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Ausbildung macht kaum Unterschied

Viele gefährdet

D

ie Personengruppe der „Working

Poor“ ist keineswegs homogen.

Eine pauschale Aussage hinsichtlich der

Zusammensetzung der knapp 17.800

der als „Working Poor“ geltenden

Personen in Tirol ist dadurch kaum mög-

lich. Einige Charakteristika lassen sich

jedoch feststellen. Ein erhöhtes Risiko

von Armut trotz Erwerbsarbeit betroffen

zu sein, besteht vor allem bei alleiner-

ziehenden Eltern, Single-Haushalten,

Erwerbstätigen in Haushalten mit mehr

als drei Kindern, Personen mit geringer

formaler Bildung oder in niedrigen be-

ruflichen Positionen sowie bei Erwerbs-

tätigen, die in Haushalten mit einer

niedrigen Erwerbsintensität leben.

V

erfügt eine Person nur über einen

Pflichtschulabschluss, darüber-

hinaus aber über keine Ausbildung,

beträgt das Risiko, irgendwann zu den

„Working Poor“ zu gehören, rund

16 %. Ansonsten besteht hinsichtlich

des Armutsgefährdungsrisikos fast

kein Unterschied, welche Ausbildung

vorliegt. Für Personen mit einer abge-

schlossenen Lehre liegt das „Working

Poor“-Risiko bei 5 %, für Absolventinnen

und Absolventen einer Fach- oder

Handelsschule bei 7 %, für Personen mit

Matura bei 6 % und auch für jene mit

einem Studienabschluss liegt das Risiko

trotz Beschäftigung kein Auskommen

zu finden bei 6 %.

D

ie Ergebnisse der kürzlich vom IHS

veröffentlichten Studie sind besorg-

niserregend. Verfügte beispielsweise

im Jahr 2014 ein Einpersonenhaushalt

über ein Netto-Jahreseinkommen von

unter 13.926 € (Monatsnetto 1.161 €),

lag damit gemäß EU-Definition bereits

eine Armutsgefährdung vor. Bei einem

Haushalt bestehend aus zwei Erwachse-

nen und zwei Kindern lag die Armuts-

gefährdungsschwelle bereits bei einem

Nettojahreseinkommen von 29.245 €

(Monatsnetto 2.437 €). Laut IHS gab es

somit im Jahr 2014 17.727 Personen in

Tirol, die als Working Poor gelten. Damit

war jeder und jede Zwanzigste in Tirol

gefährdet (5 %).

Leben an der Grenze zur Armut

WORKING POOR FAKTOR BILDUNG

FAKTEN

6

Nr. 101, November 2017

THEMA: BESCHÄFTIGUNG

17.727

85.000

6.789 Frauen | 10.938Männer

würde der Staat nicht eingreifen hab

die Schwelle zur Armut

*

Personen in Tirol sindWorking Poor

*

Personen wären in Tirol Working Poor

i

Euro netto pro Monat ist

1.161

ARBEITSMARKT

D

er Befund ist besorgniserre-

gend: Jeder Zwanzigste in

Tirol ist trotz Erwerbstätig-

keit armutsgefährdet. Dies zeigt

eine vom Land Tirol beim Institut

für Höhere Studien (IHS) beauf-

tragteAnalyse, die die Situation der

Beschäftigten in Tirol durchleuch-

tete. Konkret galten so im Jahr

2014 17.727 Personen als „Wor-

king Poor“

(siehe „Was bedeutet

,Working Poor‘“, re. Seite)

, also als

Beschäftigte, die trotz Einkommen

von Armut betroffen sind – einfach

deshalb, da sie in ihren Jobs zuwe-

nig verdienen. Anstatt das Problem

an der Wurzel zu packen, fordern

vor allem Vertreter von neolibe-

ralen Parteien die Menschen auf,

noch mehr zu arbeiten: Im Fach-

jargon ist von einer „Erhöhung der

Erwerbsintensität“ die Rede. Dies

führt dazu, dass den ohnehin von

Armut betroffenen Personen oft der

„Working Poor“: Das

verdrängte Problem

Der „freie Markt“

produziert Armut

W

ürde der Staat bei der Ar-

mutsbekämpfung

nicht

eine zentrale Rolle spie-

len, wäre die Situation noch fataler.

Lässt man nämlich bei der Analyse

die staatlichen Sozialtransfers und

die Haushaltsebene – also die Be-

trachtung des Einkommens aller im

Haushalt lebenden Personen – außer

Acht, steigt die Armutsgefährdung

enorm. Nimmt man nur das indivi-

duell erzielte Nettoeinkommen wür-

de die Zahl der Gefährdeten in Tirol

knapp 85.000 Personen betragen –

fast zwei Drittel davon Frauen. Erst

durch die Kostenersparnis beim

Zusammenlegen von Haushalten

sinkt die Zahl der „Working Poor“

auf rund 57.000 Personen. Auch die

ANALYSE

Belastung.

Viele Tiroler Haushalte sind

trotz Arbeit von Armut betroffen. Dies hat

fatale Folgen, wie eine neue Analyse im

Auftrag des Landes Tirol zeigt. „Working

Poor“ ist auch bei uns ein heißes Thema.

Stempel der mangelnden Arbeits-

bereitschaft aufgedrückt wird. Die

Ergebnisse der IHS-Studie widerle-

gen diese Ansicht jedoch eindeutig:

Personen aus Haushalten mit einer

Erwerbsintensität von wenigstens

76 % machen fast ein Drittel der

„Working Poor“ aus, mehr als die

Hälfte hat eine Erwerbsintensität

von über 50 %. Die Ergebnisse zei-

gen also, dass nicht die Arbeitsbe-

reitschaft das Problem ist, sondern

vor allem zu niedrige Löhne.

Landesstudie: Trotz Vol

* Zahlen aus 2014

* lt. EU-Definition für 2014

Foto:SydaProductions

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Foto:Lumina Images

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*)

„Erwerbsintensität“ bezeichnet den Grad, in dem

das Vollzeit-Erwerbspotenzial ausgenützt wird.