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UNGE
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A
USBILDUNG
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Nr. 75, Juni 2015
A
nna und Michael lernen bei der
Bawag/PSK in Innsbruck den Lehr-
beruf „Bankkaufmann/-frau“. Anna be-
findet sich gerade im 2., Michael im 3.
Lehrjahr. Er besucht ab Mai die letzte
Klasse Berufsschule und tritt im Som-
mer zur Lehrabschlussprüfung an. Durch
seine Ausbildung im Lehrbetrieb fühlt er
sich sehr gut vorbereitet und geht mit
ruhigem Gewissen zur Prüfung. Darüber
hinaus macht er auch noch die Lehre mit
Matura.
Den Lehrlingen werden im Zuge ihrer
Ausbildung alle Bereiche des Bankge-
schäfts vermittelt. Hierzu zählen insbe-
sondere der tägliche Zahlungsverkehr,
Geldanlagen, Finanzierungen oder
Devisengeschäfte. Die persönliche Be-
treuung der Kunden erfolgt im direkten
Kontakt, hauptsächlich im Kreditinstitut.
Im Rahmen solcher individueller Ge-
spräche beraten die Bankkaufleute auch
zu Bausparverträgen, Lebensversiche-
rungen oder Leasingverträgen.
Die Lehrlinge betreuen noch keine
Kunden selbstständig, sondern sind bei
Beratungsgesprächen von erfahrenen
Kollegen dabei. Gegen Ende der Lehrzeit
Alles Praxis, oder was?
Ausbildung.
In zahlreichen berufsbildenden Schulen sind Praktika mittlerweile Pflicht:
Sieben Antworten auf wichtige Fragen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
BERUFSBILD BANKKAUFFRAU & BANKKAUFMANN
PFLICHT IN HAK UND HAS
AK LEHRLINGSREPORTER
AK FORDERUNG
NEWS
Bessere Zeiten
für Lehrlinge
N
achdem die Probezeit für Lehrlinge
mit der Berufsausbildungsgesetz-
Novelle 2000 von zwei auf drei Monate
verlängert wurde und die Weiterver-
wendungszeit von vier auf drei Monate
verkürzt, fordert die AK in ihrer jüngsten
Vollversammlung rasche Änderungen.
Für Lehrlinge und Gesellen sind solche
Regelungen kontraproduktiv, denn
gerade im Lehrverhältnis soll der
Ausbildungszweck durch einen möglichst
sicheren Vertragsbestand gewährleistet
sein. Problematisch sieht die AK Tirol auch
die verkürzte Weiterverwendungszeit:
Diese dient der Erweiterung der erwor-
benen Fähigkeiten und gilt als begrenzte
Berufspraxis. Der längere Verbleib ist
auch aus arbeitsmarktpolitischer Sicht
positiv zu bewerten.
Die AK Vollversammlung fordert daher
den Bundesminister für Arbeit und
Soziales auf, eine Änderung des Berufs-
ausbildungsgesetzes zu initiieren und
die Probezeit bei Lehrlingen auf einen
Monat zu verkürzen sowie die Weiterver-
wendungszeit wieder auf vier Monate zu
verlängern.
3.
Ausbilder Manuel bespricht mit
den Lehrlingen den Ausbildungsplan.
4.
Anna empfängt die Bankkunden
und gibt erste Informationen.
5.
Michael simuliert ein
Beratungsgespräch. Sein „Kunde“,
Ausbilder Manuel, gibt ihm
anschließend wichtiges Feedback.
dürfen sie jedoch schon Jugendkonten
verwalten oder einfache Geschäfte,wie
z.B.Daueraufträge ändern,selbststän-
dig durchführen. Anhand von Fallbei-
spielen erarbeiten Sie z. B. Veranla-
gungsportfolios oder Kreditverträge
und besprechen diese anschließend
mit ihrem Ausbilder. Anna und Michael
dürfen mehrmals im Jahr in die Firmen-
zentrale nach Wien fahren, wo sie vertie-
fende Theorieschulungen erhalten.
Für diesen Lehrberuf muss man Freude
am Umgang mit Menschen, logisch-ana-
lytisches Denken, gute mathematische–
rechnerische Fähigkeiten sowie eine
selbstständige Arbeitsweise mitbringen.
Nach der Lehre stehen viele Beschäf-
tigungsmöglichkeiten offen, da man
sich in verschiedene Richtungen spezia-
lisieren kann. Um selbstständig Kunden
betreuen zu dürfen, müssen jedoch noch
einige Prüfungen absolviert und viel Wis-
sen angeeignet werden. Bei diesem Be-
ruf ist lebenslanges Lernen sehr wichtig.
Nach der Lehre möchten beide weiter in
der Bank arbeiten.
Foto: auremar/Fotolia.com
Lehrzeit: 3 Jahre | Ort: TFBS für Handel und Büro, Innsbruck
1. + 2.
Anna und Michael
informieren sich über die aktuellsten
Produkte für Geldanlagen.
1.
3.
5.
2.
4.
I
n zahlreichen berufsbildenden Schulen
sind Praktika mittlerweile Pflicht, seit
neuestem auch für HAK- und HAS-Schüler.
Diese müssen nach den Lehrplänen
(BGBl. Nr 209/2014 vom 27. 8. 2014)
nun ein als „Arbeitsverhältnis ausgestal-
tetes Pflichtpraktikum in einemUnterneh-
men oder in einer Organisation während
ihrer schulischen Ausbildung“ absolvieren.
