Tiroler Arbeiterzeitung - page 10

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THEMA:
POSITIONEN
Comeback der
großen Vermögen
Bestseller von Thomas Piketty.
Soeben ist sein „Kapital im 21. Jahrhundert“ auf Deutsch erschienen.
E
s ist ein unwahrscheinlicher
Bestseller: Ein volkswirtschaft-
liches Buch, knapp 700 Seiten
stark, übersät mit eher unansehnlichen
Graphiken und zudem nicht gerade
billig.
Und trotzdem: Im April 2014 er-
reichte „Das Kapital im 21. Jahrhun-
dert“ des französischen Ökonomen
Thomas Piketty in der englischspra-
chigen Ausgabe („Capital in the Twen-
ty-First Century“) den ersten Rang in
den Amazon-Verkaufs-Charts. Anfang
Oktober erschien der Bestseller auf
Deutsch.
Das Buch kam wohl gerade zur rech-
ten Zeit. Fragen der Vermögensvertei-
lung sind nach der globalen Finanz-
und Wirtschaftskrise ins Zentrum der
Aufmerksamkeit gerückt.
Und so fasst das Buch Pikettys lang-
jährige Forschungen zur Verteilung von
Einkommen und Vermögen zusam-
men. Piketty, Jahrgang 1971, glaubt,
dass die Vermögensverteilung wieder so
ungleich werden könnte, wie Ende des
19. Jahrhunderts, als etwa 90 % aller
Vermögen den reichsten 10 % gehörten
und die Privatvermögen das Bruttoin-
landsprodukt um das Sechs- bis Sieben-
fache überstiegen.
WenigWachstum.
Warum sollte
das so kommen? Alles hat mit dem
Nr. 67, Oktober 2014
Thomas Piketty
untersuchte für sein Buch Daten aus 20 Ländern mit Rückgrif-
fen bis ins 18. Jahrhundert, um verschiedenste Muster freizulegen.
Verhältnis von Wirtschaftswachstum
und den Renditen für Kapitalbesitz zu
tun. Piketty prognostiziert, dass in den
kommenden Jahren in den industriali-
sierten Ländern nur mit einem gerin-
gen Wirtschaftswachstum zu rechnen
sei. Außer in Aufholphasen, wie etwa
nach dem Zweiten Weltkrieg, hat es
geschichtlich keine entwickelte Volks-
wirtschaft geschafft, permanent mit
über 1,5 % pro Jahr zu wachsen.
Kapitalbesitzer bevorzugt.
Aber niedriges Wachstum benachtei-
ligt die Einkommensempfänger und
bevorzugt die Kapitalbesitzer. Denn
stets, wie historische Zeitreihen zeigen,
lagen die Renditen für Kapitalvermö-
gen (z. B. Profite, Dividenden, Zinsen,
Mieteinnahmen) über den Zuwächsen
für Arbeitseinkommen. Aber auch der
Steuerwettbewerb zwischen den Staa-
ten und der technologische Fortschritt
bevorzugen Kapitalvermögende. Des-
halb konzentrieren sich die Vermögen
immer mehr bei denjenigen, die be-
reits viel haben, während Menschen
ohne Vermögenswerte weiter zurück-
fallen.
Piketty bezeichnet dies als die Rück-
kehr des „patrimonialen Kapitalis-
mus“, also einer Wirtschaftsform, in
der die über Generationen vererbten
Vermögen wesentlich darüber bestim-
men, welche Einkommenshöhe ein
Mensch erreichen kann.
Globale Vermögenssteuer.
Pi-
ketty schlägt deshalb eine globale Ver-
mögensbesteuerung mit einem progres-
siven Steuersatz vor: Unter eine Million
Euro würden demnach keine Steuern
anfallen, zwischen eine und 5 Millio-
nen Euro wäre ein Prozent fällig, bei
noch größeren Vermögen ein Prozent-
satz von 2 %. Dazu wäre auch ein au-
tomatischer, hochgradig transparenter
Datenaustausch zwischen den Finanz-
verwaltungen und dem Bankensystem
notwendig. Denn, wie Piketty betont,
die wahren Vermögensverhältnisse auf
der Welt sind schlecht erforscht, nie-
mand weiß genau, wie groß die Vermö-
gen tatsächlich sind, und wer sie hält.
Eine solche Steuer hätte nicht das vor-
rangige Ziel, Geld für den Fiskus zu lu-
krieren, sondern eine Systemschwäche
in unserer Wirtschaft zu beheben. Denn
eine immer ungleichere Verteilung der
Vermögen wiederspricht auf Dauer ei-
ner Gesellschaft, die Chancengleichheit
für alle als wichtig erachtet.
<<
IM TUNNEL
Abblendlicht
nicht vergessen!
I
mmer wieder kommt es vor,
dass Autofahrer im Tunnel ver-
gessen, das Licht einzuschalten,
oder diese nur mit dem soge-
nannten Tagfahrlicht befahren.
Gemäß
Kraftfahrzeuggesetz
muss im Tunnel aber jedenfalls
das Abblendlicht verwendet wer-
den. Mit dem Abblendlicht strah-
len auch die Schlussleuchten
rotes Licht nach hinten ab. Das
Verwenden des Tagfahrlichtes,
das bis 2008 tagsüber vorge-
schrieben war, ist im Tunnel so-
mit nicht ausreichend!
Beim Tagfahrlicht war es bei-
spielsweise nicht vorgeschrie-
ben, dass gleichzeitig auch die
Schlussleuchten rotes Licht
nach hinten abstrahlen müs-
sen. Daher empfiehlt die Arbei-
terkammer den Autofahrern,
beim Befahren von Tunneln
genau darauf zu achten, dass
das Abblendlicht eingeschaltet
ist. Damit wird nicht nur eine
mögliche Strafe verhindert, son-
dern es dient vor allem auch der
Verkehrssicherheit, da das Auto
gut erkennbar bleibt und ge-
fährliche Situationen vermieden
werden können.
AK-Fraktionen zum Thema:
Steuergerechtigkeit für alle Gruppen
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Erwin Zangerl,
AK Präsident
D
ie Arbeitnehmer-Familien stöhnen unter stei-
genden Belastungen und sinkenden Löhnen. Und
dazu müssen sie noch für zwei Drittel aller Steuern auf-
kommen! In Zeiten der Wirtschaftskrise müsse man
sparen, lautete die Devise, während andere inzwischen
ihre Millionenvermögen steuerschonend vermehren
konnten. Doch jetzt, da die Beschäftigten zu hundert-
tausenden unsere Aktion „Lohnsteuer senken“ unter-
schrieben haben, wird der Mittelstand gezielt mit den
plattesten Argumenten verunsichert. Genau von jenen
Gruppen, die bisher am wenigsten zum Staatswohl bei-
getragen haben. Was soll man den Arbeitnehmer-Familien denn noch wegneh-
men – in Zeiten, in denen mit dem Urlaubsgeld die Kinderbetreuung bezahlt wird,
und mit demWeihnachtsgeld die Heizmittel? Genau deshalb fordern wir Steuer-
gerechtigkeit statt billiger Taschenspielertricks und endlich eine Lohnsteuer-Re-
form statt plumper Verunsicherungen. Es geht nicht um das Eigenheim oder das
Sparbuch der Oma! Es geht um Steuergerechtigkeit, zu der endlich alle Gruppen
ihren fairen Anteil leisten müssen.
<<
grüne in der ak
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
R
eich wird Mann/Frau nicht durch Arbeit! Meist
wird Reichtum vererbt und dann noch vermehrt. In
Österreich wird der ganze Prozess auch noch durch die
niedrige Vermögensbesteuerung beschleunigt. Jedes
Jahr neue Rekordraten an Vermögenszuwächsen. Bei
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern scheint jeder ver-
diente Euro auf und muss versteuert werden – bei gut
Verdienenden mit bis zu 50 %, aber bei sehr gut Verdie-
nenden dann auch nur mehr mit maximal 50 %. Unser
aktuelles Steuersystem führt zu einer Umverteilung des
Volksvermögens von der Mehrheit zu einer immer kleineren Gruppe. Und gerade
die jammert aktuell besonders laut. Große Vermögen und große Vermögenszu-
wächse zahlen praktisch gar nichts mehr in den Steuertopf. Große Firmen mit Mil-
liardengewinnen können sich überhaupt, oft nur mit einer Briefkastenfirma in einer
Steueroase, ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung entziehen. Den Staaten
der EU sollen alleine dadurch jedes Jahr 1.000 Milliarden Euro an legal zu entricht-
enden Steuern entgehen. Es geht nicht um Neid, aber es geht um Gerechtigkeit!
<<
freiheitliche arbeitnehmer in der ak
Franz Ebster,
Fraktionsobmann
G
ewinn- und Kapitaleinkommen freuen sich über im-
mer weniger Besteuerung. Die Beschäftigten müs-
sen durch Lohn- und Mehrwertsteuer den Großteil der
Staatsausgaben tragen. Diese Steuerungerechtigkeit ist
unerträglich. Das Argument der Kapitalflucht, falls man
auf Vermögen zugreift, kann ich nicht nachvollziehen.
Vermögende schätzen an Österreich die Sicherheitslage,
den Rechtsstaat, die Infrastruktur, das Umfeld, in dem
sie leben. All das wird durch Steuern finanziert und auf-
rechterhalten, zum Großteil, wie schon erwähnt, durch
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für wahre Steuergerechtigkeit gehört
ein Steuergesetz gemacht, das auch der kleine Mann versteht, nachvollziehen
kann und das alle Einkünfte beinhaltet. Es ist höchste Zeit, den Faktor Arbeit zu
entlas­ten. Man sollte sich hüten, die anstehende Lohnsteuersenkung durch die
Beschäftigten finanzieren zu lassen: Keine Grausamkeiten, wie volle Besteuerung
von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, oder eine neue CO
2
-Steuer! Das wäre nicht
tragbar für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
<<
Sozialdemokratische GewerkschafterInnen
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
E
s reicht, wir zahlen zu viel Lohnsteuer. Der Blick auf
den Lohnzettel lässt viele Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer aufgrund der Steuerlast verzweifeln. Für
ein durchschnittliches Tiroler Bruttoeinkommen von
2.252 Euro bezahlen wir momentan 3.824,96 Euro
jährlich an Lohnsteuer. Mit dem Modell von ÖGB und
AK, für das wir tirolweit bereits jetzt mehr als 125.000
Unterschriften gesammelt haben, wären es künftig
2.637,20 Euro weniger. Uns blieben 1.187,76 Euro
netto mehr im Jahr in den Taschen. Das brauchen
wir im teuersten Bundesland dringend. Das ruft natur-
gemäß neoliberale Kräfte auf den Plan, die uns Unfinanzierbarkeit vorwerfen.
Doch das Modell ist bestens durchdacht. Und ja, wir bekennen uns dazu, dass
Millionäre - aber sicher nicht die Häuslbauer oder Bausparer - künftig einen Teil,
sprich zwischen 0,5 und 1,5 Prozent ihres Millionenvermögens zu unserem Sys-
tem beitragen, um dafür die Lohnsteuerzahler zu entlasten. Die Zeit ist überreif
für eine Entlastung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir brauchen
dringend mehr Steuergerechtigkeit.
<<
Buchtipp:
Thomas Piketty, „Das
Kapital im 21. Jahrhundert“, Verlag
C. H. Beck, 1. Auflage (7. Oktober
2014), 29,95 Euro.
!
Vorsicht.
Das Verwenden des
Tagfahrlichtes ist im Tunnel nicht
ausreichend!
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