Tiroler Arbeiterzeitung - page 3

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THEMA:
OFFEN GESAGT
Nr. 68, November 2014
TAZ: Herr Präsident Zangerl, wo
orten Sie derzeit die Hauptpro-
bleme in Tirol?
Erwin Zangerl:
Wir brauchen drin-
gend gute Arbeit. Denn nur beste Qua-
lität und höhere Einkommen sichern
den Standort Tirol. Aufgrund der stei-
genden Arbeitslosenzahlen – aktuell
sind rund 28.000 Menschen in Tirol
auf Arbeitssuche – sieht es die Arbei-
terkammer als wichtigste Aufgabe, dass
Politik und Wirtschaft alles daran set-
zen, Arbeit zu schaffen und zwar mit
Konjunktur- und Investitionsmaß-
nahmen. Dafür müssen genügend Mit-
tel bereitgestellt werden.
TAZ: Welche Maßnahmen schlagen
Sie konkret vor?
Zangerl:
Wir müssen Beschäftigung
schaffen und Beschäftigung sichern.
Diese Forderung muss ein Schwer-
punkt im Budget sein, weil wir sonst
eine weitere und deutliche Erhöhung
der Arbeitslosigkeit erleben werden.
Nötig ist auch ein Kurswechsel in der
europäischen Budgetpolitik. Eine zu
harte Konsolidierungspolitik bremst
die Wirtschaft, erhöht die Arbeitslo-
sigkeit und bringt nicht die erwarteten
Konsolidierungserfolge.
TAZ: Welche weiteren Probleme be-
lasten den Arbeitsmarkt in Tirol?
Zangerl:
Dazu zählen auch die Billig­
anbieter und die zahlreichen Subunter-
nehmen aus dem Ausland, die auf den
Tiroler Markt drängen. Wir verlangen
Arbeit mit Qualitätssiegel. Das heißt
für uns nicht nur Qualität bei den hei-
mischen Produkten, sondern auch ein
Qualitätssiegel für Tirols Arbeitsplätze.
Es herrscht ein beinharter Konkur-
renzkampf unter dem Motto: Immer
schneller, immer billiger. Das kann es
nicht sein. Gut bezahlte Vollzeitarbeits-
plätze werden immer seltener, Teilzeit
und atypische Formen nehmen immer
stärker zu. Dazu führt die Öffnung des
Arbeitsmarktes gerade bei den niedrig
qualifizierten Arbeitnehmern zu einem
Verdrängungswettbewerb. Hier muss
sichergestellt werden, dass bei den aus-
ländischen Arbeitnehmern die arbeits-
und sozialrechtlichen Standards einge-
halten werden.
TAZ: Halten Sie Ihre Vorschläge für
eine Wohnbau-Offensive aufrecht?
Zangerl:
Absolut, doch da fehlt in Tirol
immer noch eine politische Aufbruch-
stimmung. Ich vermisse beim zuständi-
gen Wohnbaulandesrat die notwendigen
Weichenstellungen. Die Wohnungsnot
nimmt immer dramatischere Ausmaße
an, und die Kosten explodieren. Die
Grundstücksspekulanten haben das Sa-
gen und diktieren die Preise. Das Land
schaut zu, wie Ausländer ungeniert den
Grundverkehr umgehen, und schützt
beim landwirtschaftlichenGrundverkehr
eine immer kleinere Gruppe von Privi-
legierten. Derzeit haben die Bürger das
Gefühl, dass der Tiroler Grundverkehr
nicht vor Ausländern, sondern vor den
einheimischen Arbeitnehmer-Familien
schützt. Wir brauchen jetzt diese Offen-
sive im sozialen Wohnbau. Das schafft
Beschäftigung und macht die Mieten
für viele wieder erschwinglich. Dazu
gehört auch die Wohn­bauförderung
wieder zweckgebunden. Außerdemmüs-
sen auch die sozialen Dienste ausgebaut
werden, ebenso Kindergärten, Ganzta-
gesschulen und Pflegedienste. Das ist
ein wichtiger Beschäftigungsmotor und
wäre auch ein wesentlicher Impuls für
die bessere Vereinbarkeit von Beruf und
Familie. Parallel dazu müssen noch mehr
Anstrengungen unternommen werden,
um die Bildungsoffensive für die Be-
schäftigten voranzutreiben. Die mög-
lichst breite Vermittlung von Qualifikati-
on und guter Fachausbildung ist für den
Einzelnen nach wie vor das bes­te Rezept
gegen das Gespenst Arbeitslosigkeit.
TAZ: Wen sehen Sie in Tirol beson-
ders gefordert?
Zangerl:
Wir haben zwar einen Ar-
beitslandesrat und eine Wirtschaftslan-
desrätin, die beide umfangreiche Kom-
petenzen haben, aber für die aktuellen
Herausforderungen zu wenig innovativ,
und immer noch in alten Denkmustern
verhaftet sind. Zwar wächst in Tirol die
Zahl der Beschäftigten, aber auch die je-
ner, die Arbeit suchen. Neben wichtigen
Konjunkturmaßnahmen ist nun endlich
auch die Standortagentur gefordert. Im
Bereich der Standortpolitik ist es gera-
de jetzt besonders wichtig, neue und
attraktive Betriebe nach Tirol zu brin-
gen. Deshalb verlangen wir auch, dass
die bisherigen Leistungen der Tiroler
Standortagentur überprüft werden und
künftig die Arbeitnehmervertreter ein-
gebunden werden, um die Interessen der
Tiroler Beschäftigten, und nicht nur die
ansässigen Betriebe sicherzustellen. Im-
merhin geht es hier jährlich um 7 Milli-
onen Euro an öffentlichen Mitteln. Und
auch bei der Wirtschafts- und Landwirt-
schaftsförderung muss endlich Transpa-
renz einziehen. Die Tiroler haben ein
Anrecht darauf zu wissen, was mit ihren
Steuergeldern geschieht. Deshalb haben
wir die Transparenzdatenbank eingefor-
dert, die nun endlich öffentlich gemacht
wurde (siehe unten).
