Tiroler Arbeiterzeitung - page 4

4
Nr. 65, Juli | August 2014
THEMA:
RECHT & KONSUMENT
S
trenger reglementiert werden
seit 13. Juni 2014 nicht nur der
vieldiskutierte Internet-Han-
del, sondern auch Haustürgeschäfte,
Werbefahrten und Telefonverkäufe.
Bessere Information
Unternehmer müssen Verbrauchern
vor Vertragsabschluss bestimmte In-
formationen an die Hand geben. Das
gilt für den stationären Handel, aber
auch für Vertragsabschlüsse außerhalb
eines Geschäftslokals und im Fernab-
satz, wie z. B. für den Onlinehandel
oder den telefonischen Vertrieb. Die
Informationen betreffen vor allem
Name und Anschrift des Unterneh-
mens, wesentliche Eigenschaften der
Leistung, Gesamtpreis, Zahlungs-,
Liefer- und sonstige Leistungsbedin-
gungen, Laufzeit und Kündigung des
Vertrags.
Längere Rücktrittsfrist
Bei Vertragsabschlüssen außerhalb
eines Geschäftslokals sowie im Fern-
absatz (Online-Handel, Telefonver-
trieb) wurde die Rücktrittsfrist von 7
Werktagen auf jetzt 14 Kalendertage
ausgedehnt. Das Rücktrittsrecht steht
in den meisten Fällen auch dann zu,
wenn Verbraucher den Vertrag selbst
angebahnt haben.
Risiko bei Versand
Haben Verbraucher und Unternehmer
die Versendung der Ware vereinbart,
trägt seit Juni der Unternehmer das
Risiko, wenn die Ware beim Transport
beschädigt wird oder verloren geht. Er
haftet. Der Verbraucher muss aber eine
der vom Unternehmer angebotenen
Versendungsmöglichkeiten nützen.
Kosten für Retouren
Im Internet-Handel können Online-
Shops die Kosten einer Warenrück-
gabe (Rückversand) ihren Kunden
verrechnen. Achtung: Händler müssen
die Kunden aber im Voraus informie-
ren, dass die Retouren etwas kosten.
Telefonverkauf
Wird am Telefon ein Vertrag abge-
schlossen, sind solche Verträge un-
wirksam, wenn es sich dabei um einen
Vertrag im Zusammenhang mit einer
Gewinnzusage, eine Wett- oder Lot-
teriedienstleistung handelt, wie z. B.
über eine Spielegemeinschaft.
Werden sonstige Dienstleistungsver-
träge am Telefon abgeschlossen, muss
es nachträglich zu einer gesonderten
Bestätigung durch beide Vertrags-
partner kommen. Der Unternehmer
muss sein Angebot dem Verbraucher
nochmals zukommen lassen, z. B. per
Brief oder eMail. Erst bei schriftlicher
Bestätigung wird der Vertrag wirksam.
Die telefonische Kontaktnahme muss
dabei vom Unternehmer ausgehen.
„Button-Lösung“
Bei elektronisch abgeschlossenen Ver-
trägen, wie z. B. über den PC oder das
Smartphone, muss der Bestellknopf
(Button) mit „Kostenpflichtig bestel-
len“ oder einem ähnlich eindeutigen
Hinweis beschriftet sein. Unmittelbar
vor der Bestellung muss außerdem
hervorgehoben und klar über beson-
ders wichtige Vertragsinhalte infor-
miert werden.
<<
Voreinstellungen im
Internet verboten
F
ührt der Unternehmer eine
Vereinbarung über eine Zu-
satzleistung, wie eine Versiche-
rung, die extra
kostet, über
eine „Vorein-
stellung“
im
Internet her-
bei, d. h. setzt
er das Häk-
chen von vornherein, und muss
der Verbraucher aktiv werden
und es löschen, wenn er diese
Leistung nicht möchte, ist die-
se Vereinbarung nicht wirksam.
Aber auch sonst im Geschäftsle-
ben müssen Verbraucher künftig
entgeltlichen Zusatzleistungen
ausdrücklich zugestimmt haben.
Ohne Zustimmung kassierte Zu-
satzentgelte müssen zurückbe-
zahlt werden.
Neue Spielregeln
für Konsumenten
So funktioniert das
„Vergessen“ bei Google & Co.
Urteil.
Der Europäische Gerichtshof gibt Usern mehr Möglichkeiten, Links zu unangenehmen Informationen aus
ihrer Vergangenheit aus dem Netz löschen zu lassen. Fragen und Antworten zur Entscheidung im Überblick.
S
eit langem wird um die Frage
gestritten, ob es ein Recht auf
Vergessen im Internet gibt. Der
Europäische Gerichtshof (EuGH) sagt
Ja, wenn es um unliebsame Daten aus
der Vergangenheit eines Menschen geht,
die Dritte über ihn eingestellt haben.
Suchmaschinenbetreiber wie Google &
Co. müssen die Links dazu löschen.
Was besagt das Urteil?
