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Seite 36 WISO

Ortskerne, durch welche Gemeinde- oder Bundes-

straßen verlaufen. Gerade für den Regionalverkehr

wäre die Bereitschaft, für jede Fahrt auf der Autobahn

zahlen zu müssen, gering. Eine kilometerabhängige

Maut würde dadurch eine Verkehrsverlagerung von

den Autobahnen auf Ortschaften durchquerende

Straßen bedeuten. Damit würden belebte Ortskerne

mit einer massiven Verkehrszunahme konfrontiert.

Mehr Lärm, Abgase und Staus wären die Folge. Die

Gefahr für Unfälle würde steigen und die Lebensqua-

lität in den betroffenen Orten sinken. All diese Ent-

wicklungen können nicht im Sinne der Kommission

sein. Außerdem wäre es auch keiner pendelnden

Person zu begründen, warum sie, die auf der Auto-

bahn pendeln muss, zu zahlen hätte, während eine

andere auf einer Strecke, auf der keine Autobahn

vorhanden ist, weiterhin mautfrei pendeln könnte.

Somit würden auch innerhalb eines Staates Pendle-

rInnen unterschiedlich belastet, auch wenn sie eine

gleich lange Strecke pendeln.

Zu guter Letzt besteht ein Zusammenhang zwischen

den PKW- und LKW-Maut, der in der Diskussion bis-

lang vergessen wurde: Gemäß Eurovignettenrichtli-

nie dürfen die Mauteinnahmen nicht die Kosten für

die Infrastruktur, Instandhaltung sowie den laufen-

den Betrieb übersteigen. Dieser Grundsatz bleibt

auch im vorliegenden Entwurf zur Eurovignetten-

richtlinie unverändert. Mit Aufnahme der PKW in den

Anwendungsbereich der Verordnung würden diese

Einnahmen plötzlich auch für die Gegenrechnung

der Kosten relevant. Nicht nur in Österreich, sondern

beispielsweise auch in Deutschland sind die Maut-

sätze für LKW so hoch, dass Erhöhungen in Hinblick

auf die Gegenfinanzierung nicht mehr gerechtfertigt

werden könnten. Würden somit durch Einheben ei-

ner kilometerabhängigen Maut für PKW mehr Ein-

nahmen lukriert – was in Anbetracht der Mauthöhen

unvermeidlich ist – so bedeutet dies, dass im Gegen-

zug die Maut für LKW gesenkt werden müsste, um

den Grundsatz nicht übersteigender Einnahmen ge-

recht zu werden. Dem Szenario, dass also Autofah-

rerInnen mehr zu zahlen haben und gleichzeitig der

Schwerverkehr entlastet wird, ist eine ganz klare und

nachdrückliche Absage zu erteilen.

Somit bleibt das ernüchternde Resümee, dass im

Vorschlag zur Eurovignettenrichtlinie keine Ansätze

zu finden sind, die dem Problem der Umwegverkeh-

re entgegenwirken und den Mitgliedstaaten die Mög-

lichkeit geben würden, anhand des Instrumentes der

Maut verkehrslenkende Maßnahmen zu ergreifen.

Das Ziel, den europäischen Straßenverkehr umwelt-

freundlicher zu machen, wird mit einem Verbot von

Vignetten jedenfalls nicht erreicht. Es fehlen auch

gänzlich Maßnahmen, die eine Verlagerung des

Verkehrs von der Straße auf umweltfreundliche Ver-

kehrsträger bewirken würden. Gerade in Hinblick auf

die Fertigstellung des Brennerbasistunnels, die mit

2026 geplant ist, stellt sich nämlich immer stärker die

Frage, welche Maßnahmen Mitgliedstaaten ergreifen

können, damit die neu geschaffene Eisenbahninfra-

struktur für den Güterverkehr auch tatsächlich ge-

nutzt wird. Der vorliegende Vorschlag der Kommissi-

on gibt auf diese Frage jedenfalls keine Antwort.

1

https://ec.europa.eu/transport/modes/road/news/2017-05-31-europe-on-the-move_en

2

Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Verkehrsplanung: Verkehr in Tirol – Bericht 2011, Innsbruck 2012

3

AK Wien: Grenzenlose Mobilität – Grenzenlose Ausbeutung. Wien 2016

4

Deutsches Verkehrsministerium: Infopapier zur Infrastrukturabgabe vom 25.01.2017

http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/infopapier-infrastrukturabgabe.pdf?__blob=publicationFile