Tiroler Arbeiterzeitung - page 3

3
THEMA:
offen gesagt
D
ie wichtigsten Anliegen der
Tiroler Arbeitnehmer sind
ein sicherer Vollarbeitsplatz
und für die Jungen vernünftige Berufs-
perspektiven. Bund, Land und Sozial-
partner haben die Forderung von AK
und ÖGB rasch aufgenommen und
ein Konjunkturbelebungsprogramm
gestartet“, präsentiert AK Präsident
Erwin Zangerl ein Fünf-Punkte-Pro-
gramm für wichtige beschäftigungs-
wirksame Maßnahmen für Tirol.
1. Betriebe neu ansiedeln.
Aufgrund besorgniserregender Ar-
beitsplatzdaten hat die AK Tirol vor-
geschlagen, im Rahmen einer Beschäf-
tigungsoffensive neue Prioritäten im
Landesbudget zu setzen. Dazu gehört
auch ein Betriebsansiedlungskonzept
für das Land und die einzelnen Bezirke
und Regionen. Wir haben mit dem
neuen Arbeitslandesrat Hannes Tratter
einen starken Partner in der Regierung,
mit dem wir eine entsprechende Offen-
sive setzen können.
2. Eigentum stärken.
Tirol
sollte so rasch wie möglich ein soziales
Sonder-Wohnbauprogramm
starten
und damit zwei brennende Probleme
lösen: Den Kampf gegen steigende
Wohn- und Mietpreise und damit
verbunden eine Ankurbelung der Bau-
wirtschaft. Bauoffensiven wirken wie
ein Turbo für den Arbeitsmarkt und
die Konjunktur. Unsere jüngste Stu-
die „Leistbares Wohnen“ (siehe dazu
Seiten 1 und 2) zeigt, dass die Tiroler
sich um die Hälfte billigeres Eigentum
schaffen könnten, wenn die Rahmen-
bedingungen im Land entsprechend
adaptiert werden: Etwa durch die
Zweckbindung der Wohnbauförde-
rung und ein Ende der künstlichen Ver-
knappung des Baulandes. Das schafft
bleibendes Vermögen.
3. Neue Arbeit.
Positiv ist auch,
dass unsere Initiative für mehr Kin-
Handeln.
Rasch reagiert haben Land und Sozialpartner auf akute Beschäftigungsprobleme. Für
AK Präsident Zangerl stehen neue Vollarbeitsplätze und mehr Schutz für ältere Mitarbeiter im Fokus.
Zangerl:
Beschäftigungskrise
in Tirol jetzt
aktiv bekämpfen
derbetreuungsplätze von Bund und
Land aufgenommen wurde. Mit den
von der Regierung angekündigten
jährlich 100 Millionen Euro können
35.000 neue Plätze in der Kleinkind-
betreuung geschaffen, bei 70.000
Plätzen die Öffnungszeiten verlän-
gert und mehr qualifiziertes Personal
für die Kinderbetreuung eingesetzt
werden. Das sind sinnvolle Investiti-
onen, die Arbeitsplätze schaffen. Wir
begrüßen hier die engagierten Bemü-
hungen von LR Beate Palfrader, die
diese Lücken in Tirol schließen will.
Von uns bekommt sie dafür unsere
volle Unterstützung. Auch im Be-
reich Gesundheit und Pflege gibt es
höchsten Bedarf an Fachkräften. Hier
gehören die Rahmenbedingungen
verbessert.
4. Schutz für Ältere.
Wir ge-
ben uns aber auch nicht zufrieden mit
der steigenden Zahl an Menschen, die
angeblich „zu alt“ für einen Job sind.
Zu fordern ist die Wiedereinführung
eines Bonus-Malus-Systems, das aus
heutiger Sicht kurzsichtig abgeschafft
worden war: Unternehmen sollen be-
lohnt werden, wenn sie Personen der
Generation 50plus einstellen oder
ältere Mitarbeiter länger im Betrieb
halten, ein Malus soll andererseits
fällig werden, wenn ältere Mitarbei-
ter auf die Straße gesetzt werden. Die
Erfahrung älterer Beschäftigter ist
ein Schatz, den es zu heben und zu
bewahren gilt. Kluge Betriebe setzen
deshalb auf den ganzheitlichen Ansatz
des Generationen-Managements.
