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liche Antwort ist, die Betroffenen selbst zu befragen,
wie sie ihre Arbeitssituation einschätzen. Ansätze
dieser Art stellen die „Arbeitszufriedenheit“ in den
Mittelpunkt - ein Thema jahrzehntelanger intensiver
arbeitspsychologischer Forschung.
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Arbeitszufriedenheit kann als „Mediator“ zwischen
den objektiven Arbeitsbedingungen und der Produk-
tivität gesehen werden, als subjektive Interpretation
der Arbeitsumstände, welche sich auf die Arbeits-
leistung des Individuums niederschlägt.
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Im Laufe
der Jahre der Forschung auf diesem Gebiet wurde
eine ganze Reihe von Arbeitszufriedenheitsmodellen
entwickelt, die verschiedene Aspekte wie die Arbeits-
situation, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers bzw.
der Arbeitnehmerin, die Interaktion zwischen Arbeits-
bedingungen und Persönlichkeit usw. in den Vorder-
grund stellen.
Für unsere Zwecke soll es genügen, auf das bereits
in den 1970er Jahren entwickelte und weit verbrei-
tete Modell von Agnes Bruggemann zu verweisen,
das verschiedene Formen von Arbeitszufriedenheit
bzw. –unzufriedenheit unterscheidet. Ein Vergleich
der individuellen Arbeitssituation mit der eigenen An-
spruchshaltung bzw. Erwartungen an den Job kann
zu folgenden Ergebnissen führen:
•
Progressive Arbeitszufriedenheit
: die Erwartungen
werden erfüllt, gleichzeitig erhöht sich die Erwar-
tungshaltung („Mir gefällt meine Arbeit sehr gut und
ich habe Ideen, wie es noch besser werden kann!“).
•
Stabilisierte Arbeitszufriedenheit
: die Erwartungen
werden erfüllt, die Erwartungshaltung an die Arbeit
bleibt gleich („Ich bin zufrieden, alles soll so bleiben
wie es ist.“).
•
Resignative Arbeitszufriedenheit
: die Erwartungen
werden nicht erfüllt, durch Absenken des Anspruchs-
niveaus wird aber eine Übereinstimmung hergestellt
(„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so eine Arbeit
mache, aber ich bin mittlerweile damit zufrieden.“).
•
Pseudo-Arbeitszufriedenheit
: eine vermeintliche
Übereinstimmung von Erwartungen und den tatsäch-
lichen Gegebenheiten, weil die Situation verzerrt/ ge-
schönt wahrgenommen wird – ein Abwehrmechanis-
mus („Ich bin zufrieden, die Arbeit ist wirklich super.
Obwohl es mir selbst lange nicht klar war, habe ich
genau eine solche Arbeit gesucht.“).
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•
Fixierte Arbeitsunzufriedenheit
: Die Situation ent-
spricht nicht den Erwartungen, es folgen daraus
aber keine Handlungen oder eine Anpassung des
Anspruchsniveaus („Der Job ist schrecklich, aber da
kann man halt nichts machen.“).
•
Konstruktive Arbeitsunzufriedenheit
: Der Soll-Ist-
Vergleich fällt negativ aus, aber es wird der Versuch
unternommen, die reale Situation zu ändern („Mir
gefällt meine Arbeit momentan nicht, aber ich habe
bereits ein Gespräch mit meiner Vorgesetzten ver-
einbart, um etwas zu verändern.“).
Es mag logisch erscheinen die Qualität von Arbeit
nach dem Ausmaß der Arbeitszufriedenheit der Per-
sonen die sie ausführen, zu beurteilen, dennoch ist
Vorsicht vor diesem Schluss geboten. Denn Person
und Position sind nicht identisch. Das individuelle Zu-
friedenheitsempfinden steht in keinem eindeutigen
und linearen Zusammenhang mit der, soweit dies
möglich ist, objektiv messbaren Qualität der Arbeit.
Konstrukte wie Pseudo-Arbeitszufriedenheit spiegeln
das wider, indem sie darauf hinweisen, dass die In-
terpretation einer Arbeitssituation abhängig von einer
ganzen Reihe von Faktoren ist.
Ähnlich wie in der Fabel von Aesop, in der der Fuchs
die für ihn unerreichbaren Trauben für zu sauer er-
klärt und damit „zufrieden“ ist, sie nicht essen zu
können, werden Arbeitsumstände und –bedingungen
nicht deswegen objektiv besser, weil man aufgege-
ben hat, auf Besserung zu hoffen.
Diese methodische Verzerrung zeigt sich etwa deut-
lich in einer Analyse von Daten zur Arbeitszufrie-
denheit in einer ganzen Reihe von Ländern, in der
Mexiko und die Philippinen eine weit höhere Arbeits-
zufriedenheit als Länder wie Dänemark oder Norwe-
gen aufwiesen, die mit Sicherheit aber in den meis-
ten Dimensionen objektiv messbarer Arbeitsqualität
(Gesundheitsschutz, soziale Absicherung, usw.) sehr
viel bessere Regelungen haben.
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Kernelemente guter Arbeit
Viele Elemente guter Arbeit können intuitiv identifi-
ziert werden (z.B. Schutz vor Unfällen und gesund-
heitlichen Gefahren, gute soziale Beziehungen mit
Kollegen und Vorgesetzten,…), dennoch macht es
Sinn, sich dem Konzept guter Arbeit systematisch
anzunähern. Unterschieden werden kann, folgend
der Systematik einer Studie des Europäischen Par-
6 vgl. Fietze (2011), S. 3
7 vgl. ebda, S. 3
8 Fuchs (2006), S. 59
9 vgl. Muñoz de Bustillo et al.(2009), S. 35