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THEMA: TEILZEITARBEIT

9

Nr. 75, Juni 2015

ARMUTSFALLE

FACTS

Halber Lohn =

Halbe Pension

L

ange Teilzeitarbeit wirkt sich negativ

auf die Höhe der Pension aus. Das trifft

vor allemMütter, die wegen der Kinderbe-

treuung oft nicht Vollzeit arbeiten können

und denen auch später häufig der volle

Einstieg ins Arbeitsleben nicht ermöglicht

wird. Jede zweite berufstätige Frau in Tirol

arbeitet Teilzeit (50 %). Tendenz steigend.

Der spätere Umstieg auf Vollzeit ist auch

deswegen oft schwer, weil die notwen-

digen Betreuungseinrichtungen samt

geeigneter Öffnungszeiten fehlen.

Was lange Teilzeitarbeit für Frauen bedeu-

ten kann, illustriert folgendes Beispiel:

Der Vergleich ist zwar schwierig, aber der

Berufsverlauf zweier Verkäuferinnen mit

gleichem Einstiegsgehalt zeigt, wie sich

unterschiedlicheWiedereinstiegsmo-

delle auf die spätere Pension auswirken.

Während die eine, Eva, nach den beiden

Kindern mit Unterstützung ihres Mannes

früher wieder einsteigt und zwar gleich

in Vollzeitarbeit, bleibt die zweite Mama:

Maria bleibt länger bei den Kindern zu

Hause, arbeitet danach 18 Jahre Teilzeit

und wechselt später in Vollzeit. Eva, die

früher wieder voll eingestiegen ist, geht

mit 62 Jahren vorzeitig in Pension und be-

kommt nach den heute geltenden Regeln

1.370 Euro Pension. Maria hingegen, die

länger bei den Kindern geblieben ist und

lange Teilzeit gearbeitet hat, bekommt am

Berufsende 890 Euro Pension. Die Faustre-

gel „Halber Lohn heißt halbe Pension“ ist

also nicht von der Hand zu weisen.

Teilzeitboom als Bumerang

Langzeitfolgen.

Der Schwerpunkt im Tiroler Arbeitsleben verschiebt sich immer stärker

von Vollzeit- zu Teilzeitarbeit. Eine fatale Entwicklung, vor allem für die Frauen.

Das gilt bei Weiterbildung

Keine Mehrarbeit

bei Elternteilzeit

B

ei einer Elternteilzeit ist zu beachten,

dass gesetzlich ein „Mehrarbeits-

verbot“ besteht. Das bedeutet, dass

Arbeitnehmerinnen in Elternteilzeit vom

Arbeitgeber keine Mehrarbeit angeord-

net werden darf. Dies gilt auch für vom

Arbeitgeber angeordnete Ausbildungen.

Diese müssen daher von

Beschäftigten in Eltern-

teilzeit nur dann besucht

werden, wenn und soweit

diese in die vereinbarte

Arbeitszeit fallen. Das

bedeutet aber auch: Aus-

und Weiterbildungen, die

außerhalb der vereinbar-

ten Arbeitszeit stattfinden,

dürfen vom Arbeitgeber

nicht angeordnet werden,

sondern sie können

von Arbeitnehmern in

Elternteilzeit nur völlig freiwillig besucht

werden. Aber auch dann handelt es sich

arbeitsrechtlich um volle Arbeitszeit, also

meistens um Mehrarbeit, die entweder

innerhalb des festgelegten Drei-Monats-

Zeitraumes 1:1 als Zeitausgleich abge-

baut werden kann oder – falls das nicht

geschieht – mit einem 25prozentigen

Zuschlag abzugelten ist.

AK

iNFO

Die wichtigsten rechtlichen Details

zu Mehrarbeit, Überstundenarbeit

und Entlohnung sowie zu Zeitausgleich

stehen in der neuen AK Broschüre

„Teilzeitarbeit“

, anzufordern

unter 0800/22 55 22 – 1432 oder

auf ak-tirol.com

E

inmal pro Woche zwei

Stunden putzen, täglich

fünf Stunden an der Kassa,

halbtags als Kinderbetreue-

rin arbeiten: Teilzeitarbeit hat viele

Gesichter und ist weiblich. Wäh-

rend Teilzeitarbeit in einigen Le-

benssituationen die richtige Wahl

sein kann, ist sie nicht immer frei-

willig. Denn einer der wichtigsten

Gründe ist, Kinder und Beruf unter

einen Hut bringen zu müssen.