5. Sechs Wochen Urlaub.
Eine sechste Woche Urlaub nach 25
Arbeitsjahren ist eine weitere wichtige
Maßnahme zur Gesunderhaltung der
Arbeitnehmer. Die steigende Zahl
psychisch bedingter Krankenstände
ist eines der Alarmzeichen dafür, dass
sich Beschäftigte immer schwieriger
die notwendigen Erholungsphasen
„leisten“ können.
Die körperliche Leistungsfähigkeit,
jedoch auch die Erholungsfähigkeit
des Menschen nehmen mit zuneh-
mendem Alter ab. Es ist daher ein
Gebot der Stunde, dafür zu sorgen,
dass Menschen möglichst lange ge-
sund an ihrem Arbeitsplatz tätig sein
können. Deshalb fordern wir auch
vehement die Einführung einer sechs-
ten Urlaubswoche nach 25 Arbeitsjah-
ren, und zwar unabhängig davon, ob
sie beim selben Dienstgeber geleistet
wurden oder nicht.“
<<
Keine Tricks auf Kosten der Jungen!
Sachen gibts.
Wie große Betriebe die Bundesländer-Struktur dazu missbrauchen, ihre
Lehrlinge zu übervorteilen. Die AK schritt erfolgreich ein und verhalf Lehrling zum Recht.
MILLIARDENSCHADEN
Unbezahlte
Überstunden
Ö
sterreichs Arbeitnehmer lei-
steten im Vorjahr 69 Millio-
nen unbezahlte Mehrarbeits- und
Überstunden! Die nicht abgegol-
tenen Über- und Mehrarbeits-
stunden waren pro Jahr umge-
rechnet so viel wert wie rund 10
Millionen Arbeitstage. Bewertet
mit einem durchschnittlichen
Stundensatz plus Überstundenzu-
schlag wurden den Beschäftigten
damit in Summe rund 1,5 Milliar-
den Euro an Löhnen und Gehäl-
tern von den Betrieben vorent-
halten! Insgesamt haben 2012
rund 722.300 Arbeitnehmer in
Summe Woche für Woche 299
Millionen Überstunden erbracht.
I
n der Berufsausbildung werden
Lehrzeiten bei unterschiedlichen
Betrieben zusammen gerechnet.
Wenn also ein Lehrling im Betrieb 1
einige Monate Ausbildungszeit erwor-
ben hat, so sind diese auf die Lehrzeit
beim Betrieb 2 in Anrechnung zu
bringen – logisch eigentlich.
Nicht so bei Andrea. Die Osttiro-
lerin wechselte nach fünf Monaten
in einem kleinen Geschäft zu einer
bundesweit aktiven Lebensmittelket-
te. Dort war man aber der Meinung,
sich für Andreas Vorlehrzeit nicht
interessieren zu müssen, und veran-
lasste die Meldung ihres neuen Lehr-
vertrages bei der Lehrlingsstelle der
Wirtschaftskammer in Kärnten. Als
Ausbildungsstandort wurde im Lehr-
vertrag irgendein Kärntner Dorf ver-
zeichnet, Andrea aber ungeachtet des-
sen in der Lienzer Filiale eingestellt.
Da die Lehrlingsstellen der verschie-
denen Bundesländer untereinander
keinen Datenaustausch haben, blieb
die fünfmonatige Vorlehrzeit bei der
Kärntner Behörde unbekannt, und
der neue Lehrvertrag wurde ab dem
ersten Tag für drei Jahre protokolliert.
Hätte Andrea sich nicht bei der Arbei-
terkammer gemeldet, die sich für eine
Richtigstellung stark machte, hätte sie
als Verkäuferin anstatt drei Lehrjah-
ren fast dreieinhalb Lehrjahre Ausbil-
dungszeit gehabt, wäre entsprechend
später regulär entlohnt worden und
hätte ziemlich genau 2.500 Euro netto
verloren!
Noch ein Beispiel.
