Tiroler Arbeiterzeitung - page 10

10
THEMA:
POSITIONEN
Belastend.
Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich sind hoch motiviert, sie dürfen aber aufgrund extremer
Arbeitsbelastung nicht ausbrennen.
Anlaufstelle für
Gesundheitsberufe
Rat und Hilfe.
Mitarbeitern im Gesundheits- und Sozialbereich steht in der AK Tirol eine spezielle
Servicestelle zur Verfügung. Derzeit läuft eine Studie zu den Arbeitsbedingungen in diesem Bereich.
F
ehlendes Personal, viel Arbeit
und schlechte Bezahlung: Die
Situation in den Tiroler Pflege-
heimen ist den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern bekannt. Die AK Tirol
hat als erste Kammer das Referat „Ge-
sundheit und Pflege“ eingerichtet, um
den Beschäftigten in diesem verant-
wortungsvollen Berufsfeld eine Anlauf-
stelle für ihre spezifischen Fragen und
Probleme anzubieten. Hier können sie
sich jederzeit an DKGS Mag. Daniela
Russinger (Tel. 0800/22 55 22 - 1644)
wenden.
Wichtige Initiativen konnten bereits
gesetzt werden, wie die Mitarbeit beim
Pflegekonsilium, Infoveranstaltungen
zu „Haftung der Gesundheitsberufe“,
i.v.-Medikation, Treffen mit Vertretern
aus allen Gesundheitsberufen, Organi-
sation des Informationsaustausches von
Mitarbeitern aus dem mobilen Bereich
mit Vertretern der TGKK sowie Infor-
mationsaustausch mit Mitarbeitern aus
dem MTD-Bereich.
„Wir müssen Politik und Gesellschaft
für die brennenden Probleme im Ge-
sundheits- und Sozialbereich sensibi-
lisieren und weitere Verbesserungen
erreichen. Das Pflegepersonal ist mit
der Situation vielfach überfordert, der
Kostendruck schlägt sich auf die Pfle-
ge- und Betreuungsqualität nieder.
Viele Beschäftigte im Gesundheits- und
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Erwin Zangerl,
AK Präsident
I
m Bereich Gesundheit und Pflege bestehen die
größten Chancen, in Tirol dringend benötigte neue
ganzjährige Vollzeitarbeitsplätze zu schaffen. Das
geht aber nur mit fundierter Ausbildung und entspre-
chender Qualifikations- und Berufsperspektive, or-
dentlicher Bezahlung, verbesserten Rahmenbedin-
gungen und einer Reduktion der Arbeitsbelastung.
Wir haben als erste Arbeiterkammer das Referat
„Gesundheit und Pflege“ eingerichtet, um den Mitar-
beitern in diesem verantwortungsvollen Berufsfeld
eine kostenlose und anonyme Anlaufstelle für ihre
spezifischen Fragen und Probleme anzubieten. Die AK Tirol erstellt derzeit
eine umfangreiche Studie zur Belastung der Beschäftigten im Bereich der
Gesundheits- und Pflegeberufe. Die Ergebnisse sind auch Grundlage für wich-
tige Forderungen gegenüber Bund, Land, Gemeinden bzw. Trägern der Pfle-
ge- und Gesundheitseinrichtungen, um für das Personal berufliche Verbesse-
rungen zu erreichen und die Anliegen als Interessenvertretung zielgerichtet
wahrzunehmen.
<<
EINFACH MIES
Schäbiger Umgang
mit Lehrling
G
enauso hatte sich der Be-
trieb das vorgestellt, dass
sein neuer Lehrling nämlich Aus-
löser eines reichen Fördersegens
wäre. Aber es kam anders.
Im vergangenen November
startete Benny voll Zuversicht als
Bürolehrling. Eine Unterfertigung
des Lehrvertrages durch den
Chef kam nicht zustande, da die-
ser die ihm in Aussicht gestellte
reguläre Basis-Lehrbetriebsför-
derung als zu niedrig erachtete.