Teilzeit boomt.

In Österreich

arbeiten mehr als 1,1 Millionen

Beschäftigte Teilzeit. Das ist die

zweithöchste Teilzeitquote in der

EU, nur die Niederländer schla-

gen uns, dort aber mit einem weit-

aus höheren Anteil an Männern,

die beruflich kürzer treten wollen.

Hierzulande ist und bleibt Teilzeit

ein weibliches Phänomen. Allein

in Tirol sind rund 89.000 Arbeit-

nehmerinnen in Teilzeit beschäf-

tigt. Jede zweite berufstätige

Frau in Tirol arbeitet Teilzeit!

Tendenz steigend. Frauen müs-

sen oft dazu verdienen, weil

angesichts niedriger Löhne

und hoher Lebenshaltungs-

und Wohnkosten jeder Euro

zählt. Andererseits können

sie Familie und Beruf nur mit

Teilzeitbeschäftigung bewäl-

tigen, weil es an Betreu-

ungseinrichtungen

samt geeigneter

Öffnungszeiten

mangelt, vor

allem im länd-

lichen Raum.

Aber Teilzeitar-

beit hat massive Aus-

wirkungen, nicht nur auf

Karriere- und Berufschan-

cen. Teilzeitarbeit bietet außerdem

nicht das Einkommensniveau einer

Vollzeitarbeit. Das Durchschnitts-

einkommen einer teilzeitbeschäf-

tigten Frau lag 2013 in Tirol bei 964

Euro netto im Monat. Das Einkom-

men bei einer Vollzeitarbeit lag mit

1.682 Euro netto pro Monat gleich

um mehr als 700 Euro höher. Ganz

abgesehen davon, dass finanzielle

Selbstständigkeit nur mit ei-

ner Teilzeitarbeit angesichts

des Preisniveaus in Tirol

so gut wie unmöglich

ist. Aber vor allem

heißt halber Lohn auch halbe Pensi-

on (siehe links). Eine Tatsache, die

Frauen vor allem imAlter schmerz-

lich zu spüren bekommen können.

Das gilt rechtlich.

Nichts desto

trotz bleibt vielen nur dieseArbeits-

form, um etwas dazu zu verdienen.

Da heißt es auf jeden Fall, alle

rechtlichen Bestimmungen

zu kennen.

Teilzeitarbeit liegt

vor, wenn die ver-

einbarte Wochen-

arbeitszeit

die

gesetzliche

(40

Wochenstunden)

oder eine kollek-

tivvertraglich ver-

kürzte Normalar-

beitszeit (z. B.

38,5 Stunden

im Handel)

unterschreitet. Ausmaß, Lage und

Änderung dieser Arbeitszeit sind

zwischen Arbeitgeber und Arbeit-

nehmer zu vereinbaren.

Teilzeitbeschäftigte sind zur

Mehrarbeit nur dann verpflichtet,

wenn keine berücksichtigungswür-

digen Interessen der Mehrarbeit

entgegenstehen (z. B. Kinderbe-

treuungspflichten). Bei teilzeitbe-

schäftigten Arbeitnehmern ist bei

der Berechnung der Sonderzah-

lungen (Urlaubszuschuss und

Weihnachtsremuneration) die regel-

mäßig geleistete Mehrarbeit zu be-

rücksichtigen. Keine Einrechnung

der Mehrarbeit in Sonderzahlungen

erfolgt, wenn für die Mehrarbeit

Zeitausgleich vereinbart wurde.

Keine Benachteiligung.

Teilzeit-

beschäftigte Arbeitnehmer dürfen

wegen der Teilzeitarbeit gegen-

über vollzeitbeschäftigten Arbeit-

nehmern nicht benachteiligt wer-

den. Auch geringfügig Beschäftigte

sind arbeitsrechtlich betrachtet ganz

normale Teilzeitbeschäftigte. Sie

haben somit Anspruch auf Urlaub,

Entgeltfortzahlung im Krankheits-

fall, Sonderzahlungen, Abfertigung

usw. Geringfügig Beschäftigte sind

jedoch in der Sozialversicherung

nicht voll versichert, sondern nur

unfallversichert.

