInnen for-
dern von der Landesregierung in erster Linie eine
dringende Entlastung der ArbeitnehmerInnen, die
durch spürbare Preisminderung beim Pendeln und
Wohnen passieren muss. Um den Wirtschaftsstand-
ort Tirol zukunftssicher zu machen, brauchen wir
ordentliche Einkommen, damit die Inlandsnachfrage
aufrechterhalten wird. Solange die gestaltende Kraft in Tirol auf Interessen der
Bauern und Wirtschaftstreibenden ihr größtes Hauptaugenmerk setzt, wird
Tirol weiterhin das Schlusslicht bei Einkommen und Spitzenreiter bei Lebens-
haltungskosten bleiben. Anstatt Pfründe und Gründe der Bauern zu sichern,
muss die Energie der Parteien auf eine innovative Betriebsansiedelungspolitik
gelenkt werden, die auch zu besseren und fairen Einkommen und zur Senkung
der Arbeitslosigkeit führen wird.
<<
Lohnschere.
Die Kosten laufen den Einkommen immer mehr davon. Die Grafik zeigt: Seit Jahren sinken die Realeinkommen
in Tirol. Nur 2009 stieg die Kaufkraft aufgrund der geringen Inflation.