Selbst die auch in einem solchen
Fall schriftlich zu erfolgende Lö-
sung des Lehrverhältnisses un-
terblieb. Stattdessen wurde der
Lehrling Mitte Februar dieses
Jahres unter fadenscheinigen
Gründen einfach abgemeldet.
Dann: Ein neuer Anlauf. Dem
Lehrberechtigten war zu Ohren
gekommen, dass es für Lehrlinge
in der integrativen Berufsausbil-
dung (also für Jugendliche mit
Lernschwierigkeiten zum Bei-
spiel) höhere Förderungen gäbe.
Er überredete Benny daraufhin,
es ab April als Integrationslehr-
ling mit verlängerter Lehrzeit zu
versuchen. Leider war auch die
so zu lukrierende Lehrbetriebs-
förderung den anspruchsvollen
Vorstellungen des Chefs nicht
angemessen, weshalb wieder
kein Lehrvertrag unterschrieben
wurde, und der Lehrling mündlich
entlassen wurde.
Für die AK Experten ist klar: Das
wird Nachforderungen nach sich
ziehen: Fehlende Lehrverträge,
fehlende schriftliche Lehrvertrags-
lösungen, fehlende auf das Gesetz
gestützte Lösungsgründe usw.
Viel schwerer wiegt aber, dass
hier ein junger Mensch aus reiner
Geldgier missbraucht wurde.
AK-Fraktionen:
Gesundheits- und
Pflegeberufe – Chancen und Probleme
grüne in der ak
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
M
enschen, die in Pflege- und Gesundheitsberu-
fen ausgebildet sind, haben aktuell die besten
Chancen am Arbeitsmarkt. Oft kann der Bedarf nicht
gedeckt werden. Aber nicht jeder eignet sich für diese
verantwortungsvolle und belastende Aufgabe. Nicht
wenige wechseln nach einiger Zeit wieder in einen an-
deren Beruf, auch wegen der vergleichsweise schlech-
ten Bezahlung für diese hochqualifizierte Arbeit. Natür-
lich nicht zu vergessen die harten Arbeitsbedingungen
- oft mit Nacht- und Bereitschaftsdiensten - mit nicht
nur starken körperlichen, sondern auch psychischen Anforderungen. Die al-
ternde Bevölkerung wird in der Pflege immer mehr auf diese Fachleute ange-
wiesen sein, denn Angehörige sind oft nicht in der Lage oder auch schlichtweg
überfordert. Und im Gesundheitswesen geht in vielen Bereichen ohne High-
tech mit dem entsprechenden Fachpersonal sowieso nichts mehr. Im Inte-
resse jedes einzelnen Menschen und der ganzen Bevölkerung wird man in
Gesundheit und Pflege in Zukunft mehr Geld stecken müssen.
<<
freiheitliche arbeitnehmer in der ak
Heribert Mariacher,
Fraktionsobmann
E
ine enorme Herausforderung für die Zukunft ist die
staatliche Sicherstellung einer hochwertigen Pfle-
ge für betagte und pflegebedürftige Menschen. Der
Pflegeanspruch soll daher verfassungsrechtlich abge-
sichert werden. Daraus ergibt sich der Start einer Aus-
bildungsoffensive für diplomiertes Pflegepersonal und
für Gesundheitsberufe. Ein tragendes Prinzip ist die
freie Heimwahl für Pflegebedürftige. Das Problem bei
der unselbständigen Pflege liegt darin, dass derzeit der
Pflegebedürftige zum Arbeitgeber mit allen dazugehö-
rigen Pflichten und der Pfleger zum Arbeitnehmer mit allen daraus folgenden
Rechten wird. So bleiben sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in der
Illegalität und gehen damit ein enormes Risiko ein. Eine praxistaugliche Lösung
wäre die Schaffung einer bundesweit aktiven Trägerorganisation in Form einer
Genossenschaft, bei der Pfleger und Betreuer beschäftigt sind. Diese Bundes-
pflegegenossenschaft stellt ausgebildetes Personal ohne Gewinnabsicht zur
Verfügung.
<<
Nr. 53, Juli | August 2013
Foto:GennadiyPoznyakov/Fotolia.com
Pflegebereich sind hoch motiviert, aber
sie dürfen nicht ausbrennen“, warnt AK
Präsident Erwin Zangerl.
