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WISO Seite 39

los, so viele wie noch nie in der Union. Trotz einer

vergleichsweise guten wirtschaftlichen Position kann

sich Österreich dieser Entwicklungen nicht entziehen

und hat mit steigenden Arbeitslosenzahlen zu kämp-

fen. Angesichts dessen: Ist es nicht wichtiger für aus-

reichend Arbeit zu sorgen, bevor man sich über die

Qualität Gedanken machen sollte?

Eine solche Argumentation verliert wesentliche ge-

sellschaftspolitische Ziele aus den Augen. Denn Le-

bensqualität – die jeweils individuelle und die der ge-

samten Gesellschaft - wird über weite Strecken von

der Qualität der verrichteten Arbeit geprägt.

Arbeit qualitativ hochwertig zu gestalten, d.h. für gute

Arbeitsbedingungen in einem umfassenden Sinn zu

sorgen, ist, neben dem Schaffen von Arbeitsplätzen,

eine gleichrangige und eigenständige Zielsetzung.

Gerade in Zeiten der Krise ist es wichtig, die Qualität

von Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren. Denn

gerät der Arbeitsmarkt unter Druck, verschieben sich

die relativen Machtverhältnisse zwischen Arbeitneh-

merInnen und ArbeitgeberInnen und die Akzeptanz

schlechter bzw. verschlechterter Arbeitsbedingungen

steigt - erzwungenermaßen.

Arbeitsqualität und Lebensqualität

Der Zusammenhang von Lebensqualität und Arbeits-

qualität beginnt bereits mit der Tatsache, dass ein

großer Teil des aktiven Zeitbudgets in und mit der

Arbeit verbracht wird. Im Durchschnitt verbringen

die Österreicherinnen und Österreicher 38 Stunden

mit Arbeit. Männer 42 Stunden, Frauen, die sehr viel

häufiger Teilzeit arbeiten, 33 Stunden.

2

Viel Zeit, die

unter gesunden, abwechslungsreichen und doch he-

rausfordernden Bedingungen verbracht werden soll-

te.

Arbeit ist darüber hinaus immer auch eine Plattform

sozialer Kontakte und sozialer Integration – zu Kol-

leginnen und Kollegen, Vorgesetzten, Geschäfts-

partnern usw. Für die Entwicklung der eigenen

Persönlichkeit ist Arbeit von großer Bedeutung, im

Guten wie im Schlechten. Im besseren Fall findet

eine Identifikation mit der Arbeit statt, erscheint diese

als persönlich sinnvoll und die eigene Persönlichkeit

wächst daran. Oder aber, im schlechteren Fall, wird

Arbeit als Verschwendung der eigenen Lebenszeit,

als sinnlos und „entfremdet“ empfunden.

Qualitätsvolle Arbeit zu wollen und einzufordern ist

deshalb auch kein „Jammern auf hohem Niveau“,

sondern ein vernünftiges Anstreben einer höheren

Lebensqualität. Dies gilt auf einer individuellen Ebe-

ne, ebenso wie auf der Ebene der gesamten Gesell-

schaft. Denn in der Art und Weise, wie Arbeit gestal-

tet ist, manifestieren sich viele der sozialpolitischen

Errungenschaften der letzten Jahrzehnte und Jahr-

hunderte. Die Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu schaf-

fen, darf das Ziel qualitätsvoller Arbeit nicht überde-

cken, sondern beides muss im Einklang miteinander

fortentwickelt werden, soll ein nachhaltiger sozialer

Entwicklungsfortschritt daraus entstehen.

Produktivität und qualitätsvolle Arbeit

Neben gesellschaftspolitischen Überlegungen gibt

es ebenso volkswirtschaftliche Gründe, die Qualität

von Arbeit als wichtige Zielgröße zu verstehen, denn

diese hat Einfluss auf die Produktivität von Arbeit-

nehmerinnen und Arbeitnehmern. Für wissens- und

kompetenzintensive Jobs konnte in Studien ein po-

sitiver Zusammenhang zwischen der Qualität der

Arbeit und der Produktivität hergestellt werden.

3

Der

Qualitätsvolle Arbeit war und ist keine Selbstverständlich-

keit. Weder in den Industrieländern...

(hier: Arbeiter in einer amerikanischen Nähfabrik vor rund

hundert Jahren).

© Kheel Center, Cornell University

... und schon gar nicht in den Entwicklungsländern.

(hier: Näherinnen in einer chinesischen Fabrik in Shenzen,

1998)

© ILO in Asia and the Pacific

2

Statistik Austria - Arbeitszeit seit 2004

3

vgl. Royuela, Suriñach (2009), S. 31