GESETZLICH VERBOTEN

W

ährend des gesam-

ten

Berufslebens

gilt: Eine gute

Aus- und Wei-

terbildung ist der beste

Kündigungsschutz. Aber

vor allem bei Teilzeitbe-

schäftigten tauchen dabei jede

Menge Probleme auf: Einige

Arbeitgeber wollen die Ausbil-

dungszeiten nicht als Arbeitszeiten

anerkennen, manche Arbeitgeber

schließen Teilzeitbeschäftigte so-

gar gänzlich von der Teilnahme

an Aus- und Weiterbildungen

aus. Beides ist gesetzwidrig.

Keine Diskriminierung.

Zu-

nächst gilt der Grundsatz, dass

Teilzeitbeschäftigte

gegenüber

Vollzeitbeschäftigten nicht be-

nachteiligt werden dürfen. Nur

sachliche Gründe dürfen zu einer

unterschiedlichen Behandlung von

Teilzeitbeschäftigten führen. Bei

der Teilnahme an beruflich notwen-

digen Aus- und Weiterbildungen

liegt aber sicher kein

sachlicher Recht-

fertigungsgrund

vor, der einen

Ausschluss von

Teilzeitbeschäf-

tigten rechtferti-

gen könnte. Denn

sie benötigen diese

Ausbildung für die

Ausübung ihres Be-

rufes genauso wie die

Vollzeitbeschäftigten.

Arbeitszeit.

Aus- und

Weiterbildungen,

die

vom Arbeitgeber ange-

ordnet werden, müssen

als Arbeitszeit anerkannt

werden. Im Einzelnen

kann man aber unter-

scheiden: Die Teilnahme

an der Ausbildung selbst

(Zeit des Kursbesuches) gilt immer

als volleArbeitszeit. Und zwar egal,

ob der Kurs innerhalb der sonst

vereinbarten Arbeitszeit stattfindet

oder außerhalb. Liegt der Zeitraum

des Kurses außerhalb der sonst

vereinbarten Arbeitszeit, etwa an

einem Samstag, können daher auch

zuschlagspflichtige Mehr- oder

Überstunden anfallen. Wenn damit

sogar die vorgeschriebene Wochen-

endruhe durchbrochen wird, dann

muss dafür vom Arbeitgeber eine

Ersatzruhe gewährt werden.

An- und Abreisezeiten.

Bei der

Zeit, die man für dieAn- undAbrei-

se zu einer angeordneten Aus- oder

Weiterbildung benötigt, muss ar-

beitsrechtlich noch genauer unter-

schieden werden. Zunächst gilt der

Grundsatz, dass Reise- und Aufent-

haltszeiten (etwa das Warten am

Bahnhof), die in der sonst verein-

barten Arbeitszeit liegen, immer als

volleArbeitszeit zählen – und zwar

auch dann, wenn man während der

Reise nicht arbeitet, sondern z. B.

eine Zeitung liest. Erfolgt die Rei-

sebewegung aber außerhalb der

sonstigen Arbeitszeiten (man muss

etwa bereits um 6 Uhr

früh wegfahren), dann

hängt die Bewertung

der Reisezeit als Ar-

beitszeit davon ab, ob

man während der Rei-

se arbeiten muss oder

nicht. Muss man ar-

beiten, handelt es sich

um volle Arbeitszeit,

bei der auch Mehr-

und Überstunden an-

fallen können. Arbei-

tet man nicht, kann für

die Reisezeit eine geringere Ent-

lohnung vereinbart werden. Einige

Kollektivverträge sehen dafür ein

„Reisesechstel“ oder ein „Reise-

fünftel“ vor. Wurde keine geringere

Entlohnung vereinbart, dann steht

der volle Lohn zu. Übrigens: Das

Lenken eines Pkw gilt immer als

volle Arbeitszeit.

Gut zu wissen.

Wenn Teilzeitbeschäftigte an einer Ausbildung teilnehmen,

kommt es immer wieder zu arbeitsrechtlichen Problemen. Hier die Details.

Lebenlanges Lernen.

Die Anforderungen an das

Wissen steigen stetig an.

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