Rund um die Uhr.
Immer
wieder werden an die AK zahlreiche
Probleme aus dem Gesundheits- und
Sozialbereich herangetragen. Vor allem
die rund 20.000 Bediensteten im Pfle-
gebereich fühlen sich überfordert. Die
Beschäftigten möchten das Beste für den
Patienten, Klienten oder Heimbewohner
leisten, können dies vielfach jedoch aus
Personalmangel nicht erfüllen. So gibt
es z. B. in Tirol für die Altenwohn- und
Pflegeheime derzeit keine gesetzliche
Vorgabe für die Personalberechnung.
Bei Fehlern werden hier die Schwäch-
sten herangezogen, die am wenigsten
für die Organisationsfehler können.
„Dem müssen wir entgegenwirken“, so
Zangerl.
Information und Hilfe.
Das AK Pflegereferat bietet Information
und Hilfe und steht allen offen, die mit
Gesundheit und Pflege zu tun haben -
ob Mitarbeiter oder Auszubildende. Die
Beratung ist kostenlos und anonym.
Generell ist feststellbar, dass sich die
Situation der Beschäftigten in den Ge-
sundheits- und Sozialberufen nicht zu-
letzt auf Grund der Arbeitsverdichtung
und von Sparmaßnahmen verschärft hat.
Sozialdemokratische GewerkschafterInnen
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
D
ie Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschaf-
terInnen steht für den Erhalt des Sozialstaates
und dessen Ausbau. Die Gesundheitsversorgung
steht aufgrund der steigenden psychischen Be-
lastungen in der Arbeit, aber auch dem demogra-
fischen Wandel unserer Gesellschaft vor neuen
Herausforderungen. Der Ruf nach mehr Pflegeper-
sonal steht im Konflikt mit den Wünschen der neo­
liberalen Kräfte, kräftig kaputtzusparen. Denn nur
eine faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen
garantieren, dass sich auch genügend Menschen
finden, die in Gesundheits- und Pflegeberufen arbeiten wollen. Wenn wir künf-
tig ein gut funktionierendes Pflege- und Gesundheitssystem haben wollen,
dann braucht das auch mehr Geld. Wir stehen dafür ein, dass die längst
überfällige Millionärssteuer auch endlich ihren Teil dazu beiträgt, dass wir
alle einer sorglosen Zukunft entgegenblicken können und uns die Gesund-
heit, für die Arbeitgeber in Form der betrieblichen Gesundheitsförderung
verpflichtet wären, auch leisten können.
<<
Mitmachen bei Studie.
Die AK Tirol hat eine umfangreiche
Studie zur Belastung der Beschäftigten
im Bereich der Gesundheits- und Pfle-
geberufe in Auftrag gegeben. Dabei
geht es um die Arbeitszufriedenheit
bzw. -belastung in allen Berufsfeldern.
Die AK hat dazu einen Fragebogen
erstellt, der von möglichst vielen Mit-
arbeitern im Gesundheits- und Sozi-
albereich in Tirol ausgefüllt werden
sollte, um ein möglichst umfassendes
Bild zu erhalten und Verbesserungen
zu verlangen. Mit der Durchführung
dieser Studie wurde das unabhängige
Forschungsinstitut SFS (Sozialökono-
mische Forschungsstelle) in Wien be-
auftragt.
Sämtliche Angaben werden vollstän-
dig anonym ausgewertet. So erhalten
die Experten in der AK ein möglichst
aktuelles Bild über die Arbeitsbe-
dingungen in den Gesundheits- und
Sozialberufen in Tirol. Eine hohe Be-
teiligung schafft aussagekräftige Er-
gebnisse.
Die Studie ist auch Grundlage für
wichtige Forderungen gegenüber
Bund, Land, Gemeinden bzw. Trägern
der Pflege- und Gesundheitseinrich-
tungen, um für das Personal berufliche
Verbesserungen zu erreichen und die
Anliegen als Interessenvertretung noch
zielgerichteter wahrzunehmen.
<<
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12
Powered by FlippingBook