Tiroler Arbeiterzeitung - page 11

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THEMA:
PFLEGE & SOZIALES
Nr. 53, Juli | August 2013
Wichtige Bestimmungen
Pflegebedarf, was nun?
KRANKES KIND
A
ngehörige mit Pflegeaufgaben
stehen oft unter hohem Stress
– vor allem aufgrund des Ba­
lanceakts zwischen Beruf und einem
akut auftretenden oder sich ändernden
Pflegebedarf. Ein aktueller Gesetzes­
entwurf soll nun eine neue Pflege­
karenz bzw. Pflegeteilzeit schaffen, um
ab 1. Jänner 2014 solche schwierigen
Übergangsphasen zu erleichtern. Die­
se können – vorausgesetzt der Betrieb
ist einverstanden – für einen Zeitraum
von mindestens einem und höchstens
drei Monaten beantragt werden. Bei
der Pflegeteilzeit darf die Arbeitszeit auf
ein Minimum von zehn Stunden pro
Woche reduziert werden. Ein zweiter
Angehöriger kann an die Pflegekarenz
bzw. -teilzeit mit bis zu drei Monaten
Karenz anschließen. Verschlechtert sich
der Zustand des zu pflegenden Angehö­
rigen (Erhöhung der Pflegegeldstufe),
kann erneut beantragt werden.
Einkommen gesichert.
Möglich sein soll das neue Modell
ab der Pflegegeldstufe 3 oder ab der
Stufe 1 bei minderjährigen Kindern
und bei Demenz. Das Pflegekarenz­
geld beträgt etwas mehr als die Hälfte
des zuletzt bezogenen Gehalts, maxi­
mal sollen es 1.400 Euro pro Monat
sein. Bei der Teilzeit wird die Geldlei­
stung anteilig errechnet. Eine finan­
zielle Unterstützung ist auch für die
Familienhospiz-Karenz geplant, denn
bisher gab es nur in Härtefällen eine
Geldleistung. Nun erhalten alle, die
sterbende Angehörige oder schwerst
kranke Kinder pflegen, eine analoge
Leistung zum Pflegekarenzgeld. Wäh­
rend der Pflegekarenz bzw. -teilzeit
wird vom Bund ein der jeweiligen
Leistungshöhe entsprechender Pen­
sionsversicherungsbeitrag einbezahlt.
Der pflegende Angehörige bleibt auch
krankenversichert. Zudem bleibt der
Erwerb des Abfertigungsanspruches
bestehen sowie die Anwartschaft auf
Arbeitslosengeld. Der Antrag und die
Vollziehung aller Modelle erfolgen
über das Bundessozialamt.
<<
Pflege-Modell.
Angehörige mit Pflegeaufgaben stehen oft unter hohem Stress. Ab dem
kommenden Jahr sollen Pflegekarenz und Pflegeteilzeit bis zu drei Monate möglich sein.
Verbesserung
für Angehörige
E
ine langjährige AK Forde­
rung wurde nun vom Ge­
setzgeber erfüllt. Wer ein
behindertes Kind pflegt und kei­
ne Versicherung hat, weil die Ar­
beitskraft gänzlich von der Pflege
beansprucht wird, kann sich nicht
nur kostenlos pensions-, sondern
seit heuer neu auch krankenversi­
chern lassen. Das ist für pflegende
Angehörige eine wichtige Erleich­
terung und schließt eine Lücke in
der sozialen Absicherung.
Die Pflege eines behinderten
Kindes kann allein schon eine
persönliche, physische und psy­
chische Belastung sein. Sie kann
aber auch zu sozialen Härtefällen
führen, wenn die pflegende Person
ihre Arbeit aufgibt und deshalb
aus der Kranken- und Pensions­
versicherung ausscheidet,
falls keine Möglichkeit be­
steht, sich bei einem nahen
Angehörigen mitversichern
zu lassen. Die Selbstversi­
cherung in der Krankenver­
sicherung kann immerhin
bis zu rund 370 Euro betra­
gen. Für pflegende Angehö­
rige, die nicht erwerbstätig
sind, ist das oft eine große
finanzielle Bürde. Gerade
deshalb ist die kostenlose
Krankenversicherung ein
wichtiger sozialpolitischer
Fortschritt.
Voraussetzung ist, dass
das Kind im gemeinsamen
Haushalt lebt, für das Kind
erhöhte
Familienbeihilfe
gewährt wird, und die Ar­
beitskraft gänzlich von der Pflege be­
ansprucht wird.
Neues bei der Pension.
Die
Neuregelung sieht auch eine Verbesse­
rung bei der Pensionsversicherung vor.
Die pflegende Person kann sich kos­
tenlos selbstversichern. Diese Selbst­
versicherung war bislang längstens bis
zu 12 Monate rückwirkend möglich.
Rückwirkende Versicherung.
Seit heuer ist sie für den Zeitraum
vom 1.1.1988 bis 31.12.2012 für bis
zu 120 Monate rückwirkend möglich.
Also dementsprechenden Antrag bei
der Pensionsversicherungsanstalt stel­
len, wenn noch keine Eigenpension
bezogen wird. Es ist enorm wichtig
für die Betroffenen, keine wertvollen
Pensionszeiten zu verlieren.
<<
Pflege
behinderter Kinder
Verbesserung.
Wer wegen der Pflege eines behinderten Kindes nicht arbeiten kann, hat die
Möglichkeit, sich kostenlos pensions- und seit heuer neu auch krankenversichern zu lassen.
Erleichterung.
Der Balanceakt zwischen eigenem Beruf und der akuten Pflege eines Angehörigen soll erleichtert werden.