In der unterrichtsfreien Zeit, versteht sich.
Das Praktikum soll der Ergänzung und
Vertiefung der erworbenen Kenntnisse
dienen und helfen, Berufserfahrungen zu
sammeln, die bei späteren Bewerbungen
von Vorteil sein können. Praktika können
im In- und Ausland absolviert werden,
für das Finden eines geeigneten
Platzes sind die Schüler eigenver-
antwortlich. Das Pflichtpraktikum
muss fachspezifisch sein, sollte
in den Hauptferien abelegt
werden und kann bei Bedarf
in mehrere Tranchen von
zumindest einwöchiger
Dauer gegliedert
werden. Nach-
zuweisen sind
300 (HAK)
bzw. 150
Arbeits-
stunden
(HAS) – vor
Abschluss der lehrplan-
mäßig letzten Schulstufe.
Wichtig: Das Praktikummuss
genau dokumentiert werden!
Weitere Infos gibt es in der
AK Jugendabteilung unter
0800/22 55 22 – 1566.
Achtung,
Praktikum!
Haben Schüler ein Recht
auf eine Pflichtpraktikumsstelle?
Schülerinnen und Schüler haben
zwar die Pflicht, ein Praktikum an-
zutreten (laut Lehrplan), aber sie
haben keineswegs ein bei den Be-
trieben einlösbares Recht darauf.
Das macht die Suche nach Prakti-
kumsplätzen oft sehr schwierig.
Was ist der Sinn
eines Pflichtpraktikums?
Sinn des Praktikums ist – gemäß
den Lehrplanbestimmungen –
die Ergänzung und Vertiefung
des Unterrichtsstoffes und der
erworbenen Kenntnisse und
Fertigkeiten durch die reale
Praxisbegegnung in einem
Wirtschaftsbetrieb.
Haben Pflichtpraktikanten
ein
Recht, ihr Praktikum
am Stück machen zu dürfen?
Die Lehrpläne treffen hinsicht-
lich der Frage, ob das Praktikum
an einem Stück zu erledigen ist,
zumeist keine Regelung. In den
meisten Fällen ist es aber durch-
aus geboten und praktikabel (und
auch von den Betrieben so ge-
wünscht), dies in einem zu machen.
Muss das Unternehmen, in
dem das Pflichtpraktikum ge-
macht wird, zumAusbildungsschwer-
punkt der jeweiligen Schule passen?
Das Pflichtpraktikum muss sehr
wohl in einem Betrieb abgeleistet
werden, der dem schulischen Aus-
bildungsschwerpunkt entspricht.
Wie eng das zu sehen ist, definiert
die Schule autonom.
Müssen Unternehmen nach
der Ausbildungszeit (Pflicht-
praktikum) eine Art Dienstzeugnis
ausstellen?
Die Praktikumsbetriebe sind ver-
pflichtet, eine Bestätigung (kein
Dienstzeugnis im engeren Sinne!)
auszustellen.
Wie ist es mit der Arbeitszeit
während des Praktikums?
Die Grenzen der Beschäftigung
Jugendlicher (egal ob in einem
Arbeitsverhältnis oder in einem
Ausbildungsverhältnis) normiert
das Kinder– und Jugendlichenbe-
schäftigungsgesetz, welches eine
40stündige wöchentliche Höchstar-
beitszeit, zwei freie Tage pro Wo-
che, ein Nachtarbeitsverbot sowie
ein Sonntagsarbeitsverbot festlegt.
Gibt es Lohn für
ein Praktikum?
Die Entlohnung richtet sich danach,
ob das Pflichtpraktikum imRahmen
eines regulärenArbeitsverhältnisses
abgeleistet wird oder als Ausbil-
dungsverhältnis bzw. Volontariat.
In ganz wenigen Kollektivverträgen
(Gastronomie, Metallgewerbe, Ma-
lergewerbe und einigen anderen)
gibt es Regelungen zur Entlohnung,
zumeist analog den Lehrlings-
entschädigungen dieser Branche.
Überall sonst fehlen Regelungen.
Ist von einem Arbeitsverhältnis
auszugehen (fixe Arbeitszeit, pro-
duktive Tätigkeit, Arbeit nach aus-
schließlichemVerwertungsinteresse
des Betriebes etc.), gilt ohnehin der
Branchen-KV und die dort geregel-
te Entlohnung. Handelt es sich eher
um ein Ausbildungsverhältnis (kei-
ne fixe Betriebsintegration, Arbeit
primär nach Ausbildungsinteresse,
kaum produktive Tätigkeit etc.),
dann muss überhaupt nichts bezahlt
werden. Selbstverständlich wäre
eine gewisse Entlohnung wün-
schenswert und deshalb fordert die
AK Tirol seit langem eine gesetz-
liche Regelung, dass Pflichtpraktika
zumindest auf der Basis der jewei-
ligen Lehrlingsentschädigungen zu
entlohnen sind.
1.
2.
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5.
6.
7.
Notieren.
Es
empfiehlt sich,
Pflichtpraktika
genau zu do-
kumentieren.
Ein einlösbares
Recht auf einen
Praktikumsplatz
gibt es nicht.
3.
Foto: Daniel Ernst/Fotolia.com