TAZ: Für wie wichtig halten Sie Ihre
Forderung nach einer Lohnsteuer-
Senkung?
Zangerl:
Die Beschäftigten brauchen
jetzt eine Lohnsteuer-Entlastung. Sie
dürfen nicht Opfer eines wildgewor-
denen Raubtierkapitalismus werden. AK
und ÖGB haben ein Modell dazu erar-
beitet. Jetzt ist die Regierung am Zug.
Wir haben mit unserer gemeinsamen
Aktion zur Senkung der Lohnsteuer
Schwung in die Diskussion gebracht
und eine österreichweiteWelle ausgelöst.
Rund 1.000.000 Bürger haben bereits
für das gemeinsame AK-ÖGB-Lohn-
steuer-Senkungsmodell unterschrieben.
Im Gegenzug sollen endlich Millionen-
vermögen, die Spekulanten und Glücks-
ritter anhäufen, einer gerechten Besteu-
erung unterworfen werden. Wir wollen
vor allem eine Entlastung bei den Ein-
kommen erreichen. Gerade in Tirol ist
das besonders wichtig, weil unsere Leute
ohnedies bei den Einkommen deutlich
nachhinken, und Leben und Wohnen
wieder finanzierbar werden müssen.
Die Tiroler Arbeitnehmer müssen sich
Eigentum schaffen können, statt dass
immer mehr Menschen von der Hand
in den Mund leben.
<<
Erwin Zangerl:
„Es geht um Wohlstand und Sicherheit der Tiroler Arbeitneh-
mer-Familien. Deshalb brauchen wir Konjunkturprogramme statt weiterer
Sparprogramme.“
Im Gespräch.
Am meisten sorgen sich die Tiroler um die Zukunft der Arbeit, fasst AK Präsident
Erwin Zangerl das Stimmungsbild unter den Arbeitnehmer-Familien zusammen.
Tirol braucht
Konjunkturprogramm
Förderdatenbank
wenig transparent
Im Netz.
Landesförderungen jetzt online, doch
der Verbleib von 29 Millionen Euro ist ungeklärt.
E
ine langjährige Forderung der
AK Tirol sieht AK Präsident Er-
win Zangerl zumindest teilweise
erfüllt: „Die Tiroler Förderdatenbank
ist endlich online, und jeder Bürger im
Land kann nachschauen, was mit un-
seren Steuermillionen tatsächlich pas-
siert. Damit kommt das Land unserer
Forderung nach Transparenz nach.
Doch unsere Befürchtungen haben
sich leider bewahrheitet. Zwar bestätigt
sich, dass das Land sehr viel Geld aus
Steuermitteln ausschüttet, doch sind
insgesamt 29 Millionen Euro an Förde-
rungen aus AK Sicht nicht zuordenbar.
Allein bei der Abteilung Wirtschaft
wird bei einer Summe von 28 Milli-
onen Euro an angegebenen Förder-
geldern im Detail nicht offengelegt,
wohin mehr als 20 Millionen Euro
dieser Steuermittel tatsächlich geflos-
sen sind! Wir erwarten uns umgehend
eine Offenlegung dieser Förderungen,
die doch irgendwer bekommen haben
muss“, so Zangerl.
„Das Gesetz sieht nur vor, dass För-
derungen bis 2.000 Euro nicht na-
mentlich veröffentlich werden, und
wenn die Einhaltung des Datenschut-
zes bzw. der Amtsverschwiegenheit
oder sonstige gesetzliche Verschwie-
genheitspflichten der Veröffentlichung
entgegenstehen. Wenn jemand eine
Wirtschaftsförderung beantragt, dann
kann das nicht dem Datenschutz un-
terliegen. Wirtschaft ist kein Geheim-
projekt, wo man sich auf Amtsver-
schwiegenheit berufen kann. Denn,
Wirtschaft sind wir ja alle, wie es so
schön heißt. Wir verlangen von der
Wirtschaftslandesrätin,
detaillierte
Auskunft über den Verbleib von mehr
als 20 Millionen Euro an Steuergel-
dern aus dem Bereich der Wirtschafts-
förderung zu geben. Wer sich hinter
dem Datenschutz versteckt, hat hof-
fentlich nichts zu verstecken,“ so der
AK Präsident.
Die AK fordert die Regierung und
die Abgeordneten auf, diese erstmals
veröffentlichten Daten zu analysieren
und den Einsatz der Steuermillionen
auf ihre Treffgenauigkeit zu überprü-
fen.
Die Förderdatenbank ist ab-
zurufen unter
(Tiroler
Fördertransparenzgesetz).
<<
GERECHTIGKEIT MUSS SEIN
VOM LOHN BLEIBT IMMER WENIGER.
Rechnen Sie sich aus,
was Ihnen unser
Steuermodell bringt:
mehrnetto.arbeiterkammer.at
Die Belastungen werden immer höher -
warum sollen immer wir Arbeitnehmer
alles finanzieren?
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