Das Urteil stellt klar, dass Suchmaschi-
nen wie Google für die Einhaltung des
Datenschutzes verantwortlich sind. Der
Suchmaschinenbetreiber ist „Verant-
wortlicher“ für die Verarbeitung per-
sonenbezogener Daten. Für die Nutzer
bedeutet dies konkret, dass ihnen das
Recht auf Auskunft, Löschen und Rich-
tigstellen von personenbezogenen Da-
ten zukommt. Suchmaschinenbetreiber
müssen auf Antrag Links zu Webseiten
mit persönlichen Daten aus ihren Er-
gebnislisten entfernen, wenn diese die
Rechte eines Betroffenen verletzen, weil
sie etwa nicht mehr relevant oder über-
holt sind.
Welche Daten können
gelöscht werden?
Es sind unzählige Fälle und Szenarien
denkbar, in denen Personen bestimmte
Informationen zu ihrer Person löschen
lassen wollen. Google-Suchergebnisse
sind für die Wahrnehmung einer Person
enorm wichtig, etwa für die Beurteilung
der Kreditwürdigkeit uvm. Mithilfe von
Verknüpfungen können ganze „Profile“
über Bürger erstellt werden. Vielfach
kursieren veraltete, falsche, missver-
ständliche oder sonst potentiell schäd-
liche Informationen im Internet. Bei
Suchmaschinen kommt noch dazu, dass
Informationen aufscheinen, die auf den
ursprünglichen Internetseiten längst
nicht mehr vorhanden sind.
Ist der Nachweis eines
Schadens notwendig?
In zahlreichen Fällen werden Betroffene
nun erfolgreich potenziell schädliche
oder unangenehme Informationen in
Suchmaschinen löschen lassen können.
Es ist kein Nachweis erforderlich, dass
ein konkreter Schaden eingetreten ist.
Wichtig ist aber, dass das Löschungs-
recht nicht automatisch und unbedingt
besteht, sondern im Einzelfall immer in
Abwägung verschiedener Grundrechte
zu treffen ist: Es hängt von der Art der
Information und deren Sensibilität für
das Privatleben der Person sowie vom
Interesse der Öffentlichkeit am Zugang
zu dieser Information ab.
Achtung:
Die Suchmaschine stellt
Informationen zusammen, die schon
im Internet vorhanden sind, das heißt,
dass man unabhängig von der Such-
maschine gegen die jeweiligen Inter-
netseitenbetreiber vorgehen muss, um
ungewünschte Einträge dort löschen zu
lassen.
Was hat der Einzelne
vom Urteil?
User erhalten mehr Kontrolle über per-
sonenbezogene Informationen – selbst
wenn die Daten aus öffentlichen Quel-
len stammen. Bisher hatte es ein Bür-
ger sehr schwer, Links löschen zu las-
sen, weil Google & Co. bestritten, für
die Verarbeitung von Daten zuständig
zu sein. In ähnlichen Fällen gab es in
der Vergangenheit lange Rechtsstreitig-
keiten.
Wie lässt man einen
Link löschen?
Betroffene können sich direkt an den
Suchmaschinenbetreiber bzw. seine
Niederlassungen oder Tochterunterneh-
men wenden. Für Österreich: Google
Inc in USA und Google Austria GmbH
inWien. Den schriftlichen Antrag sollte
man aus Beweisgründen per Einschrei-
ben mit Rückschein versenden. Bei-
legen sollte man die entsprechenden
Screenshots, einen Identitätsnachweis
sowie eine kurze Erklärung, weshalb die
Einträge zu löschen seien. Klappt die
Löschung nicht, muss man vor Gericht
klagen. Rechtsgrundlage dafür ist § 32
Datenschutzgesetz.
<<
Gläserner Mensch.
User erhalten mehr Kontrolle über personenbezogene
Daten bei Google & Co.
Mehr Rechte.
Neue EU-Richtlinie über Verbraucherrechte soll Kunden seit Juni auch bei
Online-Bestellungen das Leben erleichtern. Die Neuerungen im Detail lesen Sie hier.
REINE TELEFONKOSTEN
Kein Geschäft mit
Service-Nummern
W
ird vom Unternehmer
eine Service-Telefonnum-
mer angeboten, über die der
Verbraucher in Bezug auf einen
geschlossenen Vertrag Kontakt
aufnehmen kann, um etwa Ge-
währleistungsrechte
geltend
zu machen, dürfen dem Konsu-
menten dafür nur die reinen Te-
lefonkosten verrechnet werden.
Mehrwertnummern können da-
her nicht mehr verwendet wer-
den. Die neuen Regelungen be-
ziehen sich auf Verträge, die ab
dem 13. Juni 2014 geschlossen
werden. Es gibt aber Bereiche,
die ausgespart bleiben, und man-
che, für die einzelne Regelungen
erst später gelten. Nicht gerade
einfach in der Praxis!
Verbesserungen.
Speziell bei Internet-Handel, Haustürgeschäften, Werbefahrten und Telefonverkäufen hatten Konsumenten
oft das Nachsehen. Deshalb bringt eine EU-Richtlinie seit Juni strengere Regeln, die Unternehmen einhalten müssen.
ZUSTIMMUNG NÖTIG
Bei Fragen informieren die
AK Konsumentenschützer unter
0800/22 55 22 – 1818
!
Mehr Infos dazu bei den AK Konsu-
mentenschützern unter der Hotline
0800/22 55 22 – 1818.
!
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12
Powered by FlippingBook