E
in Familienmitglied wird plötzlich pflegebedürftig.
Von einem Moment auf den anderen hat sich alles
verändert – sowohl für den Betroffenen, als auch für die
Angehörigen. Wichtige Entscheidungen sind zu treffen.
Die AK Broschüre „Pflegebedarf, was nun?“ hilft in dieser
schwierigen Situation mit den wichtigsten Informationen.
Die Broschüre ist kostenlos anzufordern unter 0800/22
55 22 - 1638 oder herunterzuladen auf
G
eringfügigkeitsgrenze, Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Pflege-
geld, Pensionserhöhung, Dazuverdienen in der Pension, Spitalskosten-
beitrag und vieles mehr: Im Falter „Sozialrechtliche
Bestimmungen“ sind die wichtigsten Richtsätze für
Familien und Senioren zusammengefasst. Er kann
unter der Hotline 0800/22 55 22 -1630 kosten-
los angefordert oder auf
herunter-
geladen werden.
Freistellung
zur Pflege
S
eit heuer wurde das Recht
für Eltern, ihr krankes Kind
selbst zu betreuen und dafür vom
Job freigestellt zu werden, erwei-
tert. Nur die Eltern entscheiden,
wer die Freistellung in Anspruch
nimmt, und die Arbeitsverhinde-
rung aufgrund der Pflege muss
dem Arbeitgeber so schnell wie
möglich gemeldet werden.
Leibliche Eltern.
Leibliche Eltern-
teile haben das Recht, Pflegefrei-
stellung für ihr Kind in Anspruch
zu nehmen, auch wenn das Kind
nach einer Trennung nicht im ge-
meinsamen Haushalt wohnt.
Patchworkfamilien.
Pflegefreistel-
lung gibt es seit heuer auch für
„Stiefeltern“, die Kinder ihrer Part-
ner oder Partnerinnen pflegen.
Aber: Das Kind muss mit ihnen im
gemeinsamen Haushalt leben. Da-
bei ist es unerheblich, welches Ge-
schlecht die neuen Partner haben.
Aufrecht bleibt der Grundsatz, wo-
nach die Pflegefreistellung für ei-
nen nahen Angehörigen nur dann
beansprucht werden soll, wenn
keine andere Person die Betreu-
ung übernehmen kann.
Krankenhaus.
Bei stationären
Krankenhausaufenthalten bei Kin-
dern unter 10 Jahren ist es nicht
mehr erforderlich, dass die Beglei-
tung der Kinder „medizinisch not-
wendig“ ist.
Das steht zu.
Die Pflegefreistel-
lung für ein Kind beträgt in der
Regel eine Arbeitswoche pro Jahr.
Eine zweite Woche gibt es, wenn
das Kind neuerlich erkrankt und
unter 12 Jahre alt ist. Es gibt aber
keinen Anspruch auf eine durch-
gehende zweiwöchige Pflegefrei-
stellung.
Tipp.
Wenn der Anspruch ausge-
schöpft ist und kein Anspruch auf
Entgeltfortzahlung aus sonstigen
wichtigen Gründen besteht, kön-
nen Sie für die notwendige Pflege
eines unter 12jährigen Kindes
ohne vorherige Vereinbarung mit
dem Arbeitgeber Urlaub nehmen,
falls sie noch einen offenen haben.
Aber sie müssen dies dem Chef
sofort mitteilen.
VOR DEN VORHANG
Jeder Zweite hilft
ehrenamtlich
F
reiwilligenarbeit, ob als Eh-
renamt oder in Form von
Nachbarschaftshilfe, steht bei
Österreichs
Arbeitnehmern
hoch im Kurs. Mehr als 15 Mil-
lionen Stunden werden wöchent-
lich unbezahlt zum Wohl der
Gemeinschaft investiert. Beim
Ehrenamt u.a. in Sportvereinen,
Hilfsorganisationen, Rettungs-
diensten und kirchlichen Ein-
richtungen beläuft sich die wö-
chentlich geleistete Stundenzahl
auf rund acht Millionen, bei der
Nachbarschaftshilfe kommen
pro Woche rund 7,5 Millionen
Stunden zusammen. Insgesamt
engagieren sich 3,3 Millionen
Menschen. Das hat eine Ifes-
Studie ergeben.
Absichern.
Wer ein behindertes Kind pflegt, kann sich
kostenlos krankenversichern.
Foto:FredGoldstein
Foto:Vitalinko/fotolia.com
Pflegefall: Und jetzt?
E
s trifft einen völlig unerwar-
tet: Ein Familienmitglied wird
zum Pflegefall. Den Angehörigen
stellen sich viele Fragen. Wo
beantrage ich Pflegegeld? Wo
Essen auf Rädern? Welche
Kosten kommen auf mich zu?
Und wo finde ich andere nützliche
Informationen?
Pflegegeld.
Das Pflegegeld wird
österreichweit nach den selben
Voraussetzungen gewährt. Die
Höhe hängt vom Pflegeaufwand
ab, der bei einer ärztlichen Un-
tersuchung festgestellt wird. Für
den Bezug muss ein monatlicher
Pflegebedarf von mehr als 60
Stunden bestehen.
Soziale Dienste.
Für die sozialen
Dienste ist das Land zuständig.
Es gibt folgende Möglichkeiten,
sich zu informieren: über das
gebührenfreie Pflegetelefon unter
der Nummer 0800/201 622
von Montag bis Donnerstag zwi-
schen 8 und 16 Uhr, Freitag von
8 bis 13 Uhr sowie im Internet
unter
oder
unter
Foto:AlexanderRaths
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