Tiroler Arbeiterzeitung - page 7

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Nr. 42, Juli | August 2012
Jeder Beschäftigte sollte exakte
tagesaktuelle Arbeitszeitaufzeich-
nungen führen. Formulare dazu
gibt’s auf
oder mit-
tels AK-Zeitspeicher, den es als App
zum Download gibt. Im Zweifelsfall an
die AK-Juristen wenden.
Die eigene
Arbeit richtig verkaufen
Gehalt.
Bewerber sollten ihren Marktwert und ihre Schmerzgrenze kennen.
F
ranz hat eine erfolgreiche Bewer-
bung formuliert. Sein Lebenslauf
hat überzeugt, er wurde zum Be-
werbungsgespräch eingeladen. „Wie sind
Ihre Gehaltsvorstellungen?“, ist dann
eine der häufigsten Fragen. Nun geht es
ans richtige Verhandeln. Einerseits gibt
der künftige Arbeitgeber ein Richtmaß
bereits im Inserat vor. In Stellenanzei-
gen muss die Mindestentlohnung in
Euro stehen und auch eine allfällige Be-
reitschaft zur Überzahlung. Die Angabe
„Bezahlung laut Kollektivvertrag“ reicht
nicht aus. Die ausgeschriebene Entloh-
nung soll als Orientierung dienen.
Andererseits hat auch der Bewerber
seine Vorstellungen. Beim Gehaltsver-
handeln müssen einem zwei Dinge klar
sein: Was ist meine absolute Schmerzgrenze? Und:
Wo liegt mein Marktwert? Man sollte eine Zahl parat
haben, wenn man danach gefragt wird. Recherchie-
ren Sie in Ihrem Umfeld, was in Ihrer Branche oder
in Ihrer Position übliche Gehälter sind. Die Gehalts-
vorstellungen sollten realistisch sein. Verlangt man
mehr, sollte man das auch argumentieren können.
Etwa, weil man Zusatzqualifikationen, Fremdspra-
chenkenntnisse oder Ähnliches hat. Wichtig ist auch,
nicht nur das Gehalt, sondern auch mögliche Ne-
benleistungen anzusprechen. Vereinba-
rungen zu Mehrarbeit und Überstunden,
leistungsbezogenen Entgeltbestandtei-
len, Zulagen, Aufwandsentschädigungen
sowie Gleitzeit und Teilzeit müssen be-
sonders sorgfältig überprüft werden.
Aufwandsentschädigungen (Kilometer-
geld) können ebenfalls enthalten sein.
Taggelder, Kilometergeld usw. sollte al-
lerdings extra bezahlt werden.
Oft werden auch sogenannte All-
inclusive-Verträge (siehe auch Bericht
oben) angeboten. Beim All-in-Vertrag
gilt das Günstigkeitsprinzip: Nachteile
gegenüber einem klassischen Arbeits-
vertrag sollen nicht entstehen, kollektiv-
vertragliche und gesetzliche Ansprüche
müssen erfüllt sein. Nicht fehlen darf:
Angabe des Mindestgehalts ohne Überstunden laut
Kollektivvertrag; Aufzeichnung der tatsächlichen Ar-
beitszeiten; Aufzählung, was im All-in-Vertrag abge-
golten ist und was extra bezahlt wird; Vereinbarung,
wie das All-in-Gehalt jährlich zu erhöhen ist.
<<
Ich bin was wert.
Beim Gehaltverhandeln geht es darum, die eigene Leistung
auch richtig zu verkaufen.
Immer da.
Laut Schätzungen ist schon jeder dritte Beschäftigte für den Chef auch in seiner
Freizeit telefonisch oder mittels E-Mail erreichbar. Die Gefahr von Selbstausbeutung steigt.
A
rbeitsrechtlich gesehen gibt es
keinen Zwang zur ständigen
Erreichbarkeit über Handy
oder Mail. Aber es gibt bestimmte Ar-
beitsformen, die den ständigen Arbeits-
einsatz forcieren. Dazu zählen etwa
All-Inclusive-Verträge oder aber die so-
genannte Rufbereitschaft.
Stellten solche Verträge in Österrei-
ch früher die Ausnahme dar und wa-
ren eher auf Management-Ebene und
Außendienstmitarbeiter beschränkt, so
findet man sie heute in vielen Branchen.
Rufbereitschaft.
Bei einer
Rufbereitschaft wird mit dem Arbeit-
geber vereinbart, dass der Mitarbeiter
zu bestimmten Zeiträumen für eine
allenfalls erforderliche Arbeitsaufnah-
me abrufbereit, also erreichbar sein
muss. Der Aufenthaltsort selbst darf
aber vom Arbeitnehmer grundsätz-
lich frei gewählt werden.
Auch die bloße Bereitschaftszeit ist
zu entlohnen, wobei ein geringeres
Entgelt als für die Normalarbeitsstun-
den vereinbart werden kann. Oft-
mals sehen Kollektivverträge eigene
Entlohnungssätze für die Rufbereit-
schaftszeit vor.
Mit dem Abruf zur Arbeitsleistung
beginnt die eigentliche Arbeitszeit
- also zum Beispiel mit dem Verlas-
sen der Wohnung, um in die Arbeit
zu fahren oder mit der telefonischen
Erteilung von Informationen von zu
Immer für den Chef da,
das darf nicht sein!
Erschöpft.
Wenn Arbeit und Freizeit vermischen, gilt es, rechtzeitig Grenzen zu ziehen.
Ich bin dann
mal weg
F
ür jeden einzelnen ist wichtig,
rechtzeitig Grenzen zu ziehen.