Salzburger
Lehrlinge im Speditionsgewerbe wer-
den seit kurzem in der Salzburger Be-
rufsschule ausgebildet. Was eigentlich
ein großer Vorteil ist (bislang mussten
diese Lehrlinge so wie ihre Tiroler
Kollegen heute noch zur Berufsschule
nach Mitterdorf in der Steiermark rei-
sen), passt einem großen Speditions-
unternehmen gar nicht. Das will seine
Lehrlinge weiterhin in die Steiermark
zur Schule schicken und meldet die
Salzburger Lehrlinge deshalb kur-
zerhand am Firmenstandort in Inns-
bruck an. Damit handelt es sich plötz-
lich um Tiroler Lehrlinge, die wieder
in der Steiermark in die Berufsschule
müssen. Nachteil für die betroffenen
Jugendlichen und ihre Eltern: Etwa
1.500 Euro für Internats- und Fahrt-
kosten.
AK Präsident Erwin Zangerl: „Die
Autonomie der Bundesländer ist wich-
tig. Es darf aber nicht sein, dass diese
Eigenständigkeit dazu ausgenützt wird,
junge Menschen zu übervorteilen. Zu
verlangen ist deshalb eine österreichwei-
te Erfassung der Lehrlinge, dann wären
derartige Auswüchse nicht möglich.“
<<
Schaden.
Viele Firmen stöhnen unter akutem Lehrlingsmangel und bieten attrak-
tive Ausbildungsplätze. Umso größer der Imageschaden, wenn mancherorts auf
Kosten der Jungen getrickst wird.
HART GEBLIEBEN
Sonntagsruhe
im Handel
O
pfer sexuel-
ler Belästi-
gung können auf
Schadenersatz
klagen. Aber die
Frist dafür war
bisher mit einem Jahr ziemlich
kurz. Das hat die AK immer wie-
der kritisiert. Opfer sexueller Be-
lästigung brauchen aufgrund des
erlittenen Traumas oft mehr Zeit
für eine Klage. Jetzt soll die Frist
auf drei Jahre ausgedehnt werden
– der Ministerrat beschloss eine
entsprechende Vorlage zur Ände-
rung des Gleichbehandlungsge-
setzes. In der Gesetzesänderung
ist auch vorgesehen, dass künftig
alle Unternehmen der Privatwirt-
schaft Entgeltangaben in Stellenin-
seraten machen müssen – auch
jene, für die kein Kollektivvertrag
gilt. Eine AK Forderung blieb offen:
Schutz vor Diskriminierung auf-
grund sexueller Orientierung, Re-
ligion oder Weltanschauung etwa
auch beimMieten einerWohnung.
D
ie Handels­
kette Day-
li wollte ein
Schlupfloch in
der Gewerbe-
ordnung
nut-
zen, um auch am Sonntag Filialen
aufsperren zu können. In einigen
Filialen richtete Dayli kleine Gastro-
Bereiche ein, denn die dürfen an
Sonntagen eingeschränkt Wa-
ren verkaufen. Gewerkschaft und
AK protestierten, auch die Wirt-
schaftsvertreter waren gegen die
Aushöhlung der Sonntagsruhe.
Der Nationalrat beschloss des-
halb Ende April eine Änderung der
Gewerbeordnung: Die Verkaufs-
ausnahme für Gastgewerbebe-
triebe gilt jetzt nur noch, wenn der
Schwerpunkt im Gastro-Bereich
liegt.
Nr. 53, Juli | August 2013
ENDLICH ERREICHT
Mehr Schutz vor
Belästigung
Umsetzen.
AK Präsident Erwin Zangerl präsentiert ein
Fünf-Punkte-Programm:
Fünf wichtige beschäftigungswirksame Maßnahmen für Tirol.
N
ur die Wirtschaft schafft neue Arbeitsplätze. Wer das behauptet?
Funktionäre von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung.
An die Arbeit! Niemand hindert die Wirtschaft, neue Vollzeit- und Ganz-
jahresarbeitsplätze in genügender Zahl zu schaffen. Tirol bietet dabei die
besten Rahmenbedingungen. Gut ausgebildete und hoch motivierte Fach-
kräfte in allen Bereichen! Eine hervorragende Infrastruktur! Wirtschafts-
freundliche Rahmenbedingungen und niedrige Unternehmenssteuern.
Eine starke Ansage der Tiroler Wirtschaft, an der sie in den nächsten
Monaten gemessen wird.
Starke Ansage der Wirtschaft
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12
Powered by FlippingBook