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Seite 36 WISO

stimmten Berufes in einem EU-Staat wird ohne Vor-

schreibung zusätzlicher Qualifikationen in den USA

anerkannt. Die beiderseitige Abschaffung von Vor-

schriften und Standards wäre eine dritte Variante,

die zu einer maximalen Liberalisierung des Handels

führen würde.

Die EU-Kommission schätzt, dass die bestehenden

nichttarifären Handelshemmnisse zwischen der EU

und den USA einem Zolläquivalent von 10-20% ent-

sprechen, das bedeutet, die Produkte könnten durch

Angleichung, Anerkennung oder Abschaffung um

diesen Prozentsatz günstiger in den jeweils anderen

Wirtschaftsraum exportiert werden, was den Handel

entsprechend ankurbeln könnte.

3

Kritiker dieser Angleichung der nichttarifären Han-

delshemmnisse, wie auch die Arbeiterkammer, se-

hen darin die Gefahr der Absenkung von Standards

und Regelungen zum Schutz von ArbeitnehmerInnen

und KonsumentInnen, aber auch des Gesundheits-

und Umweltschutzes. Zum Beispiel im Bereich der

Lebensmittelsicherheit bestehen sehr unterschiedli-

che Standards zwischen den USA und Europa. So ist

es in den USA beispielsweise erlaubt, hormonbehan-

deltes Fleisch oder gentechnisch veränderte Nah-

rungsmittel auf den Markt zu bringen. Aber auch die

Methode, Hühner nach der Schlachtung zur Desin-

fektion in ein Chlorbad zu legen (so genannte Chlor-

hühner), ist in den USA erlaubt und weit verbreitet, in

der EU jedoch derzeit verboten. Diese medial stark

diskutierten Beispiele unterschiedlicher Lebensmit-

telstandards dürften nach diversen politischen Äu-

ßerungen, wie zB der deutschen Bundeskanzlerin

Merkel zu den Chlorhühnern, wohl ausdrücklich aus

dem Abkommen ausgenommen werden.

4,5

Sie zei-

gen aber deutlich auf, dass die Denkweise, wie in

den USA Lebensmittel ver- bzw. bearbeitet werden

können, sich vom europäischen Ansatz stark unter-

scheidet.

Das Abkommen birgt die Gefahr der Lockerung oder

Abschaffung von wichtigen Regelungen und Regu-

lierungssystemen in Europa. Da auch Pläne beste-

hen, ein Frühwarnsystem für künftige Regulierungen

einzurichten, welches im Zuge von Folgenabschät-

zungen die Auswirkungen von geplanten Regulie-

rungen auf den transatlantischen Handel auch nach

Abschluss des eigentlichen Abkommens prüfen soll,

könnte das TTIP ein „lebendes Abkommens“ werden.

Dies nährt die Befürchtungen, dass auch zukünftige

gesetzgeberische Maßnahmen in Europa, z.B. zum

Schutz der Umwelt oder der Verbraucherinnen und

Verbraucher, verhindert werden können, wenn diese

den Handel mit den USA zu stark beeinträchtigen

würden. Hierzu soll ein sogenanntes „Regulatory

Cooperation Council“ eingerichtet werden, das ne-

ben der Beobachtung künftiger Entwicklungen auch

fortlaufende Maßnahmen zur Harmonisierung bzw.

gegenseitige Anerkennung im Fokus haben soll.

Investitionsschutz

Ein weiterer großer Kritikpunkt an diesem geplanten

Abkommen, welcher aber auch das Abkommen mit

Kanada und andere Freihandelsabkommen betrifft,

ist das vorgesehene Investitionsschutzkapitel. Inves-

titionsschutzabkommen wurden bisher auf nationa-

ler Ebene abgeschlossen, um einerseits heimische

Unternehmen/Investoren, welche in anderen Staaten

eine Investition tätigen, zu schützen und andererseits

ausländische Investoren anzulocken. Ein Investiti-

onsschutzabkommen sieht in der Regel das Prinzip

3

vgl. AK Positionspapier zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA, Mai 2013.

4

vgl. FAZ 24.05.2014, Merkel: Chlorhühnchen werde ich verhindern,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/merkel-mit-

mir-gibt-es-keine-chlorhuehnchen-aus-amerika-12956071.html (Zugriff am 26.11.2014).

5

vgl. Pressemitteilung der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, 9.1.2014: Hormonfleisch ist tabu im EU-US-Freihandelsab-

kommen,

http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11958_de.htm

(Zugriff: 19.11.2014).

Durch den Abschluss von TTIP könnte es auch zu einer

Untergrabung von Arbeitsschutzbestimmungen kommen -

die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden in der Luft

hängen gelassen.

cc Bilfinger SE