Die Arbeitszeit darf ein geregeltes
Maß nicht überschreiten. Hin und
wieder hilft nur eines: Firmen-
Handy außerhalb der Arbeits-
zeit ausschalten! So mancher
Beschäftigte ist überrascht, wie
niedrig das vermeintlich gute Ge-
halt plötzlich wirkt, wenn man es
in Relation zu den tatsächlich ge-
arbeiteten Stunden setzt.
AUS DEM ÖGB
Höhere Löhne
erreicht
I
n einigen Branchen gibt es mehr
Geld für die Beschäftigten, berich-
tet der ÖGB Tirol.
Schuhindustrie:
Mit 1. Juni gibt es
eine Erhöhung der KV-Gehälter um
3,9 %, Aufrundung auf einen vollen
Euro. Erhöhung der Ist-Gehälter bis
2.100 € um 3,8 %, maximal 130
€. Ab 2.100 € um 3,5 %, maximal
130 €. Urlaubsgeld wird von der er-
höhten Basis berechnet, schon aus-
bezahlte Urlaubsgelder werden mit
der nächsten Abrechnung nachver-
rechnet. Erhöhung der Lehrlings-
entschädigungen um 3,9 %
Bekleidungsindustrie und indus-
trielle Wäschereien:
Mit 1. Juli
erfolgte eine Erhöhung der KV-Ge-
hälter, der Ist-Gehälter, Lehrlings-
entschädigungen, allfälliger Zula-
gen, Zuschläge, Prämien um 3,65
%. Der Urlaubszuschuss wird von
der erhöhten Basis berechnet, un-
abhängig vom Auszahlungstermin.
Bildung von Arbeitsgruppen zu den
Themen Ausnahmen zum Rahmen-
kollektivvertrag für Angestellte der
Industrie und Anrechnung von Ka-
renzzeiten.
Post AG:
Ab 1. Juli gilt für den
KV-alt: Erhöhung der KV-Gehälter,
Beamtenbezüge, Sondervertrags-
gehälter, Nebengebühren und Zula-
gen um 3,2 %.
KV-neu: Erhöhung der KV-Gehäl-
ter für MA, die dem KV neu unter-
liegen, um 3,25 %.
Briefzusteller
im KV neu erhal-
ten ab 1. September zusätzlich eine
Überstundenpauschale von monat-
lich 84 €. Für Briefzusteller tritt
parallel eine neue Ist-Zeit-Regelung
in Kraft (wie für die übrigen Be-
schäftigten in der Briefzustellung).
Geltungsbeginn: 1. Juli (vorbehalt-
lich der Zustimmung des Aufsichts-
rates und des Bundesvorstandes
der Gewerkschaft).
ARBEITSRECHT
Experten im
Dauer-Einsatz
D
ie 30 Expertinnen und Experten
der arbeitsrechtlichen Abtei-
lung in der AK-Zentrale in Innsbruck
und in den acht Bezirkskammern
haben viel zu tun. Allein im letzten
Jahr haben sich 123.000 Arbeit-
nehmer in Innsbruck bzw. in den
AK-Bezirkskammern
persönlich
und telefonisch arbeitsrechtlich
beraten lassen. Die AK Tirol hat
dabei insgesamt mehr als 14 Mil-
lionen Euro für
die Betroffenen
erkämpft. In 700
Fällen zog die AK
für die Betrof-
fenen vor Gericht,
mit hoher Erfolgs-
quote (cirka 90 %). Die telefonische
hat gegenüber der persönlichen
Beratung zugenommen, auch über
das Internet werden immer mehr
Anfragen gestellt.
Foto:Klaus-PeterAdler.com
THEMA:
ARBEIT & RECHT
Hause aus. Diese Arbeitszeit ist dann
voll zu entlohnen und falls dadurch
die tägliche oder die wöchentliche
Normalarbeitszeit überschritten wird,
liegen Überstunden vor, die mit dem
Überstundenzuschlag abzurechnen
sind. Leisten Teilzeitbeschäftigte auf-
grund der Rufbereitschaft Arbeiten,
so handelt es sich um Mehrarbeit, die
entweder durch Zeitausgleich oder
mit dem Mehrarbeitszuschlag abzu-
gelten ist.
Außerhalb der Arbeitszeit.
Rufbereitschaft außerhalb der Ar-
beitszeit darf aber höchstens an zehn
Tagen pro Monat (laut Kollektiv-
vertrag an 30 Tagen innerhalb eines
Zeitraums von drei Monaten) und
während zwei wöchentlichen Ruhe-
zeiten vereinbart werden. Falls der
Arbeitnehmer während der Rufbe-
reitschaft Arbeiten leistet, darf die Ta-
gesarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden
ausgedehnt werden, falls innerhalb
von zwei Wochen ein entsprechender
Ausgleich durch einen längeren Frei-
zeitblock erfolgt. Weiters darf die täg-
liche Ruhezeit unterbrochen werden,
wenn innerhalb von zwei Wochen
eine andere tägliche Ruhezeit um vier
Stunden verlängert wird.
Allerdings steht dem Arbeitneh-
mer jedenfalls eine Ruhezeit von
acht Stunden zu – dauert daher die
Arbeit während der Ruhezeit länger,
so verschiebt sich der Arbeitsbeginn
am nächsten Tag jedenfalls soweit, als
die Mindestruhezeit von acht Stun-
den eingehalten wird. Die dadurch
ausgefallenen Arbeitsstunden (also
vom vorher geplanten Arbeitsbeginn
bis zum tatsächlichen Arbeitsantritt
nach acht Stunden Ruhezeit) müssen
auf die Arbeitszeit angerechnet und
bezahlt werden.
<<
Foto: JeanB./Fotolia.de
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