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OFFEN GESAGT

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Nr. 101, November 2017

Arbeitnehmer zuerst!

Im Gespräch.

„Egal, wie die künftige Bundesregierung aussehen wird, gibt es für

uns eine Grundbedingung zur Zusammenarbeit: Die Arbeitnehmervertretungen und die

Arbeitnehmerrechte dürfen nicht geschwächt werden“, sagt AK Präsident Zangerl.

TAZ: Herr Präsident, steu-

ert unsere Gesellschaft in

die richtige Richtung?

Zangerl:

Wir versuchen

täglich, die richtige Rich-

tung einzuschlagen. Unsere

Demokratie lebt von Frie-

den, Freiheit und Sicherheit.

Diese Struktur sichert seit

mehr als 70 Jahren Wohlstand

und sozialen Frieden. Wir dür-

fen diesen Pfad nicht verlas-

sen, denn es geht um die

gerechte Teilhabe aller.

TAZ: Nach der Wahl ist

vor der Wahl. Wie beur-

teilen Sie die Lage für

die Arbeitnehmer?

Zangerl:

DieArbeit-

nehmervertretungen

und die Arbeit-

nehmerrechte ge-

raten stark unter

Druck. Man will

die Arbeitneh-

merseite mund-

tot machen, da-

mit man dann

die Wünsche von

Industrie-

und

neoliberalen Lob-

bys ungestört umsetzen

kann, auf Kosten der

Beschäftigten.

Ich sage nur:

‚Ausdehnung der Arbeitszeit, Ar-

beit auf Abruf, Verlust der Über-

stundenzuschläge, Ende der Kol-

lektivverträge‘ oder ‚Aus für den

13. und 14. Gehalt‘. Diesen Kreisen

muss klar sein: Wer Lohnverhand-

lungen in den Firmen will, verla-

gert die Konflikte auf die Straße.

Der soziale Friede im Land darf für

diese Lobby nicht geopfert werden.

TAZ: Was erwarten Sie von der

neuen Regierung?

Zangerl:

Noch bin ich überzeugt,

dass in jeder Partei vernünftige und

demokratisch gesinnte Politiker in

der Mehrheit sind, die das gemein-

same Wohl des Landes im Auge

haben. Dazu gehört der Fortbe-

stand der Sozialpartnerschaft und

mit ihr der Erhalt der Arbeiterkam-

mer als unabhängige gesetzliche

Interessenvertretung aller Arbeit-

nehmerinnen und Arbeitnehmer.

Wir haben noch keiner Regierung

nach dem Mund geredet, weil wir

die Anliegen der Beschäftigten im

Fokus haben. Bei uns kommen die

Arbeitnehmer zuerst! Gemeinsam

haben Arbeitgeber- und Arbeitneh-

merseite immer noch die besten

Lösungen für unser Land gefunden.

Deshalb warne ich vor allen politi-

schen Scharfmachern, denen es um

die Zerstörung eines bewährten

Systems geht, das unserem Land

in den letzten 70 Jahren Sicherheit

und Wohlstand gebracht und Öster-

reich zu einem der reichsten Länder

der Welt gemacht hat. Wir haben

ein Sozial- und Gesundheitssy-

stem, um das uns andere Länder be-

neiden, eben weil wir statt Streiks

Kollektivvertragsverhandlungen

führen und den sozialen Ausgleich

suchen, damit niemand in unserem

Land auf der Strecke bleibt.

TAZ: Warum wird derzeit so viel

über die Kammern diskutiert?

Zangerl:

Wir sind der natürliche

Feind aller neoliberalen Parteien

und Lobbys von Industrie und

Großkapital. Und zwar deshalb,

weil unserWeltbild von einer christ-

lichen und sozialen Wertehaltung

geprägt ist. Während andernorts

das Recht des Stärkeren gilt, setzen

wir auf ein solidarisches Miteinan-

der und Hilfe für die Schwächeren

durch einen aktiven Sozialstaat. Je

stärker sich eine Regierung Grup-

pierungen und Lobbys ausliefert,

umso nachdrücklicher will sie AK

und ÖGB mundtot machen. Wer

Neoliberalismus sät, wird Sozial-

abbau ernten, damit Vermögende

noch reicher werden.

TAZ: Wie kann eine konstruktive

Zusammenarbeit mit der Regie-

rung aussehen?

Zangerl:

Schulterklopfen und bloße

Überschriften sind zu wenig. Die

künftige Regierung muss Farbe be-

kennen. Es gilt ein Bündel an Maß-

nahmen auszubauen: Das betrifft

den Arbeitnehmerschutz, geregelte

Arbeitszeiten, Lohnsteuersenkung,

Abschaffung der kalten Progressi-

on, den Erhalt der Kollektivverträ-

ge samt Regelungen beim 13. und

14. Gehalt, Sicherung von Pension,

Krankenversicherung und Pflege-

geld. Es handelt sich hier um keine

Beihilfen, sondern um solidarische

Beiträge, die wir alle erarbeitet

haben. Diese jahrzehntelang be-

währten sozialen Netze helfen den

Menschen in schwierigen Lebens-

lagen. Die Arbeitnehmer leisten mit

ihren Steuern und Abgaben dafür

den Löwenanteil. Die Rolle der

Sozialpartner und der gesetzlichen

Mitgliedschaft in den Kammern ist

wesentlich. Die AK wird bekämpft,

weil sie für die Rechte der Arbeit-

nehmer kämpft. Der Ruf nach Re-

formen bedeutet, dass man die AK

mundtot machen und sie auf eine

reine Serviceeinrichtung reduzieren

will. Doch dagegen werden wir uns

wehren!

„Die AK wird bekämpft,

weil sie sich für

die Rechte der

Arbeitnehmer einsetzt.“

Erwin Zangerl, AK Präsident