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S

OZIALES

&

W

OHNEN

4

Nr. 85, Mai 2016

Quelle: Sonderauswertung der Lohnsteuerstatistik 2014 für die AK OÖ

FACTS

Prekäre

Wohnsituation

Tirols Frauen sind

besonders betroffen

• Fast 30.000 Personen in Tirol (29.337

Personen) verdienen trotz ganzjähriger

Vollzeitarbeit weniger als € 1.700 brutto

imMonat. Das sind 16,1 % aller ganz-

jährigen Vollzeitbeschäftigten in Tirol.

• In ganz Österreich befinden sich 15,6 %

der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten im

Niedriglohnbereich.Während sich Tirol

beimAnteil der Männer nicht von Öster-

reich unterscheidet (beide 11,2 %), liegt

der Anteil der betroffenen Frauen in

Tirol mit 26,3 % höher als imÖsterreich-

Durchschnitt (23,9 %). Das ist eine Folge

des starken Tourismussektors in Tirol.

• Fast ein Viertel der ganzjährig vollzeitbe-

schäftigten Tiroler Frauen (23,9 %) muss

demNiedriglohnsegment zugerechnet

werden. Bei den Männern liegt der

Anteil mit 11 % deutlich niedriger.

• Beschäftigte imNiedriglohnsegment

finden sich v. a. imHandel (7.315

Personen bzw. 26 % aller ganzjährig

Vollzeitbeschäftigten in der Branche)

und imGastgewerbe (4.497 Personen

bzw. 47 % aller ganzjährig Vollzeitbe-

schäftigten in der Branche).

• Mehr als die Hälfte der Frauen (55 %) im

Tiroler Gastgewerbe verdienen trotz jah-

resdurchgängiger Vollzeitarbeit weniger

als € 1.700 brutto imMonat.

• Die niedrigsten Anteile von Beschäf-

tigten imMindestlohnbereich haben

Banken und Versicherungen und der öf-

fentliche Sektor (Verwaltung, Erziehung

und Unterricht, Sozialwesen) mit 6 %

bzw. 7 %. Erneut zeigt sich, wie wichtig

der öffentliche Bereich für die Stabilität

der Einkommen ist, speziell für Frauen.

Trotz Arbeit droht die Armut!

Alarmierend.

Wie viel ist eine Vollzeitarbeit wert? Die Antwort: Nicht viel, wenn man sich

manche Kollektivverträge ansieht. AK und ÖGB fordern deshalb 1.700 € brutto Mindestlohn.

S

ie ist Inhalt zahlreicher

Debatten und Gegenstand

für soziale Panikmache:

die

Mindestsicherung.

Dabei gibt es kaum eine soziale

Unterstützungsmaßnahme, über

die mehr Halb- und Unwahrheiten

verbreitet werden. Und ohne

Kenntnis der Situation

werden Notleidende

zu „Sozialschmarot-

zern“ gestempelt, die

es sich angeblich in

der sozialen Hänge-

matte bequem machen.

Doch die Wahrheit ist eine andere.

Die Fakten.

So waren im Jahr 2014

15.220 Personen in Tirol auf Min-

destsicherung angewiesen, was zwei

(!) Prozent der Tiroler Bevölkerung

bedeutet. 45 % der Bezieher waren

Alleinstehende (4.608) und Alleiner-

ziehende (2.192), 55 %waren mitun-

terstützte Personen im gemeinsamen

Haushalt (8.400). Besonders krass

erscheint diesbezüglich auch die Tat-

sache, dass fast die Hälfte der mitun-

terstützten Personen minderjährige

Kinder sind (4.105). Gewichtet man

die unterstützten Personen nach Al-

tersgruppen, so war zwischen 2010

und 2014 die höchste Steigerung

bei Kindern bis 14 Jahren gegeben.

Hier stieg die Zahl der Unterstützten

um satte 72 %. Gerade aufgrund der

enorm hohen Lebenshaltungs- und

Wohnkosten (siehe Grafik oben)

sowie der niedrigen Löhne geraten

immer mehr Familien und Alleiner-

zieher in finanzielle Notlagen.

Trotzdem gilt für Tirol: Nur ein ge-

ringer Anteil bezieht dauerhaft Min-

destsicherung. Fast 40 % benötigen

sie zur Überwindung einer kurzfri-

stigen Notlage, die durchschnittliche

Bezugsdauer liegt bei sechs Mona-

ten. „Niemand sitzt gern zuhause

und lässt sich an den Rand der Ge-

sellschaft drängen“, sagt dazu AK

Präsident Erwin Zangerl. Die Hetze

gegen Notleidende bezeichnet er als

„beschämend“.

Zangerl: „Schon jetzt sind 100.000

Tiroler armutsgefährdet und an die

30.000 akut arm. Trotzdem beziehen

nur zwei Prozent im Land Mindest-

sicherung, teils aus Unwissen, teils

weil sie sich für ihre Lage schämen.

Zudem liegt der Missbrauch im Pro-

millebereich. Nun dort zu kürzen, wo

es am notwendigsten ist, wird nur

dazu führen, dass der soziale Friede

gefährdet wird. Das ist das letzte,

was wir derzeit gebrauchen können.“

Falsches Spiel mit Notleidenden

AK ERHEBUNG

76 Angebote

146 Angebote

86 Angebote

5 im Rahmen (7 %)

30 im Rahmen (21 %)

22 im Rahmen (26 %)

Obergrenze 890

Obergrenze 750

Obergrenze 495

Durchschnitt 1.183

Durchschnitt 862

Durchschnitt 549

71 zu teuer (93 %)

116 zu teuer (79 %)

64 zu teuer (74 %)

3-Zimmer-Wohnungen

2-Zimmer-Wohnungen

Garconnieren

Mietpreise in Innsbruck

D

as Mindestsicherungsgesetz sieht

die Übernahme der Mietkosten in

tatsächlicher Höhe vor. Die festge-

legten Mietpreisobergrenzen, die bei

einer Anmietung nicht überschritten

werden dürfen, liegen allerdings deut-

lich unter den realen Preisen, wie am

Beispiel Innsbruck (Obergrenze gelb)

deutlich wird. Damit steht der Großteil

der verfügbarenWohnungen für

Menschen, die auf Mindestsicherung

angewiesen sind, nicht zur Verfügung.

Quelle: DOWAS, 4. Quartal 2015, Preise inkl. BK

Sozial?

Bezieher der Mindestsicherung sind keine Großverdiener, auch wenn politische

und wirtschaftliche Kreise dies ständig wiederholen. Die Realität sieht anders aus.

Foto: kdshutterman/Fotolia.com

Foto: Anibal Trejo/Fotolia.com

E

in Mindestlohn von 1.700 Euro brutto ist keine

Luxusforderung. Denn Netto entspricht das

einem Monatslohn von 1.310 Euro. Ein

Betrag, der angesichts der hohen Kosten

für Wohnen und Leben in Tirol als gerade ein-

mal ausreichend bezeichnet werden kann.

Aber von diesem Mindesteinkommen ist

Tirol noch weit entfernt: „Fast 30.000 Per-

sonen verdienen in Tirol trotz ganzjähriger

Vollzeitbeschäftigung weniger als 1.700

Euro brutto im Monat“, macht AK Prä-

sident Zangerl auf das Problem aufmerk-

sam, „das sind 16 % der Vollzeitbeschäf-

tigten im Land. Im Vergleich zum Rest

Österreichs sind die Tiroler Beschäftigten

stärker von dieser Situation betroffen!“

Vor allem Frauen haben mit niedrigen Ein-

kommen trotz Vollzeitarbeit zu kämpfen.

Branchen mit hohen Anteilen von Beschäf-

tigten im Niedriglohnsektor, wie das Hotel-

und Gastgewerbe sowie der Handel, sind

stark weiblich dominiert. Mehr als 25 % der

ganzjährig vollzeitbeschäftigten Frauen ar-

beiten im Handel oder Tourismus. Rechnet

man Teilzeit- und Saisonbeschäftigte noch

hinzu, sind es fast 40 % aller Tiroler Arbeit-

nehmerinnen.

Das Ergebnis: Mehr als ein Viertel der Tiroler Arbeit-

nehmerinnen verdient weniger als den geforderten

Mindestlohn von 1.700 Euro brutto. In einzelnen

Branchen ist derAnteile derBetroffenenoft noch

viel höher: Im Hotel- und Gastgewerbe liegen

mehr als die Hälfte der weiblichen Vollzeit-

beschäftigten mit ihrem Verdienst unter

der 1.700-Euro-Marke, im Handel sind es

41 % und sogar in Industrie und Gewer-

be, die eigentlich ein hohes Lohnniveau

aufweisen, sind es immer noch fast 20 %.

Die Anteile männlicher Beschäftigter im

Niedriglohnsektor liegen durchwegs um

fast die Hälfte niedriger.

Positiv hervorzuheben ist der öffentliche

Bereich, der die öffentliche Verwaltung,

das Erziehungs- und Unterrichtswesen und

das Gesundheits- und Sozialwesen umfasst.

Nur 7 % der Beschäftigten verdienten hier

weniger als 1.700 Euro brutto. Obwohl

stärker betroffen als die Männer, war in kei-

ner anderen beschäftigungsstarken Branche

der Anteil der Frauen im Niedriglohnsektor

geringer als im öffentlichen Bereich. Daran

zeigt sich erneut, wie wichtig die öffent-

liche Hand für die Stabilität der Einkom-

mensverhältnisse der Frauen in Tirol ist.

Zerronnen.

In Tirol ist der Euro weit

weniger wert als im Rest Österreichs.

Fazit: Viele Vollbeschäftigte können

von ihren Löhnen nicht mehr leben.