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8 Millionen Euro
für Nachhilfe
D
er letzte Schultag ist ein spe-
zieller Stichtag: Wenn sich
die Kinder in die Ferien stür-
zen, und die älteren erste Berufser-
fahrungen sammeln, ist es auch Zeit,
Bilanz zu ziehen. Eine Bilanz soll das
Zeugnis repräsentieren. Die AK wollte
aber auch heuer wieder eine andere,
eng mit den Schulnoten verbundene
erstellen – und gab dafür eine neue
Studie zur Nachhilfe in Auftrag.
Die Ergebnisse zeigen vor allem
eines: Es besteht dringender Hand-
lungsbedarf, um Eltern und Kindern
den Nachhilfeunterricht zu ersparen
und sie zu entlasten – finanziell, aber
auch im Umgang miteinander.
Millionen-Geschäft.
Jeder
betroffene Tiroler Haushalt zahlte
seit den Ferien 2012 bis April 2013
im Schnitt 562 Euro. Hochgerechnet
auf alle Tiroler Eltern waren dies rund
7 Millionen Euro, bis zum Ende des
Schuljahres kamen 8 Millionen Euro
zusammen, die in Nachhilfe-Unter-
richt flossen. Österreichweit waren es
101 Millionen Euro!
Gegenüber den letzten Jahren sind
die Ausgaben zwar leicht gesunken –
waren es in Tirol vor drei Jahren doch
noch rund 9 Millionen Euro. „Aber
bei genaueremHinsehen erkennt man,
dass die Entwicklung rein finanzielle
Gründe hatte. Viele konnten sich eine
Lern-Hilfe für ihre Kinder einfach
nicht mehr leisten“, stellt Arbeiter-
kammer-Präsident Erwin Zangerl klar.
Für vier von zehn betroffenen Eltern
war die finanzielle Belastung sehr stark
oder spürbar, ergab die AK Studie.
Immerhin 28 Prozent der Tiroler
Eltern (25 % im Österreichschnitt)
hatten seit Sommer 2012 eine exter-
ne Nachhilfe organisiert. 19 % bau-
ten auf bezahlte, 11 % auf unbezahlte
Nachhilfe. Gegen Bezahlung halfen
bei 43 % der Kinder Nachhilfe-Insti-
tute, aber auch Lehrer (18 %), Stu-
denten (29 %), Mitschüler (6 %) und
andere Personen (22 %). Mehrfach-
Nennungen waren dazu möglich.
„Unsere Studie beweist, dass Nach-
hilfe bei vielen Schülern Teil ihrer
,Schulkarriere‘ ist, und unser Schulsys
tem nach wie vor einen Markt dafür
produziert“, ärgert sich AK Präsident
Zangerl. „Aber teilnehmen können an
ihm vor allem gut situierte Eltern. Und
Lehrer profitieren auch noch finanziell
davon, dass Schüler Hilfe beim Lernen
brauchen.“
Laut Studie können modernere
Unterrichtsmethoden und ein ver-
tiefender Förderunterricht bei der
Nachmittagsbetreuung den Nachhil-
febedarf wesentlich senken.
Gemeinsame Schule.
Dies
bestärkt die AK Tirol in ihrer zen-
tralen Forderung nach dem weiteren
Ausbau einer gemeinsamen Schule
für alle Kinder bis 14 Jahre, zu der
es auch einen Beschluss der Vollver-
sammlung gibt. „Sie würde viel Druck
wegnehmen und bessere Chancen für
den Übertritt in höherbildende Schu-
len bieten“, erklärt Zangerl.
Die Neue Mittelschule konnte dies-
bezügliche Erwartungen noch nicht
erfüllen. Trotz zusätzlicher sechs Wo-
chenstunden wirkt sie sich nicht entla-
stend auf den Nachhilfebedarf aus. Die
Erklärung liegt auf der Hand: Während
beispielsweise ein Schüler, der bereits an
einer AHS ist, auch mit einem Fünfer
aufsteigen kann, muss er für den Über-
tritt von der Neuen Mittelschule in eine
höhere Schule (AHS/BHS) ein posi-
tives Zeugnis und in Deutsch, Mathe-
matik und lebender Fremdsprache die
Beurteilung als „vertiefte Allgemeinbil-
dung“ haben. Und dafür braucht er oft
richtig Nachhilfe.
<<
Unter Druck.
Der Schulerfolg der Kinder bedeutet für viele Familien finanzielle Belastung und Konflikte.
L
aut jüngster
A K - S t u d i e
waren sich die
Eltern einig: Vor
allem schulische
Ve r s ä umn i s s e
machen externe
Nachhilfe nötig. So könnte es besser
werden: Möglichst verständlicher
Unterricht, mehr Zeit fürs Üben in
den Schulen, damit verbunden mehr
Nachmittagsbetreuung mit Förder-
unterricht sowie Klassenteilungen in
einzelnen Fächern. Viele wünschen
sich einen Ausbau der Ganztags-
schulen. Befragt wurden im April von
Ifes 2.901 Eltern, davon 300 in Tirol.
N
achdenklich macht die Studi-
en-Auswertung auch hinsicht-
lich der Schulformen: Am häu-
figsten wurde Nachhilfe zwar – mit
61 % der Schüler – weiter in der
AHS-Oberstufe nötig, gefolgt von
BMS/BHS mit 39 %, aber gleich
danach rangiert mit 37 % bereits
die Neue Mittelschule. Schlimm ist,
dass nach Hauptschülern (26 %)
und Schülern der AHS-Unterstufe
(24 %) sogar Volksschüler mit
19 % Nachhilfe brauchen (siehe
Grafik unten rechts).
Bei den Fächern ist Mathematik
mit 60 % der Schüler weiter „Spit-
zenreiter“. 40 % brauchen sie in
Sprachen und 21 % in Deutsch.
Zum Glück ist Nachhilfe – be-
zahlt oder unbezahlt – meist nicht
vergebens: Das Ziel wurde zu 75 %
erreicht, bei 17 % der Haushalte
stand dies bei der Befragung im
April noch nicht fest, und nur bei
10 % führte sie nicht zum Erfolg.
IndenFamilien ist derZeitaufwand
beträchtlich: 32 % der Tiroler El-
tern lernen täglich mit den Kindern,
22 % zwei bis drei Mal pro Woche,
17 % mindestens einmal wöchent-
lich (siehe Grafik unten links).
Rechnerische Differenzen ent-
standen, weil Mehrfachnennungen
möglich waren bzw. auch Haus-
halte mit mehreren Kindern be-
fragt wurden.
Hilfe schon für
Volksschüler
Das ärgert
Tirols Eltern
V
on den Tiroler
Eltern gaben
12 % an, dass ih-
nen von der Schu-
le schon einmal
nahegelegt wurde,
eine Nachhilfe zu
organisieren. „Wie oft bzw. wann
war die Nachhilfe nötig?“ lautete
eine weitere Frage im Rahmen der
Studie. Dies war vor Schularbeiten
oder Tests der Fall (46 %), regel-
mäßig während des Schuljahres
(42 %), vor Entscheidungsprü-
fungen (6 %), in den Ferien ohne
Nachprüfung ( 8 %) bzw. vor Nach-
prüfungen (5 %).
N
achhilfe, für
die
bezahlt
werden
muss,
schlägt sich natür-
lich auch als finan-
zielle
Belastung
im Familienbudget
nieder: Von jenen befragten Tiroler
Eltern, bei denen das monatliche
Netto-Haushaltseinkommen unter
2.500 Euro liegt, bauten 16 % auf
bezahlte und 16 % auf unbezahlte
Nachhilfe. Bei den finanziell besser
situierten Eltern mit höherem Ein-
kommen engagierten immerhin 23
% eine bezahlte und nur 6 % eine
unbezahlte Hilfe beim Lernen.
D
rei von zehn
Eltern tun sich
generell schwer,
bei Aufgaben zu
helfen oder Wis-
sen abzufragen. Ein
weiteres Drittel hat
damit in einzelnen Fächern, vor allem
in Mathematik und Fremdsprachen,
große Probleme. Insgesamt sind
fast zwei Drittel zum Teil überfordert
- und Konflikte vorprogrammiert:
Ein Viertel der Eltern empfindet dies
stark belastend. 27 % fühlen sich be-
trächtlich gestresst, wenn Schulauf-
gaben in der Familie erledigt werden
müssen.
A
ls Nebener-
gebnis zeigt
die Studie auch,
dass der Ausbau
der Nachmittags-
betreuung in Tirol
nur sehr langsam
erfolgt: Im Österreichschnitt nutzen
mit 10 % der befragten Eltern dop-
pelt so viele diese Möglichkeit wie in
Tirol (5 %). Bei der Hortbetreuung
sind die Verhältnisse ähnlich mit
7 % im Österreichschnitt gegenü-
ber 3 % in Tirol. 4 bzw. 3 %machen
zur Nachmittagsbetreuung von der
Ganztagsschule Gebrauch sowie 3
bzw. 4 % von anderen Formen.
Wann ist Hilfe
besonders nötig?
Einkommen
als Kriterium
Aufgaben als
Streitauslöser
Manko: Betreuung
am Nachmittag
I
m Rahmen der Studie gaben 77 % der be-
fragten 300 Tiroler Eltern an, dass sie bzw.
andere Erwachsene im Haushalt mit den Kin-
dern lernen und bei den Hausaufgaben helfen.
32 % tun dies fast täglich, 22 % zwei bis drei
Mal pro Woche. Dass viele Kinder Nachhil-
fe brauchen, liegt übrigens nicht etwa daran,
dass deren Eltern keinen Einsatz zeigen wür-
den. Ganz im Gegenteil: Ihr zeitliches Engage-
ment ist mindestens genauso groß wie von
Eltern, deren Kinder keine Nachhilfe brauchen.
AK Studie.
Fast jede dritte Familie musste Nachhilfe organisieren. Doch viele können sich solche Ausgaben
nicht leisten. Deshalb wiederholt die AK ihre Forderung nach einem verstärkten Ausbau der gemeinsamen Schule.
THEMA:
SCHULE & ERFOLG
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Nr. 53, Juli | August 2013
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Die aktuelle AK Studie „Nach-
hilfe in Tirol“ ist nachzulesen
unter
!
gesamt
81
77
so gut wie täglich
32
32
2-3 Mal pro Woche
26
22
mind. 1 Mal pro Woche
seltener
nein
18
17
23
22
19
23
Beaufsichtigen der Kinder beim Lernen
Wie oft müssen Sie bzw.
andere Erwachsene in Ihrem
Haushalt mit Ihrem Kind/Ihren
Kindern lernen bzw. die Aufgaben
beaufsichtigen? (in Prozent)
Österreich
Tirol
Volksschule
19
Hauptschule
26
Neue Mittelschule
37
AHS Unterstufe
AHS Oberstufe
BMS/BHS
24
61
39
Nachhilfebedarf nach Schultyp
Nachhilfebedarf in Prozent der Schüler
Eltern